Eine Achterbahnfahrt über die 70-Prozent-Hürde - Sasel zwingt Billstedt zu Konsequenzen

"Die Art und Weise geht nicht - nicht mal die Grundtugenden waren da!"

18. Februar 2018, 20:17 Uhr

Enrik Nrecaj (re.) - hier im Duell mit Billstedts Sandjar Ahmadi - brachte den TSV Sasel kurz vor der Pause in Front. Foto: Mathias Merk

Noch bevor die beiden Trainer das Wort ergriffen, konstatierte ein komplett ernüchterter Wolfgang „Karotte“ Krause: „Man kann verlieren, aber nicht in dieser Form!“ Eine Einschätzung, mit der der Sportchef des SC V/W Billstedt keinesfalls alleine dastand. „Wir wollten anders auftreten als in der letzten Woche, das ist uns nicht gelungen. Es war ein schlechtes Spiel von uns und die Art und Weise geht definitiv nicht. Da müssen wir intern nochmal in uns gehen und Entscheidungen treffen. Denn dafür betreiben wir den ganzen Aufwand nicht“, echauffierte sich Trainer Aydin Taneli.

Nico Zankl (li.) kam, sah und traf. Erster Gratulant: Der starke Bünyamin Balat. Foto: Mathias Merk

Der TSV Sasel wirkte angeschlagen. Nicht im Stile eines Boxers, der kurz vor dem Knockout steht, aber man merkte den Mannen vom Parkweg die fehlende Spielpraxis an. „Ich glaube, wir haben den einzigen Platz in Hamburg, auf dem noch Schnee liegt“, witzelte Bünyamin Balat - und das mit durchaus ernstem Hintergrund. Denn: „Wir können seit zwei Wochen nicht trainieren“, erklärte Coach Danny Zankl, der zum Improvisieren gezwungen wurde. „Die letzten Einheiten haben wir in der Halle auf wenigen Quadratmetern und ganz engem Raum absolviert“, so Balat, der anfügte: „Dafür, dass wir uns nicht optimal vorbereiten konnten, war das ein sehr gutes Spiel von uns.“ Ein Spiel, indem der Gast sofort das Heft des Handelns in die Hand nahm, aber lange auf ein Erfolgserlebnis hinarbeiten musste. Es dauerte bis zur 42. Spielminute, ehe die konfuse Wacker-Defensive für eine der vielen Unzulänglichkeiten erstmals bestraft wurde: Ein kurz ausgeführter Eckball von Adem Aydin wurde von Tolga Celikten per Hacke verlängert. Der anschließende Klärungsversuch von Furkan Gökmen misslang gründlich und landete direkt auf dem rechten Fuß von Enrik Nrecaj, der die Kugel per Direktabnahme wuchtig in die Maschen jagte!

"Dass wir so zerfallen, verstehe ich nicht"

Volkan Al (li.) versuchte immer wieder, seine Mitspieler anzutreiben - vergeblich. Foto: Mathias Merk

„Ich würde sogar sagen, dass das Tor mit entscheidend war, da wir dadurch mit einem guten Gefühl in die Halbzeit gehen konnten“, befand Balat, dessen Gefühlswelt allerdings noch vor der Pause kurzzeitig in Schieflache geriet. Denn mit der allerletzten Aktion hätte Evailton Fernandes, der einen äußerst unglücklichen Auftritt aufs Parkett legte, den Ausgleich erzielen müssen, als er den Ball von Joel Weiß mustergültig serviert bekam. Doch Fernandes manövrierte das Spielgerät aus zwei Metern über das verwaiste Tor (45.). „Vielleicht hätte man dann anders in die zweite Halbzeit kommen können“, mutmaßte Taneli, fügte aber gleichzeitig an: „Da war keine Haltung, keine Bissigkeit, keine Zweikämpfe. Du kannst alles Taktische trainieren was du willst, wenn selbst die Grundtugenden im Fußball fehlen, dann wird’s ganz, ganz schwierig. Dass es das wird, war und von vornherein klar. Aber dass wir so in uns zerfallen, habe ich selbst noch nicht verstanden.“

