BZ West

Lurup mit Comeback-Qualität im bissigen Spiel um die Tabellenspitze

Schemmerling mit Doppelpack Wietzke wieder stark

05. August 2019, 12:29 Uhr

Trotz des Führungstreffers von Rogerio Almeida Ferreira (re.) reichte es am Ende für TBS Pinneberg nicht zu etwas Zählbarem. Foto: Klaas Dierks

Am Freitagabend empfing der SV Lurup Türk-Birlikspor aus Pinneberg. Vor dem Spiel wurde in einer Schweigeminute dem langjährigen Berichterstatter Luruper Fußballspiele für die Luruper Nachrichten, Günther Wilke und dem ehemaligen Spieler und Funktionär Marco Stange gedacht, die beide kürzlich verstarben. 

Im dritten Spiel in sechs Tagen brachte Trainer Gernot Becker notgedrungen zum dritten Mal eine umgebaute Elf auf den Platz. Nur Hüsnü Turan, Fatih Bayraktar und Jonas Kaab waren in allen drei Spielen zum Einsatz gekommen. Im Gegensatz zum Mittwoch stand nun aber wieder eine konkurrenzfähige Truppe auf Bezirksliga-Niveau zur Verfügung. Viele angeschlagene Spieler aus dem Spiel gegen Wedel waren wieder einsatzfähig und auch Torwart Wietzke meldete sich als genesen zurück. 

Der anfängliche Jubel der Gäste war schnell verflogen. Foto: Klaas Dierks

Der Gewinner der Partie hat Aussichten auf die Tabellenführung. Auch wenn dies zu diesem Zeitpunkt der Saison wenig mehr als ein Fingerzeig für die aktuelle Form ist, geben beide Mannschaften von Anfang an Gas. Es entwickelt sich eine spannende, bissige Partie, mit zwei total unterschiedlichen Halbzeiten. Die erste Halbzeit gehört ganz klar TBS. Auch wenn der Einsatz auf Seiten des Gastgeber, immer wieder angetrieben von Hüsnü Turan und Haji Jamal, deutlich engagierter ist als am Mittwoch, sind die Luruper in den entscheidenden Momenten zu weit weg vom Gegner, der entschlossener und gedankenschneller agiert. Gerade die Ex-Luruper Carlos Huchatz und Kapitän Roberto Rodriguez Estevez scheinen besonders motiviert. Aber auch die Neuzugänge von TBS machen positiv auf sich aufmerksam. So spielt Estevez in der fünften Minute Rogerio Almeida Ferreira zentral vor dem Sechzehner an. Der fackelt nicht lange, macht noch ein paar Schritte und zieht dann entschlossen ab. Unter dem Körper des Luruper Keepers schießt der Ball zur Pinneberger Führung ins Tor. Ferreira und sein Mitspieler Baris Ayik, ehemals Wedel, werden die Luruper über das gesamte Spiel immer wieder stark beschäftigen. 

Foto: Klaas Dierks

So in der achten Minute, als Ayik mit vollem Körpereinsatz den Ball von einem Luruper Abwehrspieler am Sechzehnmeterraum stibitzt und mit einem selbstbewussten Versuch nur knapp scheitert. Lurup schafft es kaum die Verteidigung zu entlasten. TBS lässt den Ball gut durch die eigenen Reihen laufen, oft über Ballverteiler Estevez, der neben Ayik und Ferreira gerne Flügelflitzer Huchatz auf links einsetzt. In der 23. Minute ist es wieder die Pinneberger Nummer Neun, die sich in den Fokus spielt. Fast von der Mittellinie startet er von seiner linken Seite ein Solo und kann erst im Strafraum an der Grundlinie von Jesse Richter auf Kosten einer Ecke vom Ball getrennt werden. Die tritt Estevez Zentimeter genau auf den Fuß von Neuzugang Rafat Waseq, der völlig frei am langen Pfosten steht und sehenswert volley in den gegenüberliegenden Winkel trifft. Träumchen. 0:2. War´s das für Lurup? Zumal der Druck von TBS nicht nachlässt. Nur fünf Minuten später kommt Ferreira über seine rechte Seite, frei vor Wietzke zieht er von der Strafraumgrenze aus ab. Aber Lurups Torwart ist auf dem Posten und klärt gut zur Ecke. Fast kann man nun von der Duplizität der Ereignisse sprechen. Denn bei der folgenden Ecke, diesmal von rechts auf den langen Pfosten, steht dort - wieder völlig frei - Rafat Waseq. Diesmal kommt der Ball mit dem Kopf aufs Tor, doch jetzt ist Wietzke Endstation, der den Ball sicher hat. In der 34. Minute sorgt wieder Ferreira über rechts für Probleme. Nur weil Lurups Torwart den Stürmer zur Grundlinie hin abdrängt, setzt dieser den Ball knapp neben das Tor. Das wäre wohl die endgültige Entscheidung gewesen. 

Foto: Klaas Dierks

So kommt Lurup zu einem seiner seltenen Entlastungsangriffe. Der wird im TBS Mittelfeld nur durch Foul unterbunden. Der fällige Freistoß von Schemmerling ist gut getreten, aber genauso gut vom bis dahin kaum beschäftigten Torwart der Pinneberger, Safouhat Gabsi, zur Ecke abgewehrt. Die bringt für Lurup erstmal nichts ein. Der Gastgeber bleibt aber im Ballbesitz. Von links kommt der Ball in den Strafraum auf den sehr eifrigen Ferhat Yildirim. Der wird beim Abschluss durch Baris Ayik von hinten gestört und zu Fall gebracht, woraufhin der Schiedsrichter Strafstoß pfeift. Große Aufregung auf der Bank von TBS, aber der Schiedsrichter bleibt nach Konsultation mit dem Linienrichter bei seiner Entscheidung. Den fälligen Elfer verwandelt Nikolas Schemmerling in der 42. Minute zum Anschlusstreffer für Lurup. In der 45. Minute sieht sich Hüsnü Turan in der Verteidigung der nun recht offen stehenden Luruper allein zwei Angreifern gegenüber, entschärft die Gefahr aber in höchster Not in unnachahmlicher Manier.

So geht es in die Pause. Als neutraler Beobachter muß man von der Spielanlage des Gastes bisher angetan sein. Spiele zwischen Lurup und TBS Pinneberg sind in den letzten Jahren immer etwas Besonderes gewesen. Immer hart umkämpft und bissig geführt, hat der Sieger seit dem 07. September 2014 immer Lurup geheißen. Aber nur einmal mit mehr als einem Tor Differenz. Wird das heute der erste Sieg für die Pinneberger seit fünf Jahren? Auf dem Gang in die Kabine ruft Hüsnü Turan seinen Mitspielern zu: "Die packen wir noch!" Mehr als Zweckoptimismus?

Foto: Klaas Dierks

Die Pinneberger sind als erste wieder auf dem Platz, Lurup lässt sich Zeit, kommt dann aber mit Macht. In der 46. Minute bedient Pehmöller Gabreal Schikowski in zentraler Position, der den Ball gut an- und mitnimmt und aus 16 Metern rechts halbhoch zum 2:2 ausgleicht. Der Trainer sieht den Treffer noch auf dem Weg zur Bank und ist direkt hinter dem Tor, als es einschlägt. Spätestens jetzt sind auch die Bank und die Zuschauer auf der Tribüne angefixt und unterstützen in der Folge die Heimmannschaft lautstark und emotional. Man merkt, hier ist Spannung drin. Auf dem Platz wird um jeden Ball gerungen, so manches Wort wechselt hin und her und der Schiedsrichter tut gut daran schlichtend und entschieden einzugreifen. Insgesamt werden acht gelbe Karten verteilt, vier für jede Mannschaft. Sechs Minuten nach dem Ausgleich greift Lurup erneut an. Hüsnü Turan wirft auf dem rechten Flügel ein, findet Ferhat Yildirim, der den Ball auf links an Nikolas Schemmerling weiterleitet. Jetzt klappen die Ballstafetten auch bei Lurup. Schemmerling zögert nicht lange und schießt aus ca. 20 Metern flach unten ins linke Eck, lässt Gabsi im Tor keine Chance. Euphorischer Jubel bei Lurup auf dem Platz und auf der Tribüne. Nach 0:2 das Spiel gedreht. Aber wird das reichen? 

Noch sind knapp 40 Minuten zu spielen. Aber anders als in der ersten Hälfte spürt man nun den Willen im Team des Gastgebers, wenn nötig über eigene Grenzen zu gehen. Gutes Beispiel dafür ist Ferhat Yildirim, der sich im Pressing auspowert, aber auch nach hinten weite Wege macht. Seit der 46. Minute ist zudem Sören Raschke in der Verteidigung, der mit seiner Erfahrung und Präsenz als Turm in der Schlacht fungiert. So kann Verteidiger Chris Bardick in der 58. Minute zu einem sehenswerten Solo ansetzen. Vom eigenen Sechzehner trägt er den Ball bis weit in die gegenerische Hälfte, vorbei an einigen Pinnebergern, findet Fatih Bayraktar, der auf Yildirim durchsteckt, der knapp am rechten Knick vorbei zielt. Nur eine Minute später ist es Gabreal Schikowski auf links, der bis auf die Grundlinie durchzieht und den Ball flach vorbei am Torwart auf den langen Pfosten bringt. Der heranstürmende Benjamin Pehmöller kommt eine Fußspitze zu spät. So bleibt es weiter spannend. Denn TBS ist angeknockt, aber nicht k.o. Lurup läßt sich nun wieder etwas stärker hinten rein drücken. 

Am Ende jubelten die Hausherren nach einer Aufholjagd... Foto: Klaas Dierks

Pinnebergs Leon Girgin nimmt aus 11 Metern Maß, Wietzke pariert stark. Das nötigt selbst den Alten Herren von Uetersen Respekt ab, die sich nach ihrem Spiel auf Platz 2 gegen Lurups alte Garde unter die Zuschauer gemischt haben. Auch Deniz Türkoglu bekommt aus kurzer Distanz am langen Pfosten den Kopf nicht an den Ball, weil Wietzke mit den Fingerspitzen gerade noch dran ist. In der 80. Minute ist ein Kopfball von Ayik zu hoch angesetzt. Auf der anderen Seite fehlt nicht viel und Chris Bardick hätte einen Freistoß direkt verwandelt, als alle mit einer Flanke rechnen. Die letzte große Chance zum 3:3 vereitelt Wietzke, als er einen Schuss aus 18 Metern aus zentraler Position klasse pariert. Damit hat TBS sein Pulver verschossen und muss sich mit der Niederlage abfinden. So heiß es während und kurz nach dem Spiel auf dem Platz auch her geht, schnell sind die Gemüter wieder beruhigt. Lurup feiert die vorübergehende Tabellenführung, die bei entsprechenden Ergebnissen auch über den Sonntag hinaus Bestand haben könnte.

TBS kann auf einer guten ersten Halbzeit aufbauen, muss aber die Kraft und den Willen aufbringen, eine solche Leistung über das ganze Spiel abzurufen. Dann könnten sie sicher oben ein Wörtchen mitreden. Lurup beweist wieder einmal Comeback-Qualität durch großes Kämpferherz. Das wird es auch in den nächsten Spielen brauchen, um die Ausfälle beim Stamm weiter kompensieren zu können. Das Selbstbewusstsein dafür sollten sie sich in den ersten beiden Partien geholt haben.

Klaas Dierks