„Blomkamp-Flair“ in Wilhelmsburg: Osdorf (lange) „wie aus einem Guss“!

„Oldie“ Blume stark, Karaaslan fliegt, Türkiye-Aufholjagd zu spät

04.02.2017

Obwohl der TuS Osdorf zur Pause mit 3:1 an der Georg-Wilhelm-Straße auf der Siegerstraße lag und bei besserer Chancenauswertung auch noch deutlicher hätte führen können, wie Trainer Piet Wiehle befand, hatte Türkiye-Coach Thorsten Bettin seine ganz eigene Meinung zu den ersten 45 Minuten, in denen seiner Equipe so gut wie gar nichts gelang: „Immerhin noch mehr als dem Gegner, denn der hat eigentlich überhaupt keinen Fußball, sondern nur lang Holz gespielt.“ Eine überraschende und durchaus eigenwillige Sichtweise. „Wir haben auf diesen schwierigen Bedingungen versucht, Fußball zu spielen. Die hatten das Glück, aus drei Standardsituationen drei Tore erzielt zu haben.“

Angesprochen auf diese Aussage, kontere Wiehle ganz trocken: „Das nehme ich mal so hin... Aber wenn man in einer Halbzeit drei Tore macht, noch mehr hätte machen können und nur durch eine ganz unglückliche Situation in der Nachspielzeit ein Gegentor fängt, dann hat man sicherlich in gewisser Weise auch ein bisschen Fußball gespielt. Wenn wir das nicht getan hätten, dann hieße es ja im Gegenzug, dass der Gegner überhaupt nicht anwesend war!“ Zumindest in der ersten halben Stunde hatte der Osdorf-Übungsleiter mit dieser Einschätzung alles auf den Punkt gebracht. Insbesondere die Defensivarbeit der Wilhelmsburger war phasenweise abenteuerlich. Die Gäste waren immer einen Schritt schneller, gewannen nahezu jeden zweiten Ball. So auch in Minute 11, als die Gefahr nach einem Eckball schon gebannt zu sein schien. Doch Osdorf setzte beherzt nach: Henrik Schmidts verunglückter Schuss wurde von Jobmanns Hacke zu „Oldie“ Sascha Blume weitergeleitet. Dieser schüttelte seinen Gegenspieler ab und schoss aus kurzer Distanz rechts oben ein. 1:0 TuS!

„Eigentlich wollte er im Winter schon aufhören“

Keine sechs Zeigerumdrehungen darauf kochte Wachter nach einem T. Krause-Freistoß von Höhe der Mittellinie Pettersson links im Strafraum locker-leicht ab und ließ diesen ganz alt aussehen. Seine Hereingabe klärte D. Barlak vor die Füße von B. Krause, der per Dropkick aus 18 Metern in den linken Knick einschweißte! Wenige Augenblicke später konnte S. Blume – nach einem „TK9-Eckstoß – seinem geblockten Kopfball ungehindert nachsetzen und den Ball von rechts im gegnerischen Sechzehner auf den zweiten Pfosten schlagen, wo kein Wilhelmsburger den völlig blank stehenden Bonewald auf dem Zettel hatte, der die Konfusion per Kopf zum 3:0 für den Liga-Neuling bestrafte (24.)!

Ein Tor, eine Vorarbeit: der zweite Startelf-Einsatz von Routinier Sascha Blume in dieser Saison hatte sich vollauf bezahlt gemacht. Dabei stand der „Sturmtank“ nicht zuletzt nach dem geschafften Aufstieg ins Oberhaus eigentlich schon vor seinem Karriereende. „Nicht nur da“, verriet Wiehle anschließend, „im Winter wollte er eigentlich auch aufhören, da er in der Hinrunde nicht so oft gespielt hat und sich natürlich gefragt hat, wofür er dann den Aufwand betreibt. Aber wir wären nicht der TuS Osdorf, wenn solche verdienten Spieler es nicht verdient hätten, auch mal zu spielen. Er bindet den einen oder anderen Gegenspieler und hat sich das durch harte Arbeit verdient. Heute hat er gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war!“

„Kleiner Spannungsverlust, als wir nicht mehr 100-prozentig konzentriert waren“

Nichts, aber auch wirklich gar nichts, deutete zu diesem Zeitpunkt auf ein Comeback der Hausherren hin. Bis Karaaslan ein de la Cuesta-Zuspiel nicht an Claus Hencke, der den Vorzug vor Neuzugang Patrick Hartmann erhielt, vorbeibringen konnte (34.). Nachdem Trapp fast das vierte Osdorfer Tor besorgt hätte (41.), kam der FCT urplötzlich zum kaum für möglich gehaltenen Anschluss. Allerdings profitiere die Bettin-Truppe hierbei von einem haarsträubenden Schnitzer Henckes, der einen harmlosen Yapici-Freistoß fallenließ und Bilyal Mustafov somit das 1:3 ermöglichte (44.)! „Als wir zu 100 Prozent konzentriert waren, haben wir uns Chance über Chance erspielt und waren griffig in den Zweikämpfen. Als wir vielleicht insgeheim dachten, das Ding ist schon durch, hatten wir einen kleinen Spannungsverlust. Und wenn das der Fall ist, dann bist du eben nicht mehr zu 100 Prozent bei der Sache. Deshalb glaube ich auch, dass Claus den Ball nicht festgehalten hat, weil er mit den Gedanken schon beim Abschlag war“, so Wiehle. „Es ist natürlich blöd, wenn gleich die erste Aktion mit einem Gegentor bestraft wird.“

WEITER GEHT'S AUF SEITE 2 --->>>

Auf einmal war das, was bis zu diesem Zeitpunkt noch als völlig unrealistisch schien, wieder im Bereich des Möglichen: ein Punktgewinn oder sogar noch etwas mehr für den FC Türkiye, der mit einer ganz anderen Körpersprache aus der Kabine kam. Allerdings erwies Neu-Torjäger Mustafa Karaaslan, der heute kaum in Aktion trat, seinem Team innerhalb von gerade einmal 48 Sekunden einen Bärendienst: nach einem Foul in der eigenen Hälfte handelte sich der Angreifer Sekunden später nach einem ungestümen Einsteigen gegen Jobmann im TuS-Strafraum die Ampelkarte ein (59.)! „Man sieht eindeutig, dass er nur den Ball spielen will. Da fehlt mir immer dieses sogenannte Fingerspitzengefühl. Stattdessen ist das typisch Schiedsrichter. Das hat uns zum Schluss dann auch gefehlt, dass wir mit elf Mann dagegen arbeiten können. Ich glaube, dann wären wir zumindest in der Lage gewesen, einen Teilerfolg zu erzielen“ erklärte Bettin hinterher.

Dieser angesprochene Teilerfolg wurde immer wahrscheinlicher, als Serhat Yapici einen von D. Schmidt an ihm selbst verursachten Freistoß vom linken Strafraumeck herrlich in den linken Knick schlenzte. Nur noch 2:3 (79.) – und das in Unterzahl! Nun wankte Osdorf – auch, weil allerbeste Konterchancen entweder schlecht ausgespielt oder aber leichtfertig vergeben wurden. So zum Beispiel in der 82. Spielminute, als S. Blume auf links Wachter schickte, der uneigennützig noch einmal quer legte. Aber der eingewechselte Germain Hounsiagama brachte das Spielgerät nicht etwa im komplett verwaisten Gehäuse unter, sondern schoss es dem bereits geschlagenen Tobias Braun auf der anderen Seite des Tores in die Arme. Das hätte sich beinahe noch gerecht, wenn de la Cuestas Schuss in der Schlussminute – nach einem Yapici-Standard den Michael Löw nach hinten ablegte – nicht von Hencke noch über den Querbalken gelenkt worden wäre. Ende!

„Der Kern der Mannschaft hat jahrelang auf Grand gespielt"

„Für uns ein absoluter Fehl- und Kaltstart“, konstatierte Bettin. „Bei drei sogenannten Standardsituationen standen sie goldrichtig und wir eben nicht. Insofern liegst du folgerichtig 0:3 zurück, was die Ausgangslage natürlich noch problematischer gemacht hat. Aber in der zweiten Halbzeit muss ich der Mannschaft ein Kompliment machen, das hat sie gut gemacht – vor allem zu zehnt. Unterm Strich muss man sagen, dass wir das Spiel in der ersten Viertelstunde verloren haben.“ Während der Türkiye-Coach mit der Anfangsphase haderte, war sein Gegenüber umso glücklicher damit: „Die erste Halbzeit war wie aus einem Guss, wir haben losgelegt wie die Feuerwehr. Genau so haben wir uns das vorgestellt: aus gewonnenen Zweikämpfen immer mutig nach vorne und mit Zug zum Tor zu spielen. Das hat überragend geklappt“, sagte Wiehle und fügte an: „Das Gegentor ist natürlich sehr blöd. Denn ich finde, bis auf den Schuss in der letzten Minute haben wir aus dem Spiel heraus eigentlich nichts zugelassen. Umso ärgerlicherer, dass beide Gegentore ein bisschen doof zustande gekommen sind. Aber insgesamt betrachtet ist das für uns ein Hammer-Rückrunden-Auftakt“, der auch zustande kam, weil „Fuchs“ Piet Wiehle seiner „alten Garde“ auf dem „alt-ehrwürdigen“ roten Geläuf, wo viele seine Spieler groß geworden sind, vertraut hat. „Hier hat sich einer für den anderen den Arsch aufgerissen. Aber natürlich habe ich einen Kern in der Mannschaft, der jahrelang auf Grand gespielt hat und genau weiß, wie man sich auf diesem Platz verhält, um gegen solche Mannschaften zu spielen.“

Spielinfos
FC Türkiye - TuS Osdorf
Liga: Oberliga Hamburg
Anstoss: Sa - 04.02. 12:00 Uhr
Spieltag: 19. Spieltag
Ergebnis: 2 : 3
Schiedsrichter: Björn Lassen
Platz / Ort: Landesgrenze/Grand
Zuschauer: 54
Bildergalerie: Hier klicken