Landesliga 03

Vermeintliche Rassismus-Affäre erschüttert Zweit-Herren-Traditionsduell

27. November 2021, 22:32 Uhr

Foto: noveski.com

Es war alles andere als ein berauschendes Fußballspiel. Eher ein Krampf. Und ein Kampf, in dem BU im Duell der Zweit-Herren-Mannschaften gegen den SC Victoria nach einer Roten Karte für den Gegner – Momodou Sanneh wegen groben Foulspiels (21.) – und einem Treffer von Moritz Scholz (38.) auf der Siegerstraße war. Doch dann kam es in der 59. Spielminute zu einer folgeschweren Szene. Eine Situation, die im wahrsten Sinne der Anfang vom Ende war. Ein Vergehen, das für üble Nachwirkungen sorgte…

Was war geschehen? Vicky-Routinier Dennis Theißen beging im eigenen Sechzehner ein Foulspiel, das nicht nur einen Elfmeter für die Hausherren zur Folge hatte. „Ich bin ein emotionaler, ein lauter und ein aktiver Trainer. Ich habe eine Karte gefordert, was nicht gut war! Das war ein Fehler“, gestand BU II-Coach Michael Koss. Daraus resultierte jedoch ein Wortgefecht mit Vicky II-Spieler Lionel Lingani. Doch urplötzlich eskalierte die Szenerie und es kam zu einer massiven Rudelbildung vor der Bank der Barmbeker. Grund: „Es soll zu Affenlauten vom BU II-Trainer gekommen sein“, erklärte Gäste-Übungsleiter Joshua Krause, der es selbst nicht hörte. Aber: „Lio ist einer der liebsten Spieler, die wir haben. Er ist Jugendtrainer bei uns. In der Situation ist er aber völlig ausgetickt. So habe ich ihn noch nie erlebt. Wir mussten ihn regelrecht zurückhalten, was gar nicht so einfach war.“

"Ich habe die Entscheidung getroffen, dass wir geschlossen vom Platz gehen"

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Nachdem sich das Pulk an Spielern und Offiziellen zunächst aufgelöst hatte, Theißen die Ampelkarte sah und die Mannen von der Hoheluft, die zuvor keine Torgefahr kreierten, nicht nur in doppelter Unterzahl weiterspielen mussten, sondern sich auch noch einem Elfmeter gegenübersahen, holte der Unparteiische beide Kapitäne zu sich. Entscheidung: Das Spiel sollte fortgesetzt werden. „Wir wollten grundsätzlich weiterspielen“, bestätigte auch Krause, der sich allerdings nochmal beim Schiedsrichter-Assistenten erkundigte, „ob er das mitbekommen“ habe. „Als er mir dann bestätigt hat, dass er es sowohl gesehen als auch gehört hat, war für mich klar, dass wir das Spiel damit abbrechen. Ich habe die Entscheidung getroffen, dass wir geschlossen vom Platz gehen, weil das meinen persönlichen Werten, aber auch mit denen auf der Welt nicht vereinbar ist und insbesondere auch den Grundsätzen des SC Victoria komplett widerspricht. Das war für mich kein Umstand, weiterzuspielen.“

"Das kann ich so überhaupt nicht stehen lassen"

Der Vorwurf in Richtung Koss: Rassistische Affenlaute gegenüber einem Victorianer. Eine Behauptung, die der Übungsleiter der Barmbeker so nicht stehen lassen will und aufs Schärfste bestreitet: „Ich habe gesagt: ‚Huhu, dreh‘ dich um – hinter dir fällt gleich das 2:0. Verpass‘ das nicht.‘“, vermutet er „ein Sender/Empfänger-Problem“, dass das „Huhu“ als „Uh uh“ wahrgenommen wurde. „Dieses Thema ist nicht nur hochsensibel und viel zu wichtig – Rassismus ist für mich ein absolutes No-Go! Ich bin seit vielen Jahren bei BU tätig und war auch im Jugendbereich aktiv. Mir sind Religion und Hautfarbe völlig egal. Das sieht man auch in unserem Kader, der mit Spielern aus allen Nationen bestückt ist“, entgegnet Koss. „Das kann ich so überhaupt nicht stehen lassen!“

"Das ist ein Vorwurf, der brachial ist"

Ihm sei es „auch ein innerliches Anliegen“ gewesen, nach dem erfolgten Abbruch „nochmal ganz sachlich“ mit den Spielern des SC Victoria II „zu sprechen, ihnen meine Sicht der Dinge zu schildern – und zu erklären, dass dieser Austausch rein gar nichts mit irgendeiner Rasse oder sonst was zu tun hatte!“ Von einer Entschuldigung wollte er nichts wissen – denn: „Entschuldigen tut man sich, wenn man etwas Falsches gemacht hat. Ich hätte ihm in dem Fall gesagt, dass es nicht okay von mir war, die Rote Karte zu fordern, wodurch so eine Emotion hochkocht. Auch die Assistenten habe er nochmal „gefragt, ob sie sich ganz sicher sind“, dass sie es zu 100 Prozent gehört haben wollen. „Denn das ist ein Vorwurf, der brachial ist! Mit so einer Behauptung, wo man sich nicht sicher ist, kann man sehr viel kaputtmachen. Und der Linienrichter stand nicht mal auf unserer Seite.“ Letzten Endes habe der Assistent dies „nicht mehr bejahen können“, so Koss, der zudem betont, dass bei Vicky II „auch zwei ehemalige Spieler von mir spielen. Die kann man ja gerne mal fragen, wie ich zu dem Thema stehe.“

"Davon war im Kabinentrakt mit noch keiner Silbe die Rede"

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Vorwürfe auf der einen, striktes Dementi auf der anderen Seite. Fakt ist, dass es nach der Rudelbildung auch noch glatt Rot für Koss und einen Victorianer gab. Die Erklärung und Begründung vom BU II-Chefcoach findet sein Gegenüber „lächerlich“, wie er sagt. Denn: „Von einem ‚Huhu‘ war im Kabinentrakt danach noch mit keiner Silbe die Rede. Er sagte mir nur, dass es sich um ein Missverständnis handelt“, so Krause. Sein Spieler sei „ein Baum von einem Mann und saß mit Tränen in den Augen in der Kabine“, würde er die Entscheidung, das Spiel nicht fortzusetzen, jederzeit wieder so treffen. „Ich finde es sehr bedauerlich und schade, dass mehrere Betreuer von BU und auch diverse Zuschauer, was man auf den Kamera-Aufnahmen auch eindeutig hört, uns vorwerfen, wir würden den Spielabbruch nur herbeiführen, damit wir nicht verlieren. Ich wurde auch aus dem Stadion ausgesperrt. In diesem Moment waren mir die drei Punkte sowas von scheißegal!“

"Ein Entgegenkommen, das auch nicht normal ist"

Das war vor dem unschönen Ende noch ganz anders. „Ein für beide Seiten hoch emotionales Spiel“, befand Koss. „Für uns dahingehend auch extrem wichtig, weil wir mit einem Sieg auf Platz fünf kommen konnten. Da wollten wir auch hin.“ Im Vorfeld habe es noch einen „freundschaftlichen Austausch“ gegeben. Die Hausherren traten im heimischen Stadion sogar im schwarzen Dress auf, da die Gäste von der Hoheluft nur einen Trikotsatz dabeihatten. „Ein Entgegenkommen, das auch nicht normal ist.“ Mit der Roten Karte nach gut 20 Minuten für die Gäste habe das Spiel aber eine Dynamik bekommen, die immer mehr abgedriftet sei. „Vicky beruft sich am Ende auf Werte, der Spielverlauf sagt aber etwas ganz anderes aus“, spricht er auf die Platzverweise und auch Karten gegen die Bank an. Während Krause konstatiert: „Es war viel Gemecker – aber von beiden Seiten und alles war noch im Rahmen.“ Bis zu eben jener 59. Spielminute…

Autor: Dennis Kormanjos