Corona-Virus

Fortsetzung, Abbruch, Wertung – wie geht’s weiter? „Ich möchte nicht in der Haut der Entscheider stecken“

20.03.2020

Bis zum 30. April wird es keine Spiele im Hamburger Amateurfußball geben – das ist nach der Allgemeinverfügung des Hamburger Senats und der Absage des Spielbetriebs durch den Verband klar. Mehrere Spieltage müssten bis zum regulären Ende der Liga-Spielzeit (15. und 17. Mai) dann nach jetzigem Stand nachgeholt werden – die Nachholspiele einiger Vereine noch nicht einmal mitgerechnet. Wie soll es also weitergehen? Sollte die Saison abgebrochen werden? Wer steigt dann auf? Wer müsste absteigen?. Wir haben Trainer, Spieler und Offizielle gefragt, was sie denken.

Mansoor Ahmadi (Manager ASV Hamburg): „Ich hoffe natürlich, dass die Saison weitergeht. Es ist schade für Mannschaften, die ihre Ziele noch erreichen können und wo die ganze Arbeit dann vielleicht umsonst wäre, wenn die Saison abgebrochen wird. Egal, welcher Fall einer möglichen Saisonwertung auch immer eintritt: Es wird eine Partei geben, die unglücklich sein wird. Ich persönlich denke, die Saison wird ohne Auf- und Absteiger abgebrochen.“

Pascal El-Nemr (Spieler Concordia): „Ich hoffe natürlich, dass die Saison fortgesetzt wird. Ich weiß nicht, wie lange wir noch diese Ausnahme-Situation, wie sie jetzt ist, haben werden – aber ich hoffe, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt dann auch die Spiele in Englischen Wochen angesetzt werden, so dass halt drei Mal pro Woche gespielt wird, statt Training zu haben. Wenn es bis zu zehn Spielen sind, die ausfallen, kann man das vielleicht innerhalb von drei Wochen nachholen. Jeder sieht ja, was momentan verloren geht dadurch, dass kein Fußball stattfindet. Ich hoffe, dass man eine solche Lösung anstrebt, statt die Saison abzubrechen.“

Schneppel: „Ich bin der Meinung, dass man die Saison werten sollte,“

Sven Schneppel (Trainer VfL Lohbrügge): „Ich bin der Meinung, dass man die Saison auf alle Fälle werten sollte. Wir befinden uns in der Endphase der Saison. Alle hatten genügend Zeit, ihre entsprechenden Ergebnisse zu sammeln. Zwei komplette Vorbereitungen sind absolviert, in der Landesliga 22. Spieltage, in der Oberliga 25. Spieltage – tabellarisch gab es genügend Möglichkeiten, für einzelne Clubs da zu stehen, wo sie stehen wollten. Von daher sollte es eine Wertung geben. In welcher Form – ob man den aktuellen Tabellenstand zum Beispiel einfriert oder mit dem Punkte-Quotienten herangeht – da habe ich echt keine Ahnung! Das müsste man diskutieren. Ich würde es unfair finden, wenn man die Saison annulliert und sagt, sie habe nicht stattgefunden. Vielleicht gibt es auch eine Möglichkeit, dass man bei den Absteigern nur den Letzten oder gar keine Mannschaft absteigen lässt. Ich kann leider auch keine Lösung aus der Hosentasche ziehen, bleibe aber dabei: ich bin für eine Wertung, weil sportliche Leistungen erbracht oder eben nicht erbracht wurden.“ 
Ercan Sancak (Trainer SC Hansa 11): „Bis Ende April wird es ja erstmal so weitergehen, wie es jetzt ist. Ich gehe davon aus, dass wir die Saison darüber hinaus nicht fortführen werden. Wie es dann mit Auf- und Absteigern aussieht? Da habe ich – ehrlich gesagt – keine Ahnung.“

Jan Haimerl (Trainer BU II): „Ich wünsche mir, dass die Saison – wie auch immer – zu Ende gespielt wird. Die vielen Fußballer, die sich aktuell mit Laufen fithalten und ansonsten die Zeit zu Hause verbringen, vermissen das Zusammensein in der Gruppe und den Wettkampf. Es gibt aktuell viele negative Infos und Erlebnisse und ich glaube, dass man den Menschen mit der Maßnahme, diese Saison zu Ende spielen zu können, wieder mehr Positives vermittelt. Für alle Vereine wäre das ein positives Signal.“

Kepceoglu: „Fußball ist zweitrangig, wir sollten uns auf unsere Gesundheit konzentrieren“

Philipp Mohr (Ligaobmann SV Altengamme): „Ich denke, die Amateurverbände werden die Entscheidungen der DFL und des DFB abwarten und dann handeln. Wenn es beim 30. April bleibt, ist es vielleicht noch möglich, die Saison mit Englischen Wochen zu beenden. Das wäre natürlich wünschenswert. Ich glaube aber nicht, dass das Verbot am 30. April enden wird, sondern vermutlich nochmal verlängert wird. Ich möchte nicht in der Haut derjenigen stecken, die dann über ein weiteres Vorgehen entscheiden. Eine Beendigung der Serie wäre natürlich für viele Mannschaften, für die es noch um etwas geht, wünschenswert, aber das würde dann vermutlich unseren ganzen Rahmenterminplan für die nächsten Jahre durcheinander würfeln. Ob Annullierung, jetziger Stand oder Hinrundentabelle – das Wichtigste ist doch, dass wir alle diese Zeit weitestgehend gesund überstehen.“

Wolfgang Krause (Ligamanager V/W Billstedt): „Natürlich wünsche ich mir, dass der Spuk schnell vorbei ist. Ich rechne aber mit einer Pause von mindestens weiteren drei Monaten. Daher glaube ich nicht, dass die Saison zu Ende gespielt werden kann. Die Gesundheit der Menschen steht über allem.“

Mert Kepceoglu (Manager Meiendorfer SV): „Die derzeitigen Fragen zu beantworten, ist mega schwierig. Klar macht man sich auch selbst Gedanken. Letztlich weiß man nicht, was vom Verband durchgesetzt wird. Egal, was das am Ende sein wird: Es wird immer eine Seite geben, die jammern wird. Es kann nicht jedem recht gemacht werden, weil es bei allen Theorien Vor- und Nachteile gibt – abhängig von den Positionen des Vereins. Für Teams, die um den Aufstieg oder gegen den Abstieg spielen, ist das schon dramatisch. Ich für mich kann nicht sagen, welche Maßnahme die richtige ist. Wenn man die Politik und die Sachlage verfolgt und hört, dass auch von einer Ausgangssperre gesprochen wird, dann kann ich nur sagen: Es wird über den 30. April hinaus eine Aussetzung des Spielbetriebs geben. Verlängert man die Aussetzung nur um einen Monat, dann frage ich mich schon: Wann sollen die ganzen Spiele nachgeholt werden? Dass die Saison fortgeführt wird, denke ich nicht. Die prozentuale Chance darauf ist eher gering. Nehmen wir nur das Beispiel Altona 93: Die haben eh schon viele Nachholspiele, jetzt kommen die durch Corona dazu – das alles nachzuholen, wird nicht möglich sein. Wie weit soll man eine Saison denn verlängern? Man muss ja auch an die Vertragslaufzeiten der Spieler denken. Ich gehe davon aus, dass die Saison nicht zu Ende gespielt wird. Fußball ist zweitrangig, wir sollten uns auf unsere Gesundheit konzentrieren.“

Auf der zweiten Seite äußern sich Andelko Ivanko, Ahmet Sahin und Timucin Gürsan.

Ivanko: „An Fußball wird auch im Mai oder Juni noch nicht wieder zu denken sein“

Timucin Gürsan (Trainer FC Süderelbe): „Die Gesundheit der Menschen und unserer Gesellschaft zu schützen, ist die Aufgabe aller, nicht nur der Menschen, die auf dem Gesundheits- und Pflegesektor arbeiten. So lange eine Gefahr besteht, ist es indiskutabel, Fußball zu spielen und sich selbst oder andere in Gefahr zu bringen. Wie die Saison gewertet werden kann oder wird – dazu kann ich nichts sagen. Ich weiß nur, dass es lachende, aber auch weinende Gesichter geben wird. Und ich weiß für mich, dass ich nicht in der Haut der Entscheider stecken möchte. Aus meiner Sicht wäre es am sinnvolsten, wenn man eine Wertung bis zum Ende der Hinrunde vornehmen würde.“

Ahmet Sahin (Vorsitzender und Trainer HT 16): „Ich glaube nicht, dass die Saison noch weitergeht, weil es einfach nicht möglich sein wird ,von den Terminen her mehrere Spiele in kurzer Zeit zu spielen. Es fehlt ja, wenn es wieder losgeht, dann auch an einer Vorbereitung. Die Spieler sind einfach zu lange raus dann. Deswegen glaube ich, dass die Saison beendet ist. Die Frage wird natürlich sein, wie sie gewertet wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass gesagt wird: Die Meister steigen auf und alles andere bleibt und im nächsten Jahr steigen dann mehrere Mannschaften ab. Oder man berechnet es über den Koeffizienten.“

Andelko Ivanko (Trainer SV Rugenbergen): „Ich denke, dass es nicht möglich sein wird, schnell wieder zu spielen, da der Corona-Virus sich noch weiter ausbreitet beziehungsweise die Kurve der Infektionen nach oben zeigt. Die schlimmste Zeit steht uns laut der Prognosen ja noch bevor. Dadurch, dass ich beruflich ein bisschen in der Gesundheitsbranche zu tun habe, merke ich, dass die Stimmung allgemein so ist, dass man auf die schlimmste Zeit wartet und sich darauf vorbereitet. An Fußball wird auch im Mai oder Juni noch nicht wieder zu denken sein. Erst danach wird es wahrschenlich abflachen und man kann sich Gedanken über die nächste Saison machen.“

Yaylaoglu: „Mir tun die Leute, die am Ende entscheiden müssen, jetzt schon leid“

Hasan Yaylaoglu (Trainer SV Eidelstedt): „Im Endeffekt muss man es so sehen: Wenn es sich bis Mai oder Juni regelt und der Spielbetrieb nochmal aufgenommen werden kann, sollte man die Saison zu Ende spielen und dann alles neu justieren und überdenken – also vielleicht eine Saison einem Kalenderjahr anpassen. Sollte es noch länger andauern, dann ist jede Wertung unfair – egal, ob man die Tabelle nimmt, wie sie jetzt ist oder die Saison annulliert. Es ist eine sonderbare Situation und beide Möglichkeiten wären ungerecht, aber da müsste man dann eine Mitte finden. Mir tun die Leute, die das am Ende entscheiden müssen, jetzt schon leid. Aber ich sehe das ganz entspannt – und das hat nichts mit unserem Platz als Tabellenletzter zu tun...“

Jean-Pierre Richter (Trainer TuS Dassendorf): „Ich selbst kann zu dem Thema am wenigsten sagen, da ich das Ausmaß der aktuellen Lage nicht einschätzen kann und davon ausgehe, dass das Ganze noch lange so anhält, zumal viele den Ernst der Lage nicht begriffen haben. Das Wichtigste derzeit ist: Ich wünsche allen, dass wir gesund bleiben, bevor es in Gedanken um die nächsten Punkte geht.“

Auf der dritten Seite äußern sich Dirk Hellmann, Mirko Petersen und Daniel Andrade-Granados.

Hellmann: „Ich bezweifle, dass wir schnell wieder zur Normalität zurückkehren“

Dirk Hellmann (Trainer HFC Falke): Es ist für alle jetzt gerade total schwer absehbar. Wenn wir ehrlich sind und die gesellschaftlichen Themen sehen, dann bekommt man schon zum Teil Drastisches mit. Da muss man schon sagen: Der Fußball ist sehr hintergründig zu betrachten. Als Verein hängt man in der Luft. Du planst eine neue Saison, obwohl nicht klar ist, ob die alte beendet wird. Manche Vereine wissen ja derzeit nochmal, in welcher Liga sie künftig spielen. Das macht die Sache extrem schwer. Ich kann mich an eine Saison erinnern, da hatten wir einen brutalen Winter und haben dann im Rhythmus Dienstag-Donnerstag-Wochenende gespielt – und das drei Wochen lang, glaube ich. Ich lasse mal außen vor, wie fair und gesund das ist, glaube aber schon, dass das eine Möglichkeit im Amateurfußball wäre, viele Spiele innerhalb einer kurzen Zeit durchzubekommen. Diese Lösung ist sicher nicht optimal, aber wenn wir schnell in den Spielbetrieb zurückkehren dürfen, ist es eine Möglichkeit. Was eine Saisonverlängerung angeht, glaube ich, dass für uns – analog zu den Profis – der 30. Juni ein Richtwert ist. Auch wegen der Verträge der Spieler. Ich persönlich bezweifle, dass wir so schnell zur Normalität zurückkehren. Entsprechend könnte es sein, dass es auf einen Abbruch hinausläuft und man dann zeitversetzt mit einer neuen Saison beginnt. Was die Wertung der Saison angeht, wird es keine Lösung geben, die für alle fair ist.“

Mirko Petersen (Trainer SV Börnsen): „Ich bin davon überzeugt, dass die Saison nicht zu Ende gespielt wird. Der Höhepunkt ist – so glaube ich – noch nicht erreicht. Und wenn am kommenden Sonntag die Politiker tagen, ob noch eine Ausgangssperre verhängt wird, weil sich viele nicht an die Anweisungen halten, bestätigt mich das in meiner Meinung noch mehr. Wie die Saison dann gewertet wird, zum Beispiel so, als ob die Saison nicht stattgefunden hat – das ist eine ganz schwierige Aufgabe.“
Daniel Andrade-Granados (Trainer SV Nettelnburg-Allermöhe): „Zu aller erst möchte ich mal sagen, dass es mir völlig egal ist, ob und wie die Saison weitergeht. Die aktuelle Lage finde ich viel wichtiger und ernsthafter als eine mögliche Regelung einer Amateurliga oder Fußballsaison. Ich gehe davon aus, dass die Saison nicht zu Ende gebracht werden kann. Losgelöst davon, wann wir wieder spielen können, haben die Spieler, wenn sie beispielsweise bis zum 30. April pausieren mussten, keinerlei Möglichkeit, sich vorzubereiten. Wir dürfen ja weder auf Plätze noch in Hallen. Das wäre neben Corona an Gesundheitsgefährdung kaum noch zu überbieten. Sportler mit zwei bis drei Monaten Pause mal eben in ein Wochen Spielbetrieb mit Spielen alle drei Tage zu schicken, geht nicht. Deswegen ist es für mich die einzig logische Konsequenz, dass einheitlich über alle Fußballverbände und Ligen hinweg die Saison annulliert wird und wir in der neuen Saison unser Glück nochmal versuchen. Es täte mir leid für Mannschaften, die rechnerisch schon Meister wären, aber ich glaube, irgendjemand wird den Drops lutschen müssen. Es wird keine faire Möglichkeit für alle geben.“

Auf der nächsten Seite bezieht Matthias Nagel ausführlich Stellung.

Nagel: „Ich bin der Meinung, dass die Saison auf jeden Fall zu Ende gespielt werden muss“

Matthias Nagel (Trainer Ahrensburger TSV): „Natürlich steht die Gesundheit der Menschen im Vordergrund, aber wir alle wissen nicht, wie lange das Ganze geht. Es kann vielleicht Anfang Mai wieder losgehen, es kann vielleicht drei Monate dauern oder ein halbes Jahr – niemand von uns vermeintlichen Fußballexperten kann das voraussagen. Insofern müssen wir da die Politik abwarten. Ich bin der Meinung, dass die Saison auf jeden Fall zu Ende gespielt werden muss. Wann auch immer. Dann, wenn es nicht mehr gefährdend ist für die Menschen. Dann, wenn wir uns wieder in Gruppen treffen dürfen und Veranstaltungen wieder stattfinden können, sollte auch wieder Fußball gespielt werden. Dann sollte die reguläre Saison 2019/2020 beendet werden. Danach muss man den Fahrplan nach hinten schieben. Sprich: Die neue Saison fängt später an, die Wechselperiode ist dann später. Es trifft ja nicht nur uns Amateurfußballer. Es trifft ja auch die Profifußballer. Es betrifft nicht nur ganz Europa, sondern die ganze Welt. Die FIFA wird sicher auch entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen. Und wenn es noch einige Monate andauert, wirst du die neue Saison eh nicht pünktlich beginnen können. Dann kann man die alte Saison auch erst einal beenden. Alles andere wäre unsportlich und unfair aus meiner Sicht. Viele vermeintliche Experten suchen sich ihr persönliches Schicksal im Moment raus: Annullieren sagen die, die vielleicht im Moment auf einem Abstiegsplatz stehen. Die, die irgendwo im Mittelfeld sind, sagen sich: Das ist uns doch egal, das kann annulliert werden, aber es können auch die, die oben sindm aufsteigen. Im Endeffekt gibt es nur eine Lösung – und das ist die, die Saison ordentlich zu Ende zu spielen. Und dann fängt man in einem anderen Rhythmus wieder an. Im Vordergrund steht aber erstmal, dass wir alle zusammenhalten und dass wir die Anweisungen und Regeln befolgen. Nämlich zu Hause bleiben, damit wir möglichst schnell bald wieder draußen unserem Sport nachgehen können.“ 
Jan Knötzsch