Kunkel in die Wolken - Lichy und Balat haben leichtes Spiel

Elfmeter! Tim Wiegand (li.) kommt gegen Daniel Lichy einen Schritt zu spät. Foto: Mathias Merk

TSV-Coach Danny Zankl konnte sich - trotz einiger angeschlagener und noch weit von Normalform entfernter Akteure („Ein, zwei Spielern fehlt noch die richtige Wettkampf-Fitness“) - „den Luxus“ erlauben, einen Nico Zankl von der Bank zu bringen. Der „Edel-Techniker“ brauchte keine zehn Minuten, um voll auf Betriebstemperatur zu sein. Nicht zuletzt, weil Billstedts Sandjar Ahmadi den Ball zunächst stark klärte, dann aber einen kapitalen Fehlpass ins Zentrum spielte - direkt zu Aydin, der ohne Umschweife für Zankl durchsteckte. Der Linksfuß umkurvte Tim Wiegand und schob locker-lässig ein (55.)! Wenn es eines Beweises für den komplett gebrauchten Nachmittag der Hausherren bedurft hätte, dann lieferte Oliver Kunkel diesen unmittelbar nach dem 0:2, als er aus kürzester Distanz völlig ungehindert und ohne jegliche Bedrängnis mit seinem Abschluss den Billstedter Sonnenuntergang zur Geltung brachte (58.). In der Folge hatte Sasel leichtes Spiel und schoss durch Balat, der einen von Wiegand an Daniel Lichy verursachten Foulelfmeter verwandelte (71.), sowie Lichy höchstselbst, als sich Balat per Querpass revanchierte und der „Flügelflitzer“ links im Sechzehner noch einen Haken schlug, um dann ins kurze Eck einzuschweißen (87.), einen letztlich ungefährdeten und verdienten 4:0-Erfolg heraus. Wegen eines Nachtretens gegen Yannis Büge sah Wacker-Akteur Ahmadi zu allem Überfluss noch die Rote Karte in der Schlussminute. „Im Endeffekt hat sich die spielerische Klasse durchgesetzt und wir haben es geduldig zu Ende gespielt“, bilanzierte ein zufriedener Balat.

"Dieses Larifari kann ich hier nicht gebrauchen!"

Viel fehlte da nicht und Wiegand hätte den von Balat getretenen Strafsto entschärft. Foto: Mathias Merk

„Das hat wehgetan“, gestand Taneli hinterher. „Warum wir so zerfallen, das müssen wir selbst noch herauskriegen. Aber das sollten wir dann auch so schnell wie möglich tun, weil sonst wird es ganz eng“, nahm er seine Schützlinge in die Pflicht. Denn: „Wir haben bewiesen, wenn wir klar sind in unseren Aktionen, dass wir dann auch Mannschaften wie Vicky schlagen können. Aber dieses Larifari – ich könnte in die Zweikämpfe, muss aber auch nicht – kann ich hier nicht gebrauchen. Wir müssen uns fangen und wenn wir uns fangen, dann sind wir dazu fähig, viele Mannschaften in der Oberliga zu schlagen. Aber wir müssen uns erstmal fangen“, so der Übungsleiter, der nach den zwei zuletzt gezeigten Auftritten Konsequenzen androhte. „Die Konsequenz ist ganz klar: Wer nicht durchziehen will, von dem muss man sich trennen. Aber das wird sich jetzt in den nächsten Wochen herauskristallisieren.“ Währenddessen sah sein Gegenüber „eine Achterbahnfahrt“ von seiner Mannschaft, wie Zankl meinte. „Wir kamen leider nicht über die 70-Prozent-Hürde rüber – aber wir haben auswärts gewonnen, zu null gespielt und können mit dem Start zufrieden sein. Jetzt müssen wir hart arbeiten, um auch in den nächsten Wochen zu punkten. Denn uns ist bewusst, dass wir heute in einigen Phasen nicht so gut waren, wie wir uns das vorgestellt haben. Da ist noch Luft nach oben. Aber das heutige Ziel, das Bestmögliche herauszuholen und die drei Punkte mitzunehmen, haben wir erreicht.“

Die PK mit beiden Trainern im Video


Autor: Dennis Kormanjos