Toksöz: „Ich kriege jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke!“

Norderstedts letztjähriger „Final-Held“ dieses Mal zum Zuschauen verdammt

24. Mai 2017, 07:00 Uhr

Im Vorjahr erzielte Deran Toksöz (li.) quasi mit dem Schlusspfiff das 1:1 - nun wird er seiner Eintracht fehlen. Foto: KBS-Picture.de

Die Sekunden tickten herunter, die Felle schwammen Eintracht Norderstedt mehr und mehr davon. Nur noch eine winzige Minute war im ODDSET-Pokalfinale 2016 zwischen dem Regionalligisten und Altona 93 zu gehen, als der klassentiefere Oberligist bereits wie der Sieger aussah. Zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, als Deran Toksöz den linken Hammer auspackte und den kaum mehr für möglich gehaltenen Ausgleich erzielte. In der Verlängerung hatten die Garstedter nicht nur das Momentum auf ihrer Seite, sondern auch Kraftvorteile gegenüber den „Algan-Kickern“. Die Folge: EN triumphierte mit 4:1 und krönte sich zu Hamburgs Pokal-Champion! Einer der Hauptprotagonisten: Deran Toksöz. Wir haben mit ihm gesprochen…

FussiFreunde: Deran, Du laborierst derzeit an einer Adduktorenverletzung. Wie geht's Dir?

Toksöz: „Mir geht’s ganz gut. Ich bin in Behandlung bei unseren Physios. Aber fürs Pokalfinale wird es wohl nicht reichen. Da ist die Zeit zu knapp und die Gefahr zu groß, dass es noch schlimmer wird.“

FussiFreunde: Heißt: Wir werden Dich im Pokalfinale definitiv nicht auf dem Rasen zu sehen bekommen?

Toksöz: „Die Mannschaft ist so gut, dass kein einzelner Spieler so wichtig ist, dass man ihn nicht ersetzen kann. Wir haben einen breiten Kader und ich gönne es wirklich jedem der Jungs, dass er an diesem Tag das Spiel seines Lebens macht. Wenn ich blöd wäre, dann hätte ich mich irgendwie fitmachen lassen. Aber dann besteht eben die Gefahr, dass irgendwas kaputt geht und ich noch länger ausfalle. Ob nun Fynn (Rathjen; Anm. d. Red.) oder ‚Amigo‘ (David Karg Lara) auf der Position spielen werden. Beide haben es verdient und beiden gönne ich es auch.“

Mit purer Entschlossenheit im Vorwärtsgang: Doch nun wurde Deran Toksöz von einer Verletzung ausgebremst. Foto: KBS-Picture.de

FussiFreunde: Blicken wir nochmal zurück: Wie fühlt man sich als Held des letztjährigen Endspiels?

Toksöz: „Ich fühle mich nicht als Held oder so. Das Tor ist einfach zu einem Zeitpunkt gefallen, in dem wahrscheinlich niemand mehr damit gerechnet hat. Dieses Gefühl, als der Ball im Netz eingeschlagen ist, kann man einfach nicht beschreiben. Das war unglaublich!“

FussiFreunde: Was ging Dir denn durch den Kopf, als der Ball in der 89. Minute vor Deine Füße fiel?

Toksöz: „Es war eine sehr schwierige Situation. Der Ball wurde geklärt und ist dann direkt vor mir noch einmal aufgesprungen, so dass ich ihn erstmal unter Kontrolle bringen musste und dann mit meinem schwächeren Fuß abschließen konnte. In dem Moment denkt man nicht großartig nach, weil alles so schnell geht. Mir war in dieser Situation nur klar, dass ich schießen muss – denn uns lief ja auch die Zeit davon. Ich war mit den Kräften eigentlich schon am Ende. Sicher war auch ein bisschen Glück dabei, dass der Schuss noch leicht abgefälscht wurde und letztlich über den Keeper hinweg ins Tor flog.“

FussiFreunde: Du hast bereits angesprochen, dass der Schuss noch leicht abgefälscht wurde. Hätte der Ball auch ohne gegnerische Berührung den Weg ins Tor gefunden?

Toksöz: „Das ist schwer zu sagen. Ich habe den Ball zwar optimal getroffen. Aber dadurch, dass der Schuss noch leicht abgefälscht wurde, ist er von der Flugkurve her für den Torhüter sehr gefährlich geworden.“

FussiFreunde: Würdest Du heute sagen, dass es das wichtigste Tor Deiner bisherigen Laufbahn war?

Toksöz: „Diese Frage habe ich schon häufiger gestellt bekommen und muss dazu sagen, dass ich es selbst schwer beurteilen kann. Ich denke, für den Verein war es ein sehr wichtiges Tor. Vielleicht sollte man da mal beim Präsidenten nachfragen (lacht).“

FussiFreunde: Erkläre mal denjenigen, die das wahrscheinlich nie erleben werden, wie es sich anfühlt, ein solch wichtiges und entscheidendes Tor zu schießen?

Toksöz: „Es ist fast unmöglich, die richtigen Worte dafür zu finden. In dieser Sekunde werden so viele Emotionen freigesetzt, dass ich jetzt noch Gänsehaut kriege, wenn ich nur daran denke. Das ganze Adrenalin schießt in einem hoch, weil es auch zu einem Zeitpunkt war, wo keiner mehr damit gerechnet hätte. Das Stadion tobt, die Zuschauer jubeln und man ist mittendrin. Dieser Moment ist einfach nur unglaublich!“

FussiFreunde: Nun seid ihr erneut sehr souverän durch den Pokal-Wettbewerb marschiert und drauf und dran, den Titel zu verteidigen. Kommt diese Ernsthaftigkeit auch daher, dass ihr nun wisst, welch Besonderheit es ist, ein Pokalfinale vor solch großer Kulisse zu spielen?

Toksöz: „Diese Ernsthaftigkeit kommt ganz einfach daher, dass wir wissen, wie wichtig es für den Verein ist. Man bekommt nicht nur eine regionale Aufmerksamkeit, sondern schafft auch den Sprung in den DFB-Pokal. Trotzdem stelle ich mich hier jetzt nicht hin und sage: Wir gewinnen den Pokal in den nächsten zehn Jahren. Aber wir wissen, wenn wir unsere Leistung abrufen und den bestmöglichen Fußball spielen, dann kann uns keine Mannschaft in Hamburg schlagen!“

Auch die Emotionen dürfen bei Toksöz (Mi.) nicht zu kurz kommen. Foto: KBS-Picture.de

FussiFreunde: Euer Gegner am 25. Mai ist HR. Was macht den „Underdog“ in Deinen Augen vielleicht sogar noch gefährlicher als Altona 93 im Vorjahr?

Toksöz: „Ich möchte HR überhaupt nicht mit Altona vergleichen. Denn es wird ein ganz anderes Spiel werden. Ich gehe davon aus, dass die sich erstmal hinten reinstellen und auf Konter lauern werden. Aber wir werden sie keinesfalls unterschätzen! Denn wir wissen, was sie können und kennen viele Spieler auch, da einige von ihnen bei uns in der A-Jugend gespielt haben. Nichtsdestotrotz bin ich felsenfest davon überzeugt, dass wir gewinnen werden – und das sage ich, ohne respektlos zu sein. Im Gegenteil. Wir werden HR mit viel Respekt begegnen. Aber wir müssen und wollen den Pokal holen!“

FussiFreunde: Könnt ihr euch demnach nur selbst schlagen?

Toksöz: „Die Laien sehen das sicher so. Und wenn man ganz ehrlich ist: Eigentlich ist es auch so. Denn wenn wir unsere Stärken ausspielen und unser Leistungsmaximum abrufen, dann spielen wir nicht nur eine Liga höher, sondern auch dort einen sehr guten Fußball. Wir müssen einfach positiv in die Partie gehen und das spielen, was wir können. Denn als Mannschaft harmonieren wir derzeit sehr gut“

FussiFreunde: Gibt es denn beim Gegner Spieler, vor denen Du besonders großen Respekt hast – die euch womöglich auch gefährlich werden können?

Toksöz: „Ich bin nicht der Typ, der Spieler eines Gegners hochloben oder schlechtreden möchte. Sicher hat HR einige gute Jungs und sie haben Dassendorf und Altona ja auch nicht umsonst rausgeworfen. Die können schon was. Aber dennoch sollten wir nur auf uns gucken.“

Mit seiner Ballbehandlung ist Toksöz (re.) nur schwer vom Ball zu trennen. Foto: KBS-Picture.de

FussiFreunde: Kommen wir mal auf eure Saison in der Regionalliga zu sprechen. Der Start war – trotz hoher Ambitionen im Vorfeld – denkbar schlecht.

Toksöz: „Es stimmt, dass wir anfangs nicht die Leistung abgerufen haben, die eigentlich in uns steckt. Da sollte sich auch jeder an die eigene Nase fassen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass wir im Vergleich zu anderen Teams alles in allem noch eine relativ junge Mannschaft haben. Und es war immer unser Bestreben, Fußball zu spielen. Das hat zu Beginn nicht geklappt. Umso glücklicher sind wir, dass wir uns gefangen haben.“

FussiFreunde: Im Oktober erfolgte die Trennung von Thomas Seeliger. Wie beurteilst Du diese mit etwas Abstand?

Toksöz: „Es ist eine Entscheidung des Vorstandes gewesen. Deshalb möchte ich dazu lieber nichts sagen. Im Nachhinein wird es viele Leute geben, die aufgrund der sportlichen Entwicklung sagen: Der Verein hat alles richtig gemacht. Aber man darf eben auch nicht vergessen, was der Trainer in den Jahren davor geleistet hat – unter anderem mit dem Gewinn des Oddset-Pokals im Vorjahr.“

FussiFreunde: Was hat sich denn unter Dirk Heyne verändert und vielleicht sogar verbessert?

Toksöz: „Dirk ist ein sehr, sehr guter Trainer. Es ist ihm gelungen, uns das Selbstvertrauen zurückzugeben. Wir spielen besseren Fußball, stehen kompakter und verstecken uns vor keinem Gegner. Dafür bekommen wir auch nach Niederlagen viel Lob gezollt.“

FussiFreunde: Abschließend kommen wir nochmal auf den Oddset-Pokal zu sprechen. Wie endet das Finale?

Toksöz: „Wir werden auf jeden Fall gewinnen! Ich habe vollstes Vertrauen in die Jungs und glaube an unsere Stärke.“

Autor: Dennis Kormanjos