„Fischi“ explodiert: „Einige leiden an Größenwahn und glauben, sie seien wer weiß was“

FC Türkiye kassiert bei Concordia eine 1:2-Niederlage

29.04.2018

Florian Gossow konnte es diverse Male einfach nicht fassen. Mal schüttelte er den Kopf. In einer anderen Szene winkte er ab. Später dann machte er auf dem Absatz kehrt, ging ein paar Schritte in die andere Richtung und fragte in die Luft vor ihm hinein: „Was wollt ihr noch? Warum immer so schwierig?“ Nach Ansicht des Cordi-Trainers gingen seine Mannen zu leichtfertig mit ihren Chancen um. Als Schiedsrichter Paul Dühring (SVNA), der sich guter Spielleiter präsentierte, das Cordi-Heimspiel gegen den FC Türkiye vor der enttäuschenden Kulisse von 71 zahlenden Zuschauern abpfiff, da huschte ein Lächeln über das Gesicht von Gossow. Der Coach der Concorden konnte nach dem 2:1-Erfolg durchatmen – und zufrieden sein.

Auf der gegnerischen Seite sah das völlig anders aus. Michael Fischer stand allein auf dem Kunstrasen am Bekkamp – ein irgendwie bezeichnendes Bild, denn wer den Worten des Türkiye-Coaches nach dem Spiel lauschte, der konnte das Gefühl bekommen, dass er sich ein Stück weit auch in den 90 Minuten alleingelassen gefühlt haben dürfte. Zumindest von einigen Akteuren seiner Mannschaft. „Das war eine indiskutable erste Halbzeit unsererseits. So präsentiert sich keine Mannschaft, die im Abstiegskampf steckt“, sagte „Fischi“, um sich dann selbst zu korrigieren: „Habe ich gerade Mannschaft gesagt? Das war keine Mannschaft, sondern eine sportliche Zweckgemeinschaft. Ein unfassbarer Auftritt von einigen. Wenn ein Spieler, der seit Oktober vier Mal trainiert hat, mit seiner Präsenz, seiner Zweikampfbereitschaft und seiner Fußball-Intelligenz in der zweiten Halbzeit der überragende Mann ist, dann sollten sich Einige im Team Gedanken machen, die sich selbst überschätzen.“

Mehr als Yapicis Anschlusstreffer ist für die Gäste nicht mehr drin

Klare Worte des Gästetrainers. Derjenige, den Fischer als einzigen Spieler lobenswert erwähnte, war Serhat Yapici. Zur Pause hatte „Fischi“ ihn ins Spiel gebracht – und sofort merkte man, dass Yapici Willen versprühte. bemüht war, das Spiel an sich zu reißen und Akzente zu setzen. Eigentlich wenig verwunderlich, dass es am Ende ausgerechnet auch Yapici war, der – nach einem Freistoß des künftigen Concorden Sascha de la Cuesta – gegen seinen nächsten Verein den einzigen Treffer für die Wilhelmsburger erzielte. Das war in der 80. Minute. Zu spät, um Cordi den Sieg noch zu entreißen. Obwohl: Einen kurzen Moment lag das Unentschieden sogar in der Luft, doch Yapici hatte zwei Minuten nach seinem Anschlusstreffer Pech, dass Jonas Kastl seinen Schuss, der sonst zum Ausgleich in den Winkel geflogen wäre, noch abblocken konnte. Auch, dass der FCT in den letzten Minuten Abwehr-„Kante“ René Schröder in den Sturm beorderte und in der letzten Aktion sogar Keeper Tobias Braun mit aufrückte, nutzte nichts mehr.

Dabei hatte das Match für die Gäste anfangs eine Portion Glück bereit gehalten, die vielleicht einen anderen Verlauf der Begegnung hätte auslösen können: Nachdem zunächst ein Schuss von Cordis Petrit Osmani geklärt werden konnte (3.), brachte Schröder dann zwei Minuten später Cem Cetinkaya im Strafraum zu Fall – Elfmeter! Maurizio D'Urso trat an, scheiterte aber an Braun. Türkiye hätte seinerseits durch Mümin Mus' Riesenchance aus zwei Metern in Führung gehen können, wenn nicht gar müssen (6.) und vergab auch durch Tolga Tüter (15.). Für Cordi vergab Cetinkaya (7), doch knapp 20 MInuten später durften die Gastgeber dann doch jubeln: Osmani hatte geschossen, der Ball gelangte zu Christian Rohweder, der – anders als von Türkiye reklamiert – nicht im Abseits stand und vollendete (29.). Und für die Gäste sollte es noch schlimmer kommen: Kurz vorm Pausenpfiff bediente Ricardo Balzis Teamkollege Jaques Rodrigues de Oliveira – 2:0. (45.).

Gossow: „Ich hab gesagt, dass wir mal mit elf statt neun Mann aufdrehen sollen – das bringt mehr“

Im zweiten Durchgang wehrte Tim Burgemeister gegen Tüter ab (60.), dann kam auch Yapici nicht am Cordi-Keeper vorbei (63.). Die Concorden wiederum zielten durch Rodrigues de Oliveira vorbei (63.) und hatten nach 66 Minuten Glück, dass Kastl einen Schuss von Sebastien Mankumbani auf der Linie klärte. Danach hätte dann Balzis, der an Braun scheiterte (68.), für Cordi frühzeitig den Sack zumachen können. Weitere vier Minuten später vergaben Andreas Goldgraebe und Cetinkaya gleich doppelt: Erst fand Goldgraebe seinen Meister in Braun, dann hämmerte Cetinkaya den Nachschuss an die Latte. „Wir hätten die Partie früher entscheiden müssen. Ansonsten bin ich zufrieden. Wir haben das Spiel gut angenommen, hatten eine hohe Laufbereitschaft. Ich habe den Jungs gesagt, sie sollen den Kopf frei haben, Spaß haben, ohne Druck spielen und an die zweite Hälfte aus der Partie gegen Teutonia anknüpfen“, konstatierte Florian Gossow.

„Da haben wir mit neun Mann aufgedreht. Das war super, nur das falsche Timing. Ich hab den Jungs gesagt, dass sie das mal mit elf Mann machen sollen – dann bringt das auch mehr“, grinste der Coach der Hausherren, der mit Jamal Logemann und den eingewechselten Miguel Marcus und Louis John gleich drei Akteure aus der „Zweiten“ zum Einsatz brachte, weil Stammspieler wie Benjamin Bambur, Timo Stegmann, Jan Kämpfer, Martin Werner oder Kevin Zschimmer aus privaten oder verletzungsbedingten Gründen nicht zur Verfügung standen. „Einige der Jungs kehren nun gegen Niendorf am kommenden Sonntag zurück. Das ist gegen einen Gegner mit so einer Qualität auch nötig“, blickte Gossow voraus, während aus seinem Widerpart Michael Fischer in dessen Spielanalyse ein „Wut-Vulkan“ wurde.

Fischer: „Es ist unfassbar, wie einige Spieler heute aufgetreten sind“

„Ich habe nach der ersten Hälfte in der Kabine zu den Spielern gesagt: Es gibt nichts besseres, als wenn du früh einen Elfer gegen dich bekommst, der dann gehalten wird und Rodrigues de Oliveira den Nachschuss vergibt, obwohl er ihn ins leere Tor drücken kann“, begann Fischer sachlich, „danach kommen wir dann ins Spiel. Wir haben riesige Möglichkeiten, nutzen sie aber nicht. Dann geraten wir in Rückstand und laufen einem 0:2 hinterher. Auch in der zweiten Hälfte haben wir unsere Möglichkeiten, aber wir verlieren am Ende. Damit ist die Chance auf eine weitere Oberliga-Saison verschwendend gering. Aber auch im Volkspark war sie schon gering...“ Was „Fischi“ ähnlich optimistisch wie inzwischen den HSV in der Bundesliga macht? „Wir brauchen noch zwölf Punkte und haben vier Spiele. Rechnerisch geht das also noch. Allerdings ist uns ein Joker in der Form eines Sieges gegen Cordi weggebrochen, jetzt müssen wir hoffen, dass Wedel gegen Niendorf, Teutonia und uns verliert. Wir haben noch alles in der eigenen Hand.“

So weit, so gut, aber dann braches es aus ihm heraus: „Dass einige Spieler unter diesen Voraussetzungen so aufgetreten sind, wie heute, ist unfassbar. In den ersten acht Minuten hatten wir mehr Ballverluste im Zentrum als der Gegner Ballkontakte hatte. Das zeigt, wie einige das hier vom Kopf angegangen sind. Auch dieses Gesabbel mit Beleidigungen von eigenen Spielern kurz vor der Pause geht nicht. Dann spiele ich lieber zu zehnt weiter und gehe in die Landesliga, als dass ich mit solchen Spielern in der nächsten Saison weiter zusammenarbeite“, so Fischer, der in der Halbzeitpause Onur Tüysüz und Michael Löw rausnahm. „Hier wird im Sommer ganz klar aussortiert. Einige leiden an Größenwahn und glauben, sie seien wer weiß was. Aber sie sind einfach nur biedere Oberliga-Spieler“, fand der Coach („Ich habe einige Bedingungen gestellt, wenn die erfüllt werden, bleibe ich“) harte und deutliche Worte.

Jan Knötzsch

Spielinfos
Concordia Hamburg - FC Türkiye
Liga: Oberliga Hamburg
Anstoss: So - 29.04. 15:00 Uhr
Spieltag: 31. Spieltag
Ergebnis: 2 : 1
Schiedsrichter: Paul Dühring (SVNA)
Platz / Ort: Bekkamp
Zuschauer: 71
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