Bezirksliga 06

Scheidender Falke-Sportchef Dobirr im Interview: „Die Entscheidung kam nicht überraschend“

25.11.2021

Am 25. Juli 2015 sorgte er für den ersten historischen Moment des HFC Falke: Vor 750 Zuschauern erzielte Christopher Dobirr per Kopf das erste Pflichtspieltor der Falken beim 3:0-Sieg über den SV West-Eimsbüttel in der ersten Pokalrunde. Auch mit 41 Jahren steht "Stoffi" noch immer auf dem Rasen - wenngleich er mittlerweile auch ganz andere Dinge zu sagen und entscheiden hat. Denn: Dobirr ist beim Bezirksligisten nicht nur als Sportlicher Leiter tätig, sondern auch Präsidiums-Mitglied. Doch im Sommer räumt er zumindest den Posten als Sportchef - und macht ebenso wie Cheftrainer Dirk Hellmann den Weg für einen Nachfolger frei (HIER). Wir haben mit "Stoffi" über seinen sowie den Abgang von "Helle", die Suche nach Ersatz, sportliche Ziele, einen weiteren personellen Verlust und die Neuausrichtung gesprochen:

FussiFreunde: Wie habt ihr die Entscheidung von Dirk Hellmann, sein Traineramt nach der Saison nach sieben Jahren ruhen zu lassen, aufgenommen?

Christopher Dobirr: „In meiner Brust schlagen natürlich zwei Herzen. Einerseits ist da die lange Zusammenarbeit mit ‚Helle‘ beim HFC Falke, aber wir haben ja auch vorher schon gefühlt 50 Jahre zusammengespielt. Zudem sind wir sehr eng befreundet. Er ist mein Trauzeuge, ich bin seiner. Das war auch ein Thema zwischen uns, als wir besprochen haben, wie es zur kommenden Saison weitergeht. Auf der anderen Seite muss man einfach sagen: Wenn ein Trainer sieben Jahre lang da ist und auch große Fußspuren hinterlassen hat, dann sorgt das dafür, dass man erstmal schlucken, sich einmal schütteln und dann sortieren muss, wie es weitergeht. Dadurch, dass er das nun sehr frühzeitig entschieden und bekanntgegeben hat, haben alle Beteiligten genug Zeit, sich einerseits an den Gedanken zu gewöhnen und andererseits die richtigen Schritte einzuleiten und Gespräche zu führen.“

Kam der Schritt für dich denn überraschend?

Dobirr: „Wenn man sieht, wie lange er jetzt da ist und wie aufreibend und aufwendig die letzten Jahre waren, ob mit der Sportplatzsuche oder den ganz generellen Rahmenbedingungen, dann kommt das ehrlicherweise nicht so richtig überraschend. Eine andere Entscheidung hätte mich mehr überrascht. Es ist sehr anstrengend und zeitintensiv, wenn man sieht, wie einfach oder schwer ist es, den einen oder anderen Spieler zu bekommen, den man möglicherweise gerne gehabt hätte, und wie viele Gespräche wir dafür teilweise geführt haben und führen mussten, um den Kader so zusammen zu bekommen, wie wir ihn weitestgehend haben wollten. Hinzu kommt seine persönliche Situation mit Frau im Schichtdienst, einem Hausbau und einem kleinen Kind. Wenn man das alles in einen Topf wirft, dann kommt die Entscheidung nicht so richtig überraschend.“

Auch du legst dein Amt als Sportlicher Leiter beim HFC Falke nieder. Hat das etwas mit Hellmanns Entscheidung zu tun – oder ist diese komplett unabhängig davon gefallen?

Dobirr: „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es gar nichts damit zu tun hat. Das spielt sicher auch eine Rolle – aber tatsächlich untergeordnet. Klar ist, dass mir die Zusammenarbeit mit ‚Helle‘ total viel Spaß macht. Es ist sehr vertrauensvoll, wir ticken und denken sehr ähnlich. Das kann aber auch mal kontraproduktiv sein, wenn man immer sehr ähnlich denkt. Da hat ‚Basti‘ Stoffers manchmal einen anderen Blick auf die Dinge. Das tut ganz gut. Ich hätte auch durchaus viel Lust gehabt, mit einem anderen Trainer zusammenzuarbeiten. Aber bei uns ist es ganz einfach in der Vereinssatzung ausgeschlossen, dass ich Präsidiums-Mitglied bin und gleichzeitig Sportlicher Leiter sein kann.“

Nun übst du diese „Doppel-Funktion“ aber schon ein halbes Jahr lang aus…

Dobirr: „Mit meiner Wahl zum Präsidiums-Mitglied war eigentlich klar, dass mein Job als Sportlicher Leiter befristet ist und wir gucken müssen, wie wir uns auf der Position zukünftig ausrichten werden. Das ist so ein bisschen in den Hintergrund geraten und auch nicht so richtig forciert worden. Aber mit ‚Helles‘ Entscheidung war auch relativ schnell klar, dass es jetzt Sinn macht, den Neuanfang oder Umbruch einzuleiten und dafür zu sorgen, dass die Gespräche für diese Position ebenfalls Form annehmen. Von daher war es von der Satzung her klar, dass ich den Posten früher oder später räumen werde. Zumal ich auch glaube, dass ich aktuell in der Position im Präsidium besser aufgehoben bin, weil wir uns ja grundsätzlich strukturell so aufstellen wollen, dass wir früher oder später tatsächlich auch mal über Oberliga-Fußball nachdenken können. Diese Strukturen haben wir aktuell tatsächlich nur bedingt. Und wenn man sie schaffen möchte in einem Verein wie unserem, dann wird das sehr aufwendig und sehr zeitintensiv sowie nervenraubend sein. Und dann gleichzeitig auch noch 150 bis 200 Spieler-Gespräche zu führen und einen Kader zusammenzubasteln – diese Kapazitäten habe ich gar nicht.“

Als Präsidiums-Mitglied bleibst du dem Verein also erhalten?

Dobirr: „Ja, definitiv. Ich bin ja noch für zwei weitere Jahre gewählt und habe nach wie vor total Bock auf diesen Verein! Ich verfolge nach wie vor das Ziel, was wir zu Beginn ausgerufen haben, dass wir früher oder später in die Oberliga wollen. Dafür müssen jetzt auch Strukturen geschaffen werden.“

Dennoch ist es ja für den Verein eine durchaus schwierige Situation auf gleich zwei Positionen, die nicht gerade unwesentlich und unwichtig sind, Nachfolger zu finden. Inwieweit seid ihr denn da auch bei der Suche nach geeigneten Leuten eingebunden?

Dobirr: „Wir haben bereits eine Präsidiumssitzung abgehalten, wo wir den weiteren Fahrplan festgelegt haben. Wir hoffen, dass wir auf beiden Positionen zu dem Zeitpunkt, wo normalerweise die Gespräche mit den Spielern in Bezug auf die kommende Saison losgehen, was meistens Ende Januar/Anfang Februar der Fall ist, auch sagen können, wer welche Position übernimmt. Natürlich nehme ich daran teil, da ich im Präsidium ja auch für den sportlichen Bereich mitverantwortlich bin. Und da ich ja auch noch bis zum 30.06. den Posten des Sportlichen Leiters bekleide, sehe ich mich auch in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass wir gut aufgestellt sind in der neuen Saison. Auch bei ‚Helle‘ ist es natürlich so. Es wäre ja dumm von uns, wenn wir seine Expertisen, seine Kontakte und seine Ideen dazu nicht mit einfließen lassen würden. ‚Helle‘ hat ein, zwei Namen in den Raum geworfen, auch Nils Kuntze-Braack trägt mit seinen Kontakten dazu bei.“

Im Sommer verlassen zwei Personen auf sportlich wichtigen und entscheidenden Positionen den Verein. Inwiefern hast du Sorgen, dass es den HFC Falke härter treffen könnte, als man es aktuell vermutet?

Dobirr: „Ehrlicherweise gar nicht. Eher im Gegenteil. Ich habe es ja auch während meiner Spieler-Laufbahn das eine oder andere Mal erlebt, dass Trainer, die über einen durchaus sehr langen Zeitraum im Verein waren, nach einer Weile eine gewisse Abnutzungserscheinung haben. Man ist vielleicht zu ‚nett‘ zueinander, weil man sich lange kennt und schätzt, sodass eine gewisse Streitkultur vielleicht auf der Strecke bleibt – und die ist für die Entwicklung wichtig. Insofern habe ich da gar nicht – auch wenn ich ‚Helle‘ und mir damit vielleicht so ein bisschen ins Knie schieße – die Befürchtung, dass es kontraproduktiv sein könnte oder die Entwicklung hemmt. Wenn wir die richtigen Personen finden, was natürlich von großer Wichtigkeit sein wird, kann das nochmal einen Schub geben und das Gegenteil bewirken.“

Und man hat frühzeitig Klarheit geschaffen…

Dobirr: „Und es ist ja jetzt auch nicht so, dass man durch diese Entscheidung aus allen Wolken fällt. Ich glaube, dass das auch in der Mitgliedschaft so wahrgenommen wird, dass ‚Helle‘ in den letzten sieben Jahren großartige Arbeit geleistet hat und dem Verein auch immer verbunden bleiben wird. Aber das muss nicht heißen, dass wir jetzt sportlich auseinanderbrechen. Das gilt im Übrigen auch für die laufende Saison. Das kann in beide Richtungen gehen. Vielleicht setzt das nochmal Kräfte frei und löst in der Truppe etwas aus, wenn man ihm den Abschied bescheren möchte, den er verdient hat.“
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Was würde es dir/euch bedeuten, mit einem Landesliga-Aufstieg abzutreten?

Dobirr: „Das wäre natürlich das Nonplusultra! Wir sind ja grundsätzlich mit dem Ziel angetreten, so schnell wie möglich hochzukommen. Seit ein paar Jahren treten wir jetzt in der Bezirksliga so ein bisschen auf der Stelle. Das hat alles seine Gründe. Auch wir haben sicherlich einen Teil dazu beigetragen, dass es bisher nicht geklappt hat. Aber so alt wir irgendwann in unseren Positionen als Spieler sind und waren, so jung sind wir jetzt in unserer neuen Funktion. Wir haben – insbesondere in den letzten drei, vier Jahren – auch nicht alles richtig gemacht. Insofern müssen wir uns auch ein Stück weit den Schuh anziehen. Deshalb wäre es natürlich umso geiler, wenn man am Ende des Tages die Position mit dem Landesliga-Aufstieg räumt. Dann kann man sehr guten Gewissens in den Spiegel gucken.“

Und wenn es nicht klappen würde?

Dobirr: „Die sportliche Bilanz würde schon etwas betrübter ausfallen, wenn wir es nicht schaffen sollten. Aber wir haben es aufgrund unseres ‚goldenen Oktobers‘ auch nur noch bedingt in der Hand. Ich hoffe, dass das jetzt in der Truppe nochmal etwas bewirkt und die Jungs sich ein Stück weit das Bein ausreißen, um ‚Helle‘ den Abschied so zu gestalten, wie er es verdient hat.“

Du hast diesen Oktober schon angesprochen. Zu Saisonbeginn habt ihr alles gewonnen – und dann kamen diese zum Teil heftigen Niederlagen, die sich auch nicht wirklich angedeutet haben. Hast du irgendeine eine Erklärung dafür?

Dobirr: „Den einen Grund gibt es sicherlich nicht. Wenn ich es aber auf irgendetwas runterbrechen müsste, dann wären es die 20 Minuten gegen GWE, als wir völlig auseinandergefallen sind und fünf Gegentore bekommen haben – aus dem Nichts. Wir waren vorher defensiv total stabil, sind mit vollem Selbstvertrauen dorthin gefahren – und dann gehen wir da so unter. Es ist überhaupt nicht despektierlich gemeint: Aber das ist ein Gegner, den du schlagen musst, wenn du das Ziel verfolgst, aufsteigen zu wollen. Ich kann mich nicht daran erinnern, mal acht Gegentore bekommen zu haben. Das muss irgendwann mal in den 90er-Jahren gewesen sein gegen Norderstedt. Das darf einfach nicht passieren!“

Was hat das mit euch gemacht?

Dobirr: „Das war so eine Situation, die uns völlig durchgeschüttelt und Spuren hinterlassen hat. Das hat man dann auch in den darauffolgenden Wochen gemerkt, dass wir uns davon nur schwer erholt haben – auch im Trainingsbetrieb. Das Selbstvertrauen bei unserer Offensivabteilung war weg, die Selbstverständlichkeit und Stabilität in der Defensive waren auch nicht mehr da. Eine ganz merkwürdige Situation. Gegen St. Pauli III (1:2, Anm. d. Red.) fehlte dann ein Stück weit das Matchglück, dass man dann in so einer Phase auch braucht und vielleicht aus dem Nichts mal etwas klappt. Der Schritt aus dem Sumpf raus war das Spiel gegen Lurup (2:2), als wir zwar auch nicht geglänzt haben, aber man zumindest gesehen hat, dass die Truppe auch kratzen, beißen und kämpfen kann. Das war ein wichtiges Zeichen. Nach den kommenden beiden Spielen wissen wir, ob wir in der Winterpause nur noch Bowlen gehen können – oder ob es noch was zu holen gibt.“

Ihr geht ja offen mit euren Zielen um. Auch die Spieler, die zum HFC Falke wechseln, wissen, dass sie nicht kommen, um am Ende um die ‚goldene Ananas‘ zu spielen. Was erwartest du von den Jungs im restlichen Saisonverlauf?

Dobirr: „Ich hätte es sowieso und ohnehin erwartet, dass wir das Ziel haben, aufzusteigen in dieser Saison. Das erwarten die Jungs von uns auch, die Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen und zu schaffen, die es uns überhaupt ermöglichen, hochzugehen. Da erwarte ich jetzt, weil die Rahmenbedingungen eben so sind, wie sie sind, und die sind Landesliga-reif, dass die Spieler dem auch gerecht werden. Das war bisher teilweise und nur bedingt so, wenn man sich auch mal die Trainingsarbeit beim einen oder anderen Spieler anschaut. Insbesondere jetzt mit dem Umstand, dass unser langjähriger und erfolgreicher Chefcoach uns verlässt und viele Spieler ein gutes sowie enges Verhältnis zu ihm haben, hoffe ich umso mehr, dass ein paar Prozent mehr rausgekitzelt werden. Aber wir brauchen auch nicht Drumherum reden: Die nächsten beiden Spiele gegen Alsterbrüder und bei Teutonia 05 II werden entscheidend sein. Wenn wir die nicht erfolgreich gestalten – und ich rede nicht davon, dass wir sechs Punkte holen müssen, aber vier sollten es schon sein –, dann muss wirklich sehr viel passieren in der Rückrunde.“

Ihr musstet aber gerade auch noch einen herben Abgang schlucken. Und zwar hat Philipp Hinze euch verlassen. Wie sehr schmerzt der Abgang – und wie wollt oder könnt ihr den kompensieren?

Dobirr: „Das ist extrem schmerzlich! Bevor wir Philipp zu uns geholt haben, hatte ich mich bei meinem ehemaligen Mitspieler ‚Basti‘ Loether (Trainer Niendorfer TSV II) über ihn informiert – und er war voll des Lobes. Philipp ist nicht nur ein richtig guter Typ und ein super Kerl, zu dem ich schon in der kurzen Zeit ein enges Verhältnis aufgebaut habe, sondern auch ein absoluter Fußball-Fachmann. Nicht umsonst ist er ja auch als Trainer bei Paloma in der Jugend tätig. Er hat ein gutes Auge und auch keine Scheu davor, etwas offen zu äußern. Rein sportlich bringt er einfach schon physisch etwas mit. Zudem ist er als Innenverteidiger Linksfuß – das allein ist ja schon Gold wert. Das ist so für uns nicht zu ersetzen. Zumal mit Kevin Neumann ein weiterer Innenverteidiger noch länger ausfallen wird. Und wenn es dann schon so weit ist, dass ich nochmal Spiele machen muss, dann ist das sicherlich nicht die Situation, die man eigentlich haben wollte. Insofern ist das nicht zu kompensieren. Aber: Die Chance, die er bekommen hat, für Sky Sport in Leipzig tätig zu sein, ist natürlich mega! Den Schritt musste er machen, dafür haben wir vollstes Verständnis.“

Dann musst du die Mannschaft nicht nur abseits des Platzes, sondern auch wieder auf dem Rasen zum Aufstieg führen...

Dobirr: „(lacht)... Aktuell halten die Knochen und es macht auch Spaß. Diese Saison ziehe ich jetzt noch durch. Es sei denn, es passiert im Winter personell nochmal etwas. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass uns da noch zwei Granaten-Innenverteidiger zulaufen. Und wir werden nicht etwas machen, nur um etwas zu machen. Aber wenn sich da im Winter noch irgendwas ergeben würde, würden wir sicherlich nicht ‚Nein‘ sagen. Allerdings muss man da mal abwarten und gucken.“

Kommen wir nochmal zurück zur Trainer-Personalie. Wie ist da nun das weitere Vorgehen?

Dobirr: „Wir haben ja aktuell mit Basti Stoffers noch einen gleichberechtigten Cheftrainer, mit Nicky Rode eine Co-Trainerin und mit Michael Schlechtweg einen Torwart-Trainer. Mir ist wichtig, zu betonen und hervorzuheben, dass das unsere ersten Ansprechpartner sind! Da gilt es nun, zu erörtern, wie die sich das zukünftig vorstellen. Wir wollen natürlich mit allen weitermachen – in welchen Funktionen auch immer. Das wird man jetzt besprechen. Und erst dann würden wir, darauf ausgelegt, die nächsten Gespräche führen.“

Habt ihr euch intern denn eine „Deadline“ gesetzt, bis wann ihr auf beiden Positionen einen Nachfolger haben und präsentieren wollt?

Dobirr: „Nein. Wir sagen jetzt nicht, dass das bis zum 31. Januar feststehen muss – und wenn das nicht der Fall ist, dann melden wir ab. Das wäre ja Quatsch. Aber unser Ziel ist, dass wir Ende Januar/Anfang Februar Klarheit haben, um dann auch mit den neuen Verantwortlichen die Gespräche für und über die nächste Saison führen zu können. Denn es ist natürlich essenziell wichtig für einen Spieler, zu wissen, wer der Trainer im nächsten Jahr sein wird. In die Gespräche mit den Spielern zu gehen, ohne zu wissen, wer auf der Position tätig sein wird, würde die Sache nur unnötig verkomplizieren.“