Oberliga

"Nach fast fünf Jahren kann ich sagen: Es war die absolut und zu 100 Prozent richtige Entscheidung!"

11.02.2020

Lange nahm er sich Zeit, blickte mit einem klaren Statement auf das damals mit 29 Jahren für viele Experten völlig überraschende Ende seiner aktiven Profi-Karriere zurück, und verriet, was ihn zu einem Comeback im Amateurbereich beim Hamburger SV III animierte, wie es sein wird, künftig wieder mit Piotr Trochowski zusammen auf dem Platz zu stehen – und wagte einen kleinen Ausblick auf den kommenden Freitag, wo die „Rothosen“ mit einem Gastspiel beim TuS Osdorf ins Pflichtspieljahr 2020 starten. Mit „Troche“ und ihm von Anfang an? Im Anschluss an den „1. LOTTO-Talk“ des HFV stellte sich Marcell Jansen den Fragen…

„Abends unter Flutlicht mit der HSV-Raute auf der Brust in Norderstedt zu spielen, das ist einfach geil“, funkeln Jansens Augen. „Wenn man sieht, wie groß die Tradition in Hamburg in Sachen Amateurfußball ist, wenn man zu Auswärtsspielen auf die Dörfer fährt, das macht einfach riesen Bock. Das ist der Grund, warum wir alle angefangen haben mit dem Fußball. Ich bin dankbar, dass ich das noch mitmachen darf und hoffe, dass die Knochen noch lang genug halten, um weiter mitzumischen und diese Luft zu spüren. Das ist einfach nur geil“, gerät er regelrecht ins Schwärmen – und weiß heute, mit einiger Zeit Abstand, dass er mit seiner Entscheidung im Sommer 2015 , die Profi-Stiefel an den Nagel zu hängen, alles richtig gemacht hat: „Nachdem ich aufgehört habe, hat man mich ja immer gefragt: ‚Hat dir was gefehlt oder war es die richtige Entscheidung?‘ Nach fast fünf Jahren kann ich sagen: Es war die absolut und zu 100 Prozent richtige Entscheidung – ohne ein ‚aber‘! Es gab aber mal ein ‚aber‘ – und zwar in den ersten zweieinhalb Jahren, als ich keinen Fußball mehr gespielt habe“, gesteht der jetzige HSV-Präsident.

"Ich hoffe, dass mein Körper mir die Chance gibt, das so viele Jahre wie möglich mitzumachen"

Doch dann kam der HSV III in Spiel. „Das hat mich so erfüllt, da nochmal anzufangen, dass ich für mich in diesem Moment gemerkt habe: Jetzt bin ich angekommen. Da war mein Glück perfekt – nach jahrelangem Profi-Fußball, was spannend und super schön war, wieder da anzukommen, wo mal alles angefangen hat. Am Wochenende nach Hause zu kommen und zu sagen: ‚Was war das für ein Spiel heute?‘ Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Das hat mir ehrlicherweise extrem gefehlt. Und ich hoffe, dass mein Körper mir noch die Chance gibt, das so viele Jahre wie möglich mitzumachen. Denn das ist unbezahlbar!“ Seit nunmehr zwei Jahren ist „Cello“ zurück auf dem Fußballplatz – und wird künftig wieder Seite an Seite mit Piotr Trochowski spielen. Ehemalige Nationalmannschafts- und HSV-Teamkollegen, die nun wieder vereint sind – in der Oberliga. „Obwohl wir noch immer einen guten Kontakt zueinander haben, hat er nicht mal mich angeschrieben, sondern ist den offiziellen Weg über den Amateurvorstand gegangen“, war Jansen nicht derjenige, der „Troche“ von dessen Rückkehr aufs Grün überzeugte. „Ich habe ihn auch nur gefragt: ‚Warum sagst du denn nichts?“, erklärt er mit einem Schmunzeln. „Aber ‚Troche‘ wolle den offiziellen Weg gehen. Daran sieht man, dass der Respekt vor der Sache an sich da ist. Er findet das total Klasse und es ist auch eine Wertschätzung gegenüber den Jungs, die jedes Wochenende im Amateurbereich auf den Fußballplätzen stehen. Ich finde es gut und freue mich total, dass ‚Troche‘ das macht.“

"Du denkst vom Gefühl her, du spielst Bundesliga"

Auch wenn der ganz große Druck („Wenn du in der Bundesliga gegen den Abstieg kämpfst, hängen da unzählige Arbeitsplätze dran“) weg ist, ist der Ehrgeiz längst noch nicht gewichen: „Wir sind mit dem HSV III zunächst abgestiegen. Da war es schon so, dass ich das am Wochenende auch mitgenommen habe und mich darüber geärgert habe, dass ich das Ding nicht reingemacht oder einen Elfmeter verschossen habe. Auch das ist ein Druck, den man mit nach Hause und mit ins Bett nimmt“, so Jansen, der „keinen großen Unterschied“ zwischen der Kabinen-Luft als Profi und der als Amateur ausmacht. „Das Gefühl ist das gleiche, da zu sitzen mit den Jungs und das Training zu reflektieren. Das ist das, was den Fußball ausmacht. In dem Moment, wo die Kugel rollt, ob du jetzt in Tornesch, Sasel, zu Hause bei uns in Norderstedt oder wo auch immer spielst: Du denkst vom Gefühl her, du spielst Bundesliga.“

Auf Seite 2 spricht "Cello" über den Umgang im Amateurfußball, das Comeback von "Troche", einen möglichen Ausfall seinerseits für das Osdorf-Spiel - und noch viel mehr --->>>

Bei seinen Mitspielern war Jansen schnell ein ganz normaler Teamkollege. „Ich war selbst gespannt, wie das wird. Aber ich habe den Jungs gleich gesagt, dass ich ein Mitspieler wie jeder andere bin und mich auch der bereits vorhandenen Hierarchie komplett unterordne. Ich bin dankbar, dass ich hier sein und mitkicken darf, aber verhaltet euch ganz normal.“ Auch das Verhalten der gegnerischen Mannschaften und Fans sei „total fair und sportlich“. Da könne er nur „ein großes Kompliment“ aussprechen, merkt man dem 34-Jährigen die Dankbarkeit an. „Es herrscht ein ganz normaler sportlicher Umgang. Ich kann wirklich kein einziges negatives Beispiel von einem Amateurplatz nennen!“ Auch das Niveau in der Oberliga sei „richtig gut“, betont Jansen. „Gerade wenn man die Top-Mannschaften nimmt, dann ist das teilweise schon sehr schwierig. Die haben zum Teil Regionalliga-Truppen mit richtig guten Kickern. Aber das macht dann auch den Reiz aus, dass wir der Underdog sind.“ Auch für ihn selbst sei es mit seinen „1,91 Meter auf einem Kunstrasen-Geläuf und keiner Fitness im Vergleich zu einem 20-Jährigen, schon eine große Herausforderung, da mitzuhalten“, wie er zugibt. „Wenn man kein Gas gibt, ist es schwer.“

"Freue mich, dass 'Troche' uns dabei unterstützt, unsere Ambitionen zu untermauern"

Das Ziel mit dem HSV III könne nur sein, „so lange wie möglich die höchste Amateurklasse zu halten. Das ist nicht einfach und schon Herausforderung genug – ob ich jetzt dabei bin oder nicht.“ Er habe „riesen Respekt davor“, wie er sagt, bei einigen seiner Mitspieler „das Leuchten in den Augen zu sehen, wenn sie die Chance haben, im Amateurbereich so hoch wie möglich zu spielen“. Deshalb wolle er, „so lange ich kann, kämpfen und helfen – und freue mich, dass ‚Troche‘ uns jetzt auch dabei unterstützt, unsere Ambitionen zu untermauern, in der Liga zu bleiben“. Die Beletage des Hamburger Fußballs bekommt durch das Mitwirken zweier ehemaliger Nationalspieler natürlich eine noch höhere Wertigkeit. „Ich glaube, da spreche ich auch für ‚Troche‘. Wir nehmen uns selbst überhaupt nicht wichtig. Für uns ist das eine selbstverständliche Wertschätzung gegenüber dem, dass hier auf einem richtig guten Niveau Fußball gekickt wird und wir uns richtig ins Zeug legen müssen, um klarzukommen. Wir haben einfach Bock auf Fußball und haben hier beim HSV III die Möglichkeit dazu.“

Droht Jansen-Ausfall fürs Osdorf-Spiel? - "Bei 'Troche' sieht es gut aus"

Die erste Gelegenheit, das einstige HSV-Duo gemeinsam auf dem „Court“ zu erleben, könnte sich bereits am kommenden Freitag bieten, wenn die „Rothosen-Dritte“ am Blomkamp beim TuS Osdorf ins neue Pflichtspieljahr startet. Wie groß sind denn die Chancen, sowohl Marcell Jansen als auch Piotr Trochowski auf dem Platz zu sehen? „Bei ‚Troche‘ deutlich höher, weil er jetzt auch die ganze Zeit größtenteils mitgemacht hat“, entgegnet Jansen. „Ich war am Anfang voll dabei, wurde dann aber in der Vorbereitung zurückgeworfen und habe sehr starke Probleme mit der Wade gehabt. Das war dann doch etwas schlimmer. Aber zum Glück nicht so schlimm, dass ich wochenlang ausgefallen bin. Allerdings musste ich eine Pause einlegen.“ Aktuell sei er wieder „in Teilen des Mannschaftstrainings dabei“ und sein „Wunsch natürlich, wenn der Trainer das möchte, diese Woche Mittwoch und Donnerstag voll zu trainieren, um dann zumindest eine Option zu sein für den Kader. Das muss aber der Trainer entscheiden. Ich bin da total entspannt.“ Man müsse ja auch gucken, inwieweit der Körper dann am Mittwoch und Donnerstag die Belastung vertragen würde, er voll mitmachen und mitziehen könne, so Jansen. „Ich freue mich aber auf den Rest der Saison – und hoffe, wenn es am Freitag nicht reicht, dass es dann zeitnah wieder der Fall ist. Zumindest so weit, dass ich wieder schmerzfrei trainieren kann. Natürlich habe ich noch eine gute Basis aus der Hinrunde, aber die Wade muss in den nächsten Einheiten natürlich halten. Bei ‚Troche‘ sieht es aber wohl gut aus, dass er am Freitag sein erstes Spiel macht.“