„Scheißegal, auf welchem Tabellenplatz ich stehe - dieser Derbysieg bedeutet mir alles!“

Sie kramten in den Geschichtsbüchern, durchleuchteten die Historie - doch weder Carsten Kober (V/W-Präsident) noch Ahmet Sahin (Fußball-Abteilungsleiter HT 16) konnten ein bisheriges Pflichtspielduell beider Parteien in der Vergangenheit ausmachen. Auch nicht nach Rücksprache mit einigen HT-Legenden, suchte Sahin vergeblich nach einem direkten Vergleich beider Teams. Ein Derby also, das vermutlich in die Geschichte eingehen wird! Das Ziel der Hausherren: „Es kann ja nicht sein, dass die hier zu uns auf die Anlage kommen und am Ende auch noch das erste Derby, was wir gegeneinander haben, gewinnen“, wollte Taytanli einen HT-Erfolg mit aller Macht verhindern. Doch es kam zunächst anders...

Biebers fünfminütige Achterbahnfahrt der Gefühle

Er hat seine gesamte Jugend beim SC V/W Billstedt verbracht und die ersten viereinhalb Jahre im Herrenbereich am Öjendorfer Weg gekickt: Nun kehrte Julian Bieber mit HT 16 an seine ehemalige und langjährige Wirkungsstätte zurück. Und der Innenverteidiger erlebte ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle - wenn auch nur ein sehr kurzes. Erst bereinigte Bieber in der Defensive eine gefährliche Situation nach einer Hereingabe von Filip Joost (2.). Dann rückte der 26-Jährige bei einem ruhenden Ball mit nach vorne auf - und blieb auch im gegnerischen Strafraum, als eine Ecke von Gökhan Iscan, der vor der Saison als einer von insgesamt fünf Spielern von V/W zu HT gewechselt ist, abgefangen wurde. Dieter Forkert brachte das Leder vom linken Flügel noch einmal flach und scharf vor den Kasten, Caleb Awuah verpasste - und so hatte Bieber freie Bahn. 0:1 (3.)!

Suntic treibt lautstark an

Was für ein Start ins Billstedter Derby - vor allem für den Abwehrrecken der Gäste! Doch keine 120 Sekunden darauf war die Partie für Bieber beendet. Nachdem er den Stollen unabsichtlich ins Gesicht bekam und lange mit strömend blutender Nase behandelt werden musste, ging es für den „Billstedter Jung“ nicht weiter (5.). Auswechslung nach neun Minuten - und später sogar der Besuch im Krankenhaus. Von dieser Stelle: Die allerbesten Genesungswünsche!

Und irgendwie schien es so, als würde jene Szene für einen regelrechten Bruch in Spiel der Gäste sorgen. Bei HT 16 lief kaum noch etwas zusammen. Während Vorwärts-Wacker aus den Möglichkeiten - meist von Joost und Lisandro Segura Tewes initiiert und von Atnan Veseli unzureichend abgeschlossen - kein Kapital schlagen konnte. Zudem erwies sich Martinique Hoffmann, ebenfalls ein langjähriger Billstedter, als starker Rückhalt. Immer wieder trieb Wacker-Kapitän Danijel Suntic seine Mannen lautstark an, pushte das Team - und merkte, dass etwas gehen würde.

Dreifachwechsel sorgt für Wende - Güzel fliegt

Es dauerte aber bis zur 64. Minute, als das Nachbarschaftsduell nochmal mächtig an Fahrt aufnahm und endlich Emotionen reinkamen, weil Taytanli seine Billstedter mit einem Dreifachwechsel wachküsste. „Vielleicht hatte ich ein glückliches Händchen“, erwies sich der Schachzug als riesengroßer Glücksgriff. Denn: Wenige Sekunden auf dem Platz, da veredelte Mario Burmester mit seinem ersten Ballkontakt einen traumhaften Suntic-Chip per Heber unter die Latte - 1:1 (65.)! Der zweite Neue im Bunde: Philip Stefaniuk, der nach einem Schienbeinbruch sein Comeback feierte und keine 180 Sekunden später einen Freistoß aus 22 Metern linker Position ins kurze Eck zirkelte und Hoffmann nicht unbedingt gut aussehen ließ - Spiel gedreht (68.)!

Von den Gästen kam nach dem ganz frühen Führungstreffer deutlich zu wenig. Und auch nach dem Doppel-Schock ließ eine Antwort zunächst auf sich warten. Bis zur 78. Minute, als der eingewechselte Edward Pfister ein Zusammenspiel mit Awuah entschlossen krönte - 2:2! Eine hochspannende Schlussphase brach an - und brachte das mit sich, was Taytanli im Vorfeld bereits vermutete: „Wir wussten, dass die zwei, drei Kandidaten in der Truppe haben, die immer für Gelbe oder auch Rote Karten gut sind.“ Einer davon: Sammy Güzel, der bereits gelbverwarnt Dorian Balla von den Socken holte - Gelb-Rot (84.)!

Niedwetzki trifft zum Derbysieg - "Danke euch im Namen des Vereins!"

Damit erwies Güzel der Puder-Truppe einen regelrechten Bärendienst. Aber: Plötzlich nahm HT das Heft in die Hand - und wurde in Unterzahl gnadenlos ausgekontert. „Leader“ Suntic mit dem nächsten Traumpass, Felix Niedwetzki mit dem trockenen Abschluss aus zwölf Metern halbrechter Position ins lange Eck zum 3:2-Derbysieg (88.)! „Ich danke euch im Namen des Vereins!“, jubelte Taytanli im anschließenden Mannschaftskreis. Hinterher erklärte er: „Wir haben es in der ersten Halbzeit leider nicht geschafft, das auf die Platte zu bekommen, was wir uns vorgenommen haben. Nichtsdestotrotz wusste ich, dass wir noch nachlegen können und genug Power auf der Bank haben. Und man hat gesehen, was für eine Qualität wir in der Offensive eigentlich haben.“

"Hauptsache ich gewinne gegen HT!"

Doch zurück zum Derby-Charakter: „Viele sind hier groß geworden - auch von HT. Ein Großteil hat hier gespielt oder war hier als Trainer tätig. Mit den meisten Leuten bin ich zusammen in den Kindergarten gegangen. Deshalb sage ich es ganz ehrlich: Mir ist am Ende des Jahres scheißegal, auf welchem Tabellenplatz ich stehe. Hauptsache ich gewinne gegen HT - dieser Derbysieg bedeutet mir alles!“