Landesliga Hansa

Nach 0:2-Rückstand: Ohe verwandelt den Matchball und hat „die Ziellinie vor Augen“

04. Mai 2024, 18:02 Uhr

Der FC Voran Ohe feiert den 3:2-Sieg bei Hamm United - und die Vize-Meisterschaft in der Landesliga Hansa. Foto: Verein

Als er vor inzwischen sieben Jahren mit damals schon 31 Lenzen zum FC Voran Ohe wechselte, musste er aufgrund eines frisch zugezogenen Achillessehnenrisses lange auf sein Debüt warten. Mittlerweile ist er 38 Jahre jung – und noch immer ein Teil der „Amselstiegler“. Doch am Ende der Saison ist Schluss. Marco Braesen wird seine Stiefel auf Liga-Ebene an den Nagel hängen – und das womöglich sogar mit der absoluten Krönung. „Es war klar, dass das heute nicht die letzte Option war. Aber wir wollten es natürlich unbedingt heute klarmachen, weil wir mit Marco Braesen einen Spieler haben, der nach 20 Jahren Liga-Fußball leider, aber selbstverständlich auch zurecht aufhören wird in einem stolzen Fußballer-Alter. Ihm wollen wir unbedingt noch ein letztes Spiel geben – und das wird er in der nächsten Woche auch bekommen. Allein dafür hat es sich schon gelohnt“, huldigte Ohe-Coach Matthias Wulff seinen Routinier.

In einer „sehr bemerkenswerten Ansprache im Abschlusstraining“ habe Braesen „unter Tränen gesagt, dass ihm das viel bedeuten würde, noch ein letztes Spiel mit dieser Mannschaft in Ohe zu bekommen“, verriet Wulff. „Und er hat auf seine 20 Jahre, in denen er zweimal mit Oststeinbek aufgestiegen ist, zurückgeblickt. So oft gibt es diesen Moment halt nicht. Insofern freut es mich einfach für die Jungs, dass sie das als ‚Fussis‘ erleben dürfen. Ich habe es auch ein paar Mal erleben dürfen – und es ist einfach etwas Besonderes. Vor allem, wenn man so etwas mit so einer Einheit und so einer Kameradschaft erleben darf, dann ist das noch bedeutsamer. Daraus entwickeln sich Freundschaften fürs Leben“, weiß Wulff genau, wovon er spricht.

"Nicht das erste Mal in dieser Saison"

In der ersten halben Stunde wirkten die "Geächteten" deutlich wacher und aggressiver. Doch eine 2:0-Führung reichte am Ende nicht, um etwas Zählbares mitzunehmen. Foto: Kormanjos

Seine Oher haben den ersten Matchball im Kampf um die Vize-Meisterschaft und die Aufstiegs-Relegationsspiele um den Oberliga-Aufstieg gleich verwertet – und zwar nach einem 0:2-Rückstand im Hammer Park (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Das hat einen schon etwas nervös gemacht“, gestand der ebenfalls scheidende Erfolgstrainer der „Amselstiegler“. Doch die Nervosität wich schnell dem Glauben an ein Comeback – denn: „Das ist leider nicht das erste Mal in dieser Saison, dass wir in Rückstand geraten. Insofern kennen wir das schon ein bisschen. Aber wir sind generell von der Mentalität, von der Bank und vom ganzen Kader so aufgestellt, dass wir immer wieder zurückgekommen sind in dieser Saison. Das haben wir auch heute wieder geschafft!“

Unglückliche Entscheidungen sorgen für 0:2-Rückstand

Obwohl Ohe zu Beginn äußerst fahrig und irgendwie nicht wirklich anwesend wirkte. Die Gegentreffer waren von der Art und Weise dennoch unglücklich. Dem 0:1 ging ein Foulspiel von Philipp Lorenzen an Matthias Cholevas voraus. Der unglückliche Schiedsrichter Schams Golzari (SC Egenbüttel) zeigte zur Überraschung der Gäste auf den Punkt. Das Vergehen schien recht deutlich außerhalb des Sechzehners stattgefunden zu haben. John Winkler war’s herzlich egal. Humorlos jagte er die Kugel in den linken Knick (22.)! Unmittelbar vor dem 0:2 hatte Ohe eine Doppelchance zu verzeichnen, ehe ein Schuss von Muizz Saqib an den ausgespreizten Arm von Ayaovi Bamezon sprang. Der fällige Elfmeterpfiff blieb aus, Hamm schaltete blitzschnell um, Adrian Cekala wurde freigespielt – und erhöhte (35.)!

"Mir war klar, dass wir hintenraus mehr Körner haben werden"

Im Hammer Park drehten die Gäste vom Amselstieg einen 0:2-Rückstand in einen 3:2-Sieg und machten die Vize-Meisterschaft perfekt. Foto: Kormanjos

„Ohe, kommt – da muss mehr kommen!“, forderte Tim Schmidt unmittelbar darauf lautstark von seinen Teamkollegen. Während Wulff an der Seitenlinie die Ruhe bewahrte – und den Anschluss bejubeln durfte. Der äußerst unglückliche Zaradasht Abdelkarim dribbelte in der Vorwärtsbewegung schnurstracks in seinen Gegenspielern hinein und verlor den Ball. Oguzhan Acar bediente Aaron Brüning, der einige Meter machte und aus 17 Metern trocken links unten einschweißte (43.)! „Ich habe den Jungs schon in der Halbzeit gesagt, dass das Tor vor der Pause sehr wichtig war. Denn mir war schon klar, dass wir hintenraus ein paar mehr Körner und auch etwas mehr Willen haben werden. Trotzdem war es spannender als nötig“, unkte Wulff.

"Haben da weitergemacht, wo wir in Ahrensburg aufgehört haben"

Unterdessen haderte sein Gegenüber: „Wir gehen 2:0 in Führung und kriegen dann leider, wie so oft in letzter Zeit, kurz vor und kurz nach der Pause durch eigene Geschenke zwei Gegentore. Wir haben da weitergemacht, wo wir in Ahrensburg aufgehört haben“, so HUFC-Co-Trainer Gerrit Lobmeier, der den einmal mehr berufsbedingt verhinderten Sidnei Marschall an der Seitenlinie vertrat. Auf das Geschenk von Abdelkarim folgte nach Wiederanpfiff erneut eine undurchsichtige Situation. Wieder war Abdelkarim daran beteiligt. Ohe forderte einen Elfmeter, Hamm stellte das Spielen ein – und Tim Schmidt sagte artig Danke (49.)!

Ein Bilderbuch-Konter bringt die Ziellinie vor Augen

In Sieger- und Jubelpose: Ohe-Routinier Daniel Walek und Siegtorschütze Muizz Saqib hoffen nun auf den Aufstieg ins Hamburger Oberhaus mit dem FCVO. Archivfoto: Bode

„Für mich war das eigentlich ein typisches Unentschieden-Spiel, das keinen Sieger verdient hatte. Am Ende des Tages hat Ohe den Lucky Punch gesetzt. Aber ich glaube trotzdem, bei einem 2:2 hätte man von einem gerechten Unentschieden sprechen können“, bilanzierte Lobmeier – und beglückwünschte den Gast zur Vize-Meisterschaft. Mit einem Bilderbuch-Konter wurde der lange Zeit kaum für möglich gehaltene Sieg festgezurrt: Über Ibrahim Özalp, Brüning, Till Witmütz und Maxim Gassmann kam die Kugel rechts im Strafraum zu Saqib, der Norman Volber umkurvte und aus ganz spitzem Winkel für Oher Ekstase sorgte (83.)! „Die Ziellinie vor Augen“, trieb Co-Trainer Sören Deutsch seine Jungs noch einmal nach vorne. Mit Erfolg!

"Wir nehmen es so, wie es kommt"

„Für den Verein und für die Jungs ist das unfassbar geil“, strahlte Wulff. Und was bedeutet der Coup für ihn selbst? „Für mich bedeutet das auf jeden Fall Feierabend nach dieser Saison. Das Einzige ist, dass ich jetzt noch zwei Wochen dranhängen muss“, scherzte er – und fügte an: „Natürlich freue ich mich darüber, noch zwei Wochen dranhängen zu können.“ Denn in diesen zwei Wochen könnte noch der Oberliga-Aufstieg als krönender Abschluss einer famosen Spielzeit zum Abschied stehen. „Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir einen Punkteschnitt von 2,0 schaffen wollen. Den haben wir vor diesem Spieltag schon erreicht. Wir wollten uns als Spitzenteam entwickeln, oben dabeibleiben und um die ersten zwei Plätze mitspielen. Auch das ist uns gelungen – und das sogar schon einen Spieltag vor Schluss. Jetzt freuen wir uns auf diese richtig geile und entspannte Woche – und haben noch ein paar Essen offen, die wir als Trainer ausgeben müssen“, will man das letzte Spiel vor heimischer Kulisse noch einmal „richtig geil zelebrieren“.

Es folgt „eine kurze Ausfahrt“ und dann geht der ganze Fokus auf die Relegation im 75. Jubiläumsjahr des Vereins. „Darauf freuen wir uns. Was am Ende dabei heraus- und herumkommt, das weiß heute natürlich keiner. Wir nehmen es so, wie es kommt. Denn es ist ein geiles Erlebnis für die Jungs, was man als Amateurfußballer nicht oft hat“, wissen Wulff und auch Braesen, wovon sie sprechen.

Der FC Voran Ohe feiert die Vize-Meisterschaft:

Autor: Dennis Kormanjos