„Wir haben das Ding schon in der Hand und werden dann betrogen!“

Halstenbeker Frust nach tragischem Pokal-Ausgang

25.05.2017

Das Spielende war bereits einige Stunden alt, als einige Halstenbeker noch immer die Kabine an der Hoheluft einnahmen. Erst wurde der Frust mit einigen Kaltgetränken runtergespült. Dann zeigte der krasse Underdog, welch Größe in ihm steckt – und das nach diesem Matchausgang (2:1 für EN n. V.). Sascha Richert verließ den Kabinentrakt und kam wenig später mit Referee Thorsten Bliesch, der mit den Emotionen zu kämpfen hatte, zurück. Jener Referee, auf den die Spieler und Verantwortlichen unmittelbar nach Schlusspfiff alles andere als gut zu sprechen waren. Während Bliesch-Assistent Thomas Bauer und Ralph „Drago“ Vollmers, der wie Bliesch sein letztes Spiel auf diesem Niveau als Vierter Offizieller bekam, bereits die Räumlichkeiten aufgesucht hatten.

Es wurde gefachsimpelt, nach Erklärungen gesucht – und kam sogar zu einem freundschaftlichen Austausch zwischen Bliesch auf der einen und Richert sowie HR-Coach Heiko Barthel auf der anderen Seite. Die Halstenbeker zeigten in jenem Moment, dem wahrscheinlich bittersten ihrer bisherigen sportlichen Laufbahn, wahre Größe! Dabei waren die Emotionen direkt nach Schlusspfiff noch ganz andere – zumindest bei den meisten Akteuren und Offiziellen. Präsident Hans Jürgen Stammer verlor nicht nur den Kampf gegen die Tränen, sondern auch einige überaus deutliche Worte in Richtung des Schiedsrichters: „Es geht hier auch um ein paar Euro. Unsere Truppe hat wirklich gekämpft, geackert und als Absteiger aus der Oberliga einem Regionalligisten das Leben mehr als nur schwer gemacht. Wir haben das Ding schon in der Hand und dann betrügt uns ein Schiedsrichter um viel, viel Geld. Das ist schon fast eine Betrugsanzeige, die ich da stellen muss. Ich muss ganz ehrlich sagen: So etwas haben wir nicht verdient!“ Verdient hatten es die aufopferungsvoll kämpfenden Halstenbeker tatsächlich nicht, aber dem Referee Absicht zu unterstellen, würde schlichtweg zu weit führen! Denn Thorsten Bliesch selbst hätte sich wohl einen ganz anderen Abgang erwünscht und erträumt gehabt - und sicherlich keinen durch die Hintertür oder in einer verschlossenen Kabine.

"Dass der Schiedsrichter das nicht sieht, ist eine Frechheit"

Jene Szene in der buchstäblich letzten Minute der regulären Spielzeit, als Jan Lüneburg einzig und allein in HR-Keeper Mirko Oest hinein rauschte, woraufhin Linus Meyer den Ball – mit deutlichem zögern – in die Maschen pikte, war das Gesprächsthema Nummer eins. Die gute Leistung von Bliesch in den 89 Minuten zuvor spielte keine Rolle mehr. „Dass der Schiedsrichter das nicht sieht, ist eine Frechheit! Das ist mein voller Ernst. Wie kann man sowas nicht pfeifen?! Ich weiß gar nicht, was ich dazu weiter sagen soll. Ich habe den Ball klar in der Hand und er springt einfach nur in mich rein. Traurig! Das ist einfach nur unverdient. Norderstedt hat zwar das Spiel gemacht. Aber wir waren klar die bessere Mannschaft mit den klar besseren Chancen. Das ist lächerlich“, schimpfte der Gefoulte, Mirko Oest, nach Abpfiff.

"Norderstedt ist überhaupt nichts eingefallen - die waren völlig perplex"

Während Kapitän Yannick Sottorf „aufpassen musste, was ich jetzt sage.“ Schließlich fand er aber doch noch einige Worte über die spielentscheidende Aktion: „Ein langer Ball, wir laufen nicht mit durch, dann stehen da Lüneburg und Meyer. Mirko kommt raus, geht zum Ball und ‚Lüne‘ geht nur in den Mann rein. Ob’s im Fünfer ist oder nicht, das spielt keine Rolle, weil er nur in ihn reingeht. Aber es wurde jede ‚fifty-fifty-Entscheidung‘ gegen uns ausgelegt. Ich glaube, wenn der Herr Bliesch sich die Szene nachher nochmal im Fernsehen anguckt, wird er sich denken: Warum habe ich da nicht gepfiffen? Aber noch viel mehr muss der Assistent das genau sehen. Da war kein Getümmel, gar nichts. Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wozu der dann da ist! Wenn alle Vier sagen, es war regelkonform, dann weiß ich nicht, was die gesehen haben! Wir waren mit beiden Händen am Pokal dran.“ Zudem befand Sottorf: „Norderstedt ist rein gar nichts eingefallen. Die waren so perplex, wussten überhaupt nicht, was los ist. Schon als wir mit dem 0:0 in die Kabine gegangen sind, war uns klar: Die können den Schalter nicht mehr umlegen. Wir haben sie. Deshalb ist es einfach nur sehr, sehr bitter – das kann man gar nicht in Worten beschreiben.“

"Die Stimmung im Stadion sagt doch schon alles aus!"

Dem schloss sich Benjamin Brameier fast ausnahmslos an: „Unsere Taktik ist voll aufgegangen. Norderstedt ist überhaupt nichts eingefallen. Immer nur lange Bälle auf Lüneburg oder auf Drinkuth, der diese dann ablegen sollte. Auch nach dem 1:0 für uns kam relativ wenig bis gar nichts. Das ist sehr, sehr bitter!“ Zum nicht geahndeten Foulspiel in der Schlussminute, das den Oberliga-Absteiger, der gegen eine ganz schwache Norderstedter Mannschaft viel eher den Sack hätte zumachen können, sagte er: „Selbst wenn es nicht im Fünfmeterraum ist: Lüneburg springt nur in ihn rein und behindert ihn. Das ist ein Foul. Man sagt ja immer, dass man nach einem Spiel nicht über den Schiri reden will. Aber heute muss man festhalten, dass das Glück definitiv nicht auf unserer Seite war. Er hat es in jedem Fall maßgeblich beeinflusst. Ich nehme alles zurück, wenn mich das Fernsehbild eines Besseren belehrt. Aber ich glaube, die Stimmung im Stadion sagt schon alles aus. Eigentlich hat jeder gesehen, dass es ein Foul war. Von daher hat er natürlich das Spiel beeinflusst.“ „Aus Schutz vor einigen Anfeindungen“, wie HFV-Pressesprecher Carsten Byernetzki auf der PK erklärte, nahm Thorsten Bliesch auch nicht bei der anschließenden Siegerehrung teil. Ein bitterer Abgang nach einer so langen Laufbahn, an deren Ende nun vor allem eine Entscheidung in Erinnerung bleiben wird…

Der komplette LIVE-Ticker der emotionalen 120 Minuten zum Nachlesen

Spielinfos
FC Eintracht Norderstedt - SV Halstenbek-Rellingen
Liga: Regionalliga Nord
Anstoss: Do - 25.05. 12:45 Uhr
Spieltag: 8. Spieltag
Ergebnis: 2 : 1
Schiedsrichter: Thorsten Bliesch (Niendorfer TSV)
Platz / Ort: Hoheluft
Zuschauer: 3193
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