Regionalliga Nord

Die Lage der Liga: Welches Hambuger Sorgenkind trifft es? Kriegt Norderstedts starke Saison noch eine Delle?

21.02.2020

An diesem Wochenende geht es für die Teams in der Regionalliga Nord wieder in die Vollen: Nachdem zuletzt schon diverse Nachholspiele – zum Teil auch mit Hamburger Beteiligung – auf dem Plan standen, steht nun der 23. Spieltag der Saison an. Mittendrin statt nur dabei: Die vier Hamburger Mannschaften – der FC Eintracht Norderstedt, Altona 93, die Reserve des Hamburger SV und die Zweitvertretung des FC St. Pauli. Wobei Altona HSV II aufgrund des Ausfalls ihrer Spiele nun doch erst einmal außen vor sind. Für uns ist der Startschuss dennoch ein willkommener Anlass, um noch einmal auf das bisherige Abschneiden des Quartetts zurückzuschauen, die Lage und den bisherigen Saisonverlauf zu analysieren und einen Ausblick auf die Restspielzeit zu werfen.

Dass selbige für Altona 93 alles andere als ein Spaziergang wird, ist klar. Das können auch die kühnsten Optimisten unter den AFC-Anhängern ebenso wie Coach Berkan Algan, Manager Andreas Klobedanz und die anderen Funktions- und Würdenträger an der Griegstraße nicht von der Hand weisen. Aktuell steht der AFC in der Tabelle mit drei Punkten Rückstand auf den SSV Jeddeloh, der den erste Nichtabstiegsplatz inne hat, da und hat zumindest auf dem Papier und in der grauen Theorie noch alle Chancen, sich nach dem Aufstieg aus dem Sommer des vergangenen Jahres den Klassenerhalt eine Etage höher zu sichern. In der kommenden Woche haben die Altonaer dazu sogar noch ein Nachholspiel in der Hinterhand, wenn Hannover 96 II seine Visitenkarte auf dem Rasen an der Adolf-Jäger-Kampfbahn abgibt. Zudem noch das Spiel gegen Havelse, das an diesem Wochenende ausfällt. Aber wie man es auch dreht und wendet: Es ist – und bleibt wohl auch bis zum Schluss – ganz schön eng da unten im Tabellenkeller. Niederlagen, wie sie der AFC zuletzt am vergangenen Sonntag im Duell mit dem direkten Konkurrenten SSV Jeddeloh kassierte, sind eigentlich verboten. Eigentlich. Sie kommen aber dennoch vor.

Vorne fehlt's in Altona an Durchschlagskraft – und allgemein an Geld

Und das dürfte der berühmte Knackpunkt sein: Wenn der AFC noch nicht einmal in der Lage ist, gegen direkte Konkurrenten zu punkten – und das am besten in steter Regelmäßigkeit – gegen wen dann? Gut, hier und da werden die „Berkan-Bengel“ sicher noch Zähler einfahren und vielleicht für die eine oder andere Überraschung sorgen. Aber reicht das? Anders als noch beim letzten Abstieg, als der Kader in der Breite nicht ausgeglichen genug verstärkt wurde, hat man zwar aus diesen Fehlern gelernt und sich bei der Suche nach Neuzugängen öfter im „Regal Regionalliga“ bedient. Aber: Dem AFC sind auf der Suche nach neuem, frischem Spielermaterial, das auch wirklich entscheidend weiterhilft, finanziell die Hände gebunden. Wo andere Clubs beherzt zugreifen können, muss Altona jeden Cent nicht nur ein-, sondern zwei, vielleicht gar dreimal umdrehen. So erklärt sich dann auch, warum der Verein in der Winterpause genau die Baustelle nicht schließen konnte, die den Algan-Kickern in der Restsaison vielleicht am meisten weh tun könnte: Das Team verfügt einfach nicht über einen Angreifer, der dem AFC eine – sagen wir mal – gute zweistellige Zahl an Treffern garantiert. Das macht sich bemerkbar und schlägt durch. Denn die Rechnung ist ganz einfach: Die Algan-Kicker können in der Defensive noch so sicher stehen – wie sie es in Person von Dallas Aminzadeh oder William Wachowski vielleicht tun –, doch wenn vorne keiner trifft, dann helfen die „Null“ oder wenige Gegentreffer hinten auch nichts. Ein weiteres Manko für die Griegstraßen-Fußaller: Was Verletzungen angeht, darf nicht viel passieren. Der Kader ist eng bemessen, das Fehlen eines Tobias Grubba zum Beispiel schmerzt. Und: Der Eindruck als Außenstehender mag, so wird Berkan Algan wohl argumentieren, vielleicht trügen – aber im Kader ist ein Leistungsgefälle vorhanden, nicht jeder „Top-Spieler“ Eins-zu-Eins ersetzbar. Genau das aber wäre im Kampf um den Klassenerhalt unabdingbar.

Auf Seite zwei geht's um die beiden Reserven der Profiteams sowie bisherige Saison von Eintracht Norderstedt und die Frage, ob die Garstedter weiter auf ihrem Top-Level performen werden

Eine Mischung, die passt – und trotzdem nicht von möglichen Rückschlägen befreit

Damit zum Gegenteil des AFC: Dass es für Altona schwer werden würde, damit rechnete jeder. Damit, dass Eintracht Norderstedt vorm Beginn der Restsaison auf einem veritablen vierten Platz steht, eigentlich nicht. Vor allem dann nicht, wenn man sich die Kaderbewegungen vor der Saison noch einmal zu Gemüte führt. Nach dem Klassenerhalt aus der Vorsaison hat „EN“ sein Personal ordentlich durchgemischt. Eine Radikalkur, die nach einer – da muss man sich nichts vormachen – trotz des Ligaverbleibs enttäuschenden Spielzeit, sein musste. Wie aber macht man aus einem knapp dem Absturz entronnenen Team eine Truppe, die auf einmal in der Lage ist, die Liga aufzumischen und im obersten Drittel mitzumischen? Nun, anders als beim AFC sind die strukturellen Bedingungen einen entscheidenden Tick besser – das geht bei Kleinigkeiten wie einem besseren Rasen oder einem größeren Trainerteam los und inkludiert auch andere finanzielle Möglichkeiten. Und dann wäre da ja noch der Martens-Effekt. Nach und nach zeigt sich, wie goldrichtig der Schachzug von Präsident Reenald Koch war, bei der Suche nach einem Nachfolger für den einst de Amtes enthobenen Dirk Heyne nicht in die Ferne zu schweifen, sondern das nahe liegende Gute zu wählen. Jens Martens eben. Ein Trainer „alter Schule“, wie man so schön sagt. Er war mit der gesunden Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche im Abstiegskampf genau der richtige Mann – und beweist nun mit Platz vier, dass es nicht unbedingt immer „Laptop“-Trainer vom modernen Schlag benötigt, um erfolgreich zu sein, sondern dass auch die Grundtugenden alter Tage im Fußball nach wie vor eine Rolle spielen. Und wenn dann doch mal neue Elemente, An- und Einsichten gefragt sein sollten, hat Martens ja immer noch Olufemi Smith und Jan-Philipp Rose an der Seite – zwei, die vergleichsweise jung in ihrer Trainerkarriere und „up to date“ sind. Eine Mischung, die passt. Doch die Frage wird sein: Bleiben die Eintracht-Kicker weiterhin die „Über-dem-Soll-Performer“? So viele Hochs ein Team pro Saison auch hat: eigentlich kommt fast immer irgendwann auch ein Tief, zumindest aber ein Durchänger. Übersteht „EN“ dieses Szenario, sofern es eintritt, ist man wirklich reif, auch am Ende dort zu stehen, wo man jetzt steht. Prognose: Einstellig wird der Tabellenplatz in der Endabrechnung definitiv!

Der Kampf gegen diverse Faktoren – und die Frage nach den richtigen Griffen

Von den Garstedtern zu den beiden weiteren Sorgenkindern neben Altona 93: den Zweitvetrretungen der Zweitligisten HSV und St. Pauli. Bei beiden läuft es alles andere als ideal – obwohl die Voraussetzungen in den Profi-Reserven fraglos um einiges besser sind als beispielsweise beim AFC. Ein paar Zähler Vorsprung auf die Clubs unterm Strich haben der HSV II und St. Pauli II zwar, doch im Zweifel macht das Abstiegsgespenst auch vorm Profi-Unterbaunicht halt. Die Gründe, warum es nicht so richtig laufen will? Nun, die dürften vielschichtig sein: Vergleicht man Pauli II und den HSV II beispielsweise mit Wolfsburg II – ein legitimer Ansatz, weil es eben alles Zweite Mannschaften sind – muss auch hier konstatiert werden: der VfL hat andere Möglichkeiten und Bedingungen. Der finanzielle Background lässt grüßen. Die Schwierigkeit solcher Zweitvertretungen ist es zudem immer wieder, dass das Personal, das „von oben“ kommt, zwangsweise kicken muss – Zauberwort Spielpraxis sammeln. Das freilich lässt nicht immer ein eingespieltes Team auf dem Feld zu, was wiederum zu Rückschlägen führt. Und: Das kickende Personal, das aus der eigenen A-Jugend nach oben rückt, muss in erster Linie zunächst immer noch den Sprung aus dem Nachwuchs nach oben packen. Faktoren, die man kennt, aber eben nicht bis ins Detail einkalkulieren kann. Und, so böse es klingen mag: Am Volkspark darf oder muss man sich auch die Frage stellen, ob man sich in Sachen Trainer nicht vielleicht vergriffen hat. Mit Hannes Drews holte man zwar einen Coach, der schon in der Zweiten Liga tätig war, großartig weiter entwickelt aber hat sich das Team nicht. Im Gegenteil: es stagniert. Gefühlt lassen die Auftritte zuletzt sogar das vernichtende Urteil zu, dass es eher schlechter als besser wird. Drinbleiben werden beide Profi-Reserven wohl trotzdem.
Jan Knötzsch