Landesliga Hansa

0:4 verloren, aber gefühlt „3:1 gewonnen“ – Condor couragiert, Huremovic außer sich!

28. August 2022, 16:35 Uhr

Berkant Aydin schreit seine Freude heraus. Soeben hat der "Sechser" des ETSV Hamburg zum vorentscheidenden 2:0 für den Favoriten eingeköpft. Foto: noveski.com

„Das ist nicht meine Mannschaft!“, schimpfte Jassi Huremovic während der Halbzeitpause – und begründete damit seinen Entschluss, warum er die Viertelstunde auf dem Platz und eben nicht in der Kabine bei seiner Truppe verbrachte (alle Highlights im LIVE-Ticker). Der Coach des ETSV Hamburg war bedient. Mächtig sauer auf seine Schützlinge. „Wenn wir so spielen, haben wir es nicht verdient, hier zu gewinnen“, war eine der Tiraden, die Huremovic losließ. Und selbst Söhren Grudzinski, Liga-Manager des SC Condor, konstatierte mit einem leichten Augenzwinkern: „Wir führen 1:0!“ So ganz Unrecht hatte der langjährige Condoraner damit zwar nicht, aber rein faktisch entsprach das nicht der Wahrheit...

Die beiden Kapitäne im direkten Kampf um den Ball: Kusi Kwame (li.) vs. Hüseyin Karaca. Foto: noveski.com

Da sich Kevin Vieira Santos beim Warmmachen verletzte, rückte Kevin Pulