Analyse: Die Oberliga vorm Start

Reicht „Dasse“-Klasse oder Teutonias (individuell starke) Masse? – Meiendorf mit Quantität, aber auch Qualität?

14.02.2020

Nachdem am vergangenen Wochenende mit dem Nachholspiel zwischen dem TSV Buchholz 08 und dem FC Teutonia 05 die Tabelle der Oberliga „begradigt“ wurde, geht’s nun ab dem heutigen Freitag wieder richtig los. Bis in den Mai hinein stehen die letzten 13 Spiele auf dem Programm, im Idealfall könnte ein verein also noch 39 Punkte sammeln. Ein Umstand, der in der Realität so wohl nicht eintreten wird – oder doch? Wir haben uns unabhängig davon – und auch trotz dessen, dass der Ausfall des Spiels Hamm United gegen Union Tornesch wieder für eine „ungerade“ Tabelle sorgt – mit der aktuellen Konstellation im Klassement beschäftigt und die Lage sowie Perspektiven in Hamburgs höchster Spielklasse analysiert. Die Schwerpunkte liegen dabei natürlich auf dem Titel- und dem Abstiegskampf. 

Ganz oben stellt sich logischerweise die Frage: Wer sichert sich den Meistertitel? Dass der FC Teutonia 05 am Ende der Hamburger Verein sein wird, der nach dem eigentlichen Saisonende in einer Zusatzschicht noch die Aufstiegsrunde zur Regionalliga Nord bestreiten wird, dürfte so sicher sein, wie das Amen in der Kirche – mangels Mitbewerbern. Weder Vicky noch Sasel, BU oder Niendorf werden melden – am ehesten vielleicht noch die „Sachsenwegler“, aber auch das ist eher nicht hieb- und stichfest. Aber geht „T05“ auch als Meister in die „Overtime“? Oder hat am Ende, wie so oft, in der Tabelle wieder einmal die TuS Dassendorf die Nase vorne? Nun, Teutonia hat noch einmal ordentlich nachgelegt, die Ambitionen mit Transfers wie Luis Hacker und allen voran Sinisa Veselinovic mehr als untermauert. Letzterer ist definitiv ein „Unterschieds-Spieler“.„Dasse“ bediente sich zwar auch nicht schlecht, aber eben nicht ganz so weit oben im Transferregal.

Vorsprung hin oder her: Die TuS wird es im Kampf mit Teutonia schwer haben

Das Rennen zwischen den beiden „Schwergewichten“ der Liga wird fraglos eng. Vielleicht mit dem besseren Ende für Teutonia, weil bei „Dasse“ der Kader (zu) eng besetzt ist? 20 Mann hat Jean-Pierre Richter zur Verfügung. Bei Ausfällen in der Defensive zum Beispiel ist joe Warmbier erste Wahl als Alternative – gewzungenermaßen. Nach eineinhalb Jahren Fußball-Pause sicher nicht ohne Risiko. Auch Martin Schauer, der vom LSK kam, hat bei seinem Ex-Club wenig bis gar keine Spielpraxis gesammelt. Kleinigkeiten, die am Ende vielleicht den Ausschlag geben könnten. Ganz anders die Situation bei Teutonia. Machen Sie, liebe Leser, mal die Probe aufs Exempel: Ein Blick auf den Teutonen-Kader reicht aus, um zu begreifen, was für starke Einzelkönne Trainer Sören Titze da zur Verfügung hat. Man kommt, beim Versuch, selbst eine Mannschaft daraus zu bilden, ins Schwärmen, gleichzeitig aber auch ins Straucheln: Wen würde man aufstellen? Wen draußen lassen? Gar nicht so einfach. Ein Kollege, mit dem der Verfasser dieser Zeilen genau dies zuletzt am Rande des Finales um den Mercado-Cup versuchte, wird wissen, wie schwer das ist... Eigentlich, so viel darf man sagen, muss man mit diesem Kader Meister werden und aufsteigen. Wenn nicht mit diesem Material, wann und mit wem dann? Doch Vorsicht: Namen allein gewinnen keine Spiele – und da gibt’s ja auch noch die Gegner, die der liebe (Fußball-)Gott zwischen Anpfiff und Erfolg gestellt hat. Und: Das Personal-Puzzle, das Titze handhaben muss, birgt auch Gefahrenpotenzial. Das nämlich, das die, die nicht spielen, unzufrieden sind und diese Stimmung in den Kader tragen. Sie merken schon, liebe Leser: So einfach sich das auf dem Papier lesen mag, so schwierig ist es in der Realität – sowohl, was die Frage nach dem kickenden Personal als auch nach dem Meister der Oberliga-Saison 2019/2020 angeht. Mein Tipp, aus dem Gefühl und ohne jegliche Gewähr: „T05“ macht's.

Auf Seite zwei geht's weiter mit dem Abstiegskampf, den Überraschungen und den Sorgenkindern der Liga

Das Unterfangen Klassenerhalt beim MSV ist und bleibt eine Mammutaufgabe

Damit vom einen Ende der Tabelle runter zum anderen – gaaaanz tief rein in den Abstiegskampf. Auch der hat fraglos seinen sportlichen Reiz. Vor allem schon, weil es nicht nur zwei Teams gibt, die sich hier zwischen Hoffen und Bangen befinden. Für das Schlusslicht Bramfelder SV werden die letzten 13 Spiele eher eine Abschiedstour als ein Aufwärtstrend. Abstieg Nummer acht aus der Oberliga naht und wird am Ende auch eintreten – mit dieser Einschätzung hängt man sich nicht allzu weit aus dem Fenster. Doch wen erwischt es noch? Nun, so hoch man das Werkeln von Mert Kepceoglu, dem neuen Sportlichen Leiter des Meiendorfer SV auch einschätzen muss, was die Tatsache angeht, dass er rund 20 Spieler in vier Wochen neu an die B75 lotste, so sehr darf – nein: muss – man auch die Frage in den Raum stellen: Reicht bei aller Quantität die Qualität des neuen kickenden Personals? Auf Neu-Trainer Can Ersen wartet fraglos eine Mammutsaufgabe, viele halten das Unterfangen, den MSV in der Oberliga zu halten gar für ein Himmelfahrtskommando. Die Vorzeichen sprechen nicht „pro Meiendorf“: Der neue Trainer hatte wenig Zeit, dem Team seine Vostellungen von Fußball zu vermitteln und seine Philosophie zu implementieren, die Mannschaft hat keine Zeit, lange zusammen zu wachsen – sie muss sofort funktionieren. Auch der USC Paloma und der TSV Buchholz 08 stecken nach wie vor bis zum Kinn im Wasser – oder sollte man angesichts der tabellarischen Situation eher sagen: knietief in der Scheiße!? Den „Tauben“ flatterte Furkan Aydin zu. Fußballerisch eine mega Verstärkung wie auch Yayar Kunath bei „08“, aber: Wie schnell sind beide integriert? Wie sehr reicht ein einzelner „Unterschieds-Spieler“ aus? In wie weit können sie den Rest der Truppe mitreißen? Auch Curslack und selbst Rugenbergen und Tornesch sind längst nicht „safe“ – die Fragezeichen bleiben auch hier: Reicht Torneschs Teamgeist? Bricht die Verletzungsmisere Rugenbergen sprichwörtlich das Genick? Greift der Woike-Effekt beim SVCN? Prognose: Die drei, die jetzt auf den Abstiegsplätzen stehen, wird es am Ende auch erwischen...

Cordi muss endlich liefern, um nicht langfristig hinterher zu segeln

Bliebe noch der Blick auf die nicht im Abstiegsschlamassel steckenden Sorgenkinder und die Überraschungen: Für Vicky und BU, wo – das muss an dieser Stelle erwähnt werden – in der ersten Hälfte der Saison bockstarke Arbeit geleistet wurde, reicht es (noch) nicht für ganz oben. Beides aber sind Kandidaten für die kommende Saison, wenn es um die Top-Plätze geht – soweit denn Team und Trainerstab jeweils in dieser Konstellation zusammenbleiben und sinnvoll ergänzt werden. Vor der Arbeit beim HSV III und des TuS Osdorf muss man alle Hüte ziehen, die man hat: Philipp Obloch hat am Blomkamp die riesigen Fußstapfen des Piet Wiehle völlig ausgefüllt – wenn auch mit einem anderen Spielstil, aber eben nicht minder erfolgreich. Marcus Rabenhorst und Christian Rahn dürfen sich zurecht damit rühmen, bester Aufsteiger zu sein. Chapeau, wie bei den „Rothöschen“ ruhig, nachhaltig und unaufgeregt gerabreitet wird. Der Vollständigkeit halber: Niendorf und Sasel performen genau dort, wo man sie erwartet hätte. Gleiches gilt für Süderelbe und Hamm United, wobei man den HUFC aufgrund der individuellen Klasse auch als Aufsteiger weiter oben als mitten im Abstiegssumpf vermuten konnte. Bliebe Cordi. Das Oberliga-Sorgenkind. Am Bekkamp wurde man bislang nicht müde, dass die Saison bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht optimal, aber eben auch nicht katastrophal gelaufen sei. Ansichtssache. Fest aber steht: Der Traditionsverein hat im Winter nochmal ordentlich nachgelehgt, unter anderem mit Abdullah Yilmaz und Edin Tanovic Kicker geholt, die schon höherklassig unterwegs waren. Probleme erkannt, Probleme gebannt – könnte man sagen. Heißt im Umkehrschluss aber auch: Cordi muss langsam aber sicher liefern. Eine Restserie in der Art, wie die bisherige gelaufen ist, kann man sich weder leisten, noch dürfte sie der Anspruch der sportlich Verantwortlichen sein. Ganz oben mitzumischen zu können, hat sich längst als Utopie entpuppt. Das Schiff hat schon Schlagseite, so ehrlich sollte man sein. Jetzt gilt es, den Grundstein zu legen, dass man nicht auch auf noch längere Sicht hinterher segelt oder absäuft...

Jan Knötzsch