LOTTO-Pokal-Halbfinale

Rantzaus imponierender Fritz-Walter-Fight – doch dann kommt die 95. Minute…

01. April 2024, 20:25 Uhr

Pure Ekstase auf der einen, ein untröstlicher Sebastian Krabbes (2. v. li.) auf der anderen Seite. Foto: Heiden

„Gratulation zu dem unglaublichen Fight, den Rantzau hier abgeliefert hat. Sie haben nichts hergeschenkt, nie aufgegeben, bis zum Ende gekämpft und uns das Leben sehr, sehr schwer gemacht“, fand Immanuel Höhn ausschließlich lobende und sehr anerkennende Worte für einen Gegner, der ganz dicht dran war, das Unmögliche doch möglich zu machen. Für einen Widersacher, der sein Herz auf dem Platz ließ, aufopferungsvoll bis zum Ende kämpfte, vor Leidenschaft fast platzte und alle Tugenden, die man von einem krassen Underdog erwarten kann, auf das Geläuf brachte. Und doch musste der SSV Rantzau schlussendlich eine ganz, ganz bittere Pille schlucken (alle Highlights im LIVE-Ticker)…

Michael Igwe (li.) bekam den Ball im ersten Abschnitt zwar an Malte Ladehof vorbei, scheiterte aber am Pfosten. Foto: Heiden

Immer wieder ging der bange Blick gen Anzeigentafel. Erst von Sportchef Otto Hartlieb eine gute Viertelstunde vor Schluss, dann von einem auf und ab tigernden Ordner, der es in Minute 82 eigentlich kaum treffender auf den Punkt hätte bringen können: „Wir haben doch jetzt schon gewonnen!“ Eine Erkenntnis, die angesichts des Spielstandes noch nicht zutraf, aber aufgrund der Leistung des Landesligisten gegen den schier übermächtigen Gegner voll und ganz der Wahrheit entsprach. Bei Fritz-Walter-Wetter vor 814 zahlenden Zuschauern an der pickepackevollen Düsterlohe forderten die Barmstedter dem FC Teutonia 05 alles, aber auch wirklich alles ab!

Ladehofs größter Moment doch noch "gekillt"

Während die Teutonen den Last-Minute-Treffer bejubeln, verschlägt ein niedergeschlagener Lennart Keßner die Hände über dem Kopf. Foto: Heiden

Referee Henry Wagner (GW Eimsbüttel) gab dem an Dramatik kaum zu übertreffenden zweiten Halbfinale nach Ablauf der regulären Spielzeit einen Zuschlag von fünf Minuten. Nach wie vor hielt der Außenseiter, der mit Altona 93, dem TSV Sasel und Concordia Hamburg bereits drei Oberligisten krachend nach Hause schickte, die Null. Alles steuerte auf ein Elfmeterschießen hin. Eine Entscheidung vom Punkt um den Finaleinzug, wobei sich der SSV gute Chancen ausgerechnet hätte. Schließlich hatte man mit Malte Ladehof, der auch an diesem Nachmittag ein herausragender Rückhalt war, einen echten „Elfmeterkiller“ zwischen den Pfosten stehen. Das musste der AFC bereits leidvoll erfahren.

"Rantzau ist nicht über zehn Freilose hierhergekommen"

Rantzau-Erfolgscoach Marcus Fürstenberg konnte es nicht fassen, echauffierte sich über die fünfminütige Nachspielzeit und betete fast schon flehend gen Himmel zum lieben Gott. Foto: Heiden

Doch dann das: Ein letzter Angriff der nun Dauerdruck entfachenden Teutonen. Der Ball kam im hohen Bogen zu Marcus Coffie, der das Spielgerät von der rechten Grundlinie vor das Tor brachte, wo der aufgerückte Leonard Brodersen für pure Ekstase sorgte und das Runde per Direktabnahme ins Eckige schweißte (90. +5)! „Natürlich haben wir die ganze Zeit daran geglaubt. Wir waren ja ständig im letzten Drittel von Rantzau, haben viele Flanken reingespielt und hatten ganz viele Aktionen. Ich wusste: Irgendwann fällt mal einer rein“, so Teutonen-Trainer Höhn, der allerdings bis zur letzten Minute darauf warten musste. „Dass das ein Geduldsspiel wird, war auch klar. Das ist ein Halbfinale und Rantzau ist nicht über zehn Freilose hierhergekommen, sondern hat sich das sportlich verdient.“

"Underdog" mit riesiger Führungschance

Und genau das demonstrierten die leidenschaftlich kämpfenden Barmstedter, die beinahe schon nach nicht mal 180 Sekunden für einen dicken Knall gesorgt hätten, als Finn Krupski nach Vorarbeit von Lennart Keßner urplötzlich frei vor Marius Liesegang aufkreuzte, den Teutonen-Torsteher aber nicht überwinden konnte (3.)! In der Folge diktierte und dominierte der Regionalligist das Geschehen zwar, fand aber kaum ein Durchkommen. Und wenn, dann war da ja noch ein gewisser Malte Ladehof (Ordner: „Du bist ein Tier, Malte!“), der gegen Serkan Dursuns Schuss (12.) und Kevin Weidlichs Kopfball (41.) sein ganzes Können zeigte. „Wir hätten schon in der ersten Halbzeit das eine oder andere Tor machen müssen“, befand Höhn – und gab unumwunden zu: „Natürlich wünscht man, frühzeitiger die Chancen zu nutzen und ein Tor zu machen, um gar nicht erst etwas aufkommen zu lassen.“ Denn: „Je länger es geht, desto größer wird natürlich auch die Brust des Gegners.“

SSV kämpft mit purer Leidenschaft für den "Traum"

Teutonias Pressesprecher Deniz Ercin (li.) herzt Trainer Immanuel Höhn nach dem an Dramatik kaum zu übertreffenden Finaleinzug. Foto: Heiden

„Auf geht‘s Rantzau – kämpft für unseren Traum!“, trieb der treue und lautstarke Anhang des Hammonia-Ligisten die eigene Equipe mit einem Spruchband nach vorne. Und die Mannschaft sorgte mit einer ungeheuren Galligkeit, Willigkeit und unbändigem Einsatz dafür, dass die ganz große Sensation tatsächlich lange in der Luft. Keinem Zweikampf ging man aus dem Weg, keinen Deut ließ man – trotz sichtlicher Schöpfung – nach. Stattdessen ging man weit über die letzten Reserven hinaus. Respekt, Rantzau! Und dennoch sollte es am Ende auf tragischer Weise nicht reichen. Ein letzter Freistoß von Lukas Raphael. Sogar Ladehof tauchte im gegnerischen Sechzehner auf. Aber: Verpufft.

Rantzau macht Fritz Walter stolz

„Diese Situation ist sehr speziell und natürlich ist das ein ganz emotionaler Moment, der mit zu den emotionalsten dazu gehört. Ganz klar“, gestand Höhn noch voller Adrenalin nur kurz nach Schlusspfiff. Eine Aussage, die ebenfalls unterstreicht, was das Fürstenberg-Ensemble dem Goliath abverlangt hat. Schließlich hat der 32-Jährige eine langjährige Profi-Karriere beim SC Freiburg, Darmstadt 98 und SV Sandhausen hinter sich – und jede Menge Karriere-Highlights erlebt. Apropos Profi: Fritz Walter war einer der Größten der deutschen Fußballzunft. Das Fritz-Walter-Wetter machte sich an diesem Ostermontag der SSV Rantzau zu eigen – und hätte mit der Leistung sicherlich auch einem Fritz Walter imponiert…

Die Pressekonferenz nach dem hochdramatischen Halbfinale mit beiden Trainern im Video:

Autor: Dennis Kormanjos