Die Reise des Klaus Klock – Zwischen Bernabeu und Wilhelmsburg

„Der FC Türkiye ist wie eine Familie“

30.09.2015

„Für mich gab es als Kind nichts anderes als den Fußball.“ Seit mittlerweile acht Jahren leitet Klaus Klock gemeinsam mit Dogan Inam und Ismail Uysal die Geschicke beim FC Türkiye. Doch vor seiner ehrenamtlichen Funktionärstätigkeit sorgte „Klocki“ auf dem grünen Rasen für Furore, schaffte es in diverse DFB-Jugend-Auswahlmannschaften und sogar bis in die zweite Bundesliga. Weshalb er sich noch heute darüber ärgert, ein Jobangebot als Gärtner abgelehnt zu haben, erzählt er uns im ausführlichen Gespräch. Ein Blick in die aktive Karriere, aber auch hinter die Kulissen des Profigeschäfts, bis hin zu seiner verantwortungsvollen Aufgabe beim Oberliga-Aufsteiger aus Wilhelmsburg. „Dass wir es nach einigen Anläufen in die höchste Spielklasse Hamburgs geschafft haben, bedeutet mir sehr viel. Jetzt sind wir in der Region angekommen, wo ich mich wohlfühle.“

Die Geschichte des Klaus Klock beginnt im Alter von dreieinhalb Jahren. „Ich selbst kann mich da gar nicht mehr dran erinnern, aber bei jeder Familienfeier kommt diese Story immer wieder hoch.“ Mit seinem ersten Jugendklub Viktoria Wilhelmsburg reiste Klock zum SC Sperber. „Mein damaliger Trainer hat mich ein- und später wieder ausgewechselt. Da bin ich einfach weggelaufen und habe geheult. Meine Mutter musste mich irgendwo auf der Straße wieder einfangen.“ Schon als kleiner Steppke hatte Klock nur den Fußball im Kopf. „In den Sommerferien haben wir morgens um 9 Uhr angefangen und sind am Abend um 19 Uhr nach Hause. Wir standen jeden Tag zehn Stunden auf dem Platz.“ An seiner Seite: Ex-St. Pauli-Profi Dirk Zander. „Wir sind zusammen aufgewachsen, haben die gesamte Kindheit und viele Urlaube miteinander verbracht. Seinen Eltern gehörte damals das Klubheim von Viktoria Wilhelmsburg und Dirks Mutter Renate hat uns jeden Tag Essen gekocht.“ Rückblickend die „geilste Zeit“, wie er meint.

Klock lehnt Job als Gärtner beim HSV ab

Sein fußballerisches Talent blieb auch den Spähern aus dem Profibereich nicht verborgen. „Als ich im jüngeren B-Junioren-Jahrgang war, saß Jochen Meinke schon bei mir zu Hause und wollte mich zum HSV holen. Es gab wohl auch ein Angebot von Werder Bremen, mich ins dortige Internat zu holen, wovon ich bis zum Ende meiner Profi-Laufbahn gar nichts wusste. Meine Eltern hatten Angst, da ich noch sehr jung war.“ Mit 16 Jahren kickten Zander und Klock bereits in der damaligen vierten Liga, der Oberliga Nord, für Viktoria Wilhelmsburg. „Ich habe bereits Verbandsliga gespielt, bevor ich zum HSV in die A-Jugend gegangen bin. All das wäre heute undenkbar.“ Mit 74 Auswahlpartien war Klock, der im 64er- und 65er-Jahrgang nahezu alle Spiele absolvierte, lange Zeit sogar Rekord-Verbandspieler. „Es war schon zu erkennen, dass ich ein bisschen kicken konnte“, sagt er heute mit aller Bescheidenheit. Der große Ehrgeiz machte ihm aber auch schon mal einen Strich durch die Rechnung. Als „saudumm“ bezeichnet er eine verpasste Chance, der er noch heute ein Stück weit hinterher trauert. „Als ich in der Jugend des HSV gespielt habe, durfte ich einige Male unter Ernst Happel bei den Profis mit trainieren und in der Nachwuchsrunde 1981/1982 mitspielen. Eines Tages bot man mir ein Vertrag über 5.000 Mark an – allerdings als Gärtner. Man muss wissen, dass ein Profiverein zur damaligen Zeit nur eine bestimmte Anzahl an Profis melden durfte. Ich war so doof und habe gesagt: Ein Klaus Klock ist Fußballer und kein Gärtner. Daraufhin bin ich für 400 Mark zu Viktoria Wilhelmsburg zurück gegangen“, so der heute 49-Jährige, der mit ironischem Unterton anfügt: „Das war die schlaueste Entscheidung meines Lebens.“

„Konnte mich zwischen mehreren Klubs entscheiden“

Nach einem kurzen Intermezzo beim Hummelsbütteler SV zog er gemeinsam mit dem ehemaligen Bundesligaakteur des VfL Bochum, Holger Aden, weiter zum SC Concordia. Dort erhielt Klock die Einladung zu einem Probetraining bei Alemannia Aachen. „Wir haben in einem Testspiel gegen einen Landesligisten 9:1 gewonnen – ich habe sieben Tore gemacht! Das war für mich der Sprung in den Profibereich.“ Die Angebote ließen nicht lange auf sich warten. „Ich konnte zwischen Cercle Brügge, Genk und Aachen entscheiden. Meine damalige Frau wollte nicht ins Ausland, weshalb die Wahl auf die Alemannia fiel.“ Der Trainer, der Klock an den „Tivoli“ lotste, Diethelm Ferner, wurde jedoch recht schnell entlassen, woraufhin Peter Neururer dessen Nachfolger wurde. „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass Peter wohl mein prägendster Trainer war. Ein echter Mann, vor dem ich eine Menge Respekt habe.“ Neururer war auch die Person, die Klock zum nächsten Schritt verhalf. „Ich hatte nicht das Durchhaltevermögen, war froh, im Profibereich angekommen zu sein. In der Hinrunde war ich in Aachen absoluter Stammspieler, als ich in der Rückserie nicht mehr regelmäßig gespielt habe, wollte ich gleich meinen Vertrag auflösen.“ So kam es dann auch. Der Drei-Jahres-Kontrakt wurde aufgelöst und das nächste Abenteuer hieß Rot-Weiß Oberhausen. Ein Kapitel, das unter keinem guten Stern stand. „Ich kam an und plötzlich wurde dem Verein die Lizenz entzogen.“ Es folgte in der Spielzeit 88/89 ein einjähriges Gastspiel beim Zweitligisten Union Solingen, wo Klock in 28 von 38 Saisonspielen zum Einsatz kam, schlussendlich aber mit dem Verein in die Drittklassigkeit abstieg. Daraufhin ließ er seine Karriere in der dritthöchsten Spielklasse bei Eintracht Norderstedt und Altona 93 ausklingen.

Auf Seite 2 geht's weiter!

„Vor 84.000 Zuschauern im Bernabeu“

Im Alter von gerade einmal 28 Jahren beendete Klock schließlich seine aktive Laufbahn und wurde Trainer. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon acht Knie-Operationen hinter mir – zum Glück nie etwas Schwerwiegendes wie ein Kreuzbandriss. Aber ein Knorpelschaden oder Meniskuseinriss war dabei.“ Sein wertvollster Moment als Aktiver? „Was ich niemals vergessen werde: Vor 84.000 Zuschauern im Bernabeu-Stadion gespielt zu haben. Das war in der Saison 81/82, als wir bei einem Vier-Länder-Turnier in Madrid, wo Girondins Bordeaux, Standard Lüttich, Real Madrid und eben der HSV teilgenommen haben, das Vorspiel bestreiten durften. Der HSV ist damals mit allem, was Rang und Namen hatte, angereist und hat alle Trophäen abgesahnt. Wir sind im Vorspiel des Turniers auf Bordeaux getroffen. Waren es zu Beginn noch etwa 40.000 Zuschauer, stieg die Zahl in der zweiten Halbzeit auf über 80.000.“ Auch sein erstes Auswahl-Länderspiel gegen die UdSSR und den ersten Auftritt für die Alemannia am prall gefüllten Tivoli gegen Darmstadt 98 (3:0) wird Klock für immer in Erinnerung behalten, wie er sagt. „Für mich beginnt der ‚richtige‘ Fußball erst ab der Oberliga. Nach meiner aktiven Zeit habe ich mich gegen eine große Trainer-Laufbahn und für den Beruf entschieden. Heute bereue ich es ein wenig, die Schuhe so früh an den Nagel gehangen zu haben – denn es gibt nichts Schöneres als den Mannschaftssport!“

„Bei meiner ersten Entlassung war ich zutiefst gekränkt“

Seine Erfahrung und sein Wissen gab Klock fortan diversen Hamburger Amateurteams weiter. Seit nunmehr acht Jahren ist er beim FC Türkiye tätig, hat dort quasi alle Ämter einmal durch. „Das Beste, was mir passieren konnte, ist die Freundschaft zu Dogan Inam und der Wechsel dorthin. Das ist mein Verein, hier gehe ich wirklich voll auf.“ Mit einer Prise Sarkasmus führt er fort: „Hier muss man mich schon beerdigen, denn freiwillig gehe ich nicht weg – es sei denn, Dogan Inam hört auf.“ Das Besondere an dem Verein: „Überall wo ich vorher war, wurden Versprechungen gemacht, die nie eingehalten wurden. Vor allem nach meiner Zeit bei Einigkeit Wilhelmsurg war ich kurz davor, zu sagen, das war’s für mich. Doch dann kam das Treffen mit Dogan und wir waren sofort auf einer Wellenlänge. Im Amateurfußball war dies die schönste und wichtigste Entscheidung, die ich getroffen habe. Rückblickend ist man auch stolz auf das, was wir hier erreicht haben. Die acht Jahre sind jedenfalls wie im Fluge vergangen.“ Für Klock ist der Verein eine Art „Ersatzfamilie“, wie er zu Protokoll gibt, die allerdings zwischendrin auch ihre Krisen zu überstehen hatte. Gleich zweimal musste Klock seinen Posten als Cheftrainer an der Landesgrenze räumen. „Beim ersten Mal war ich zutiefst gekränkt, da wir als Aufsteiger gar nicht so schlecht dastanden und ich das erste Mal in meinem Leben gefastet und einen Anzug getragen habe“, trägt er die Entscheidung nach einigen Jahren Abstand mit Humor. „Ein paar Wochen später kamen Dogan und Ismail zu mir und meinten, dass sie mich überhaupt nicht verlieren wollen.“ Vor knapp zwei Jahren übernahm Klock die Wilhelmsburger einmal mehr als Übungsleiter, zog dann aber selbst die Reißleine. „Wenn eine Mannschaft so gar kein Interesse an Leistungsfußball zeigt, dann bin ich an der falschen Adresse. Im Nachhinein bin ich der Meinung, dass ich es gar nicht erst hätte machen dürfen, da ich schon zu lange im Verein war und auf dieser Position aufgebraucht.“

„Bin inzwischen alt und dick“

Zwar „juckt es immer, eine Mannschaft auf die richtige Bahn zu lenken“, aber „so lange Dogan Inam und Ismail Uysal beim FC Türkiye sind, kann ich mir nicht vorstellen, bei einem anderen Klub anzufangen.“ In seiner gewohnten Art fügt der heutige Manager an: „Ich bin der Meinung, dass ein Trainer an der Seitenlinie auch etwas herzeigen muss. Ich bin inzwischen alt und dick, sehe mich nicht mehr auf dieser Position.“ In seiner achtjährigen Amtszeit saßen vier verschiedene Trainer auf dem „Schleudersitz“ an der Georg-Wilhelm-Straße – Inam und Klock selbst mal ausgenommen, weshalb Letztgenannter auch in großes Gelächter ausbricht: „Fünf Amtszeiten von Dogan und drei von mir kommen noch hinzu.“ Das familiäre Flair und der Zusammenhalt im Umfeld sind für Klock die Eigenschaften, die den Verein ausmachen. „Deshalb müssen wir auch versuchen, mit aller Macht die Klasse zu halten und uns in der Oberliga zu etablieren.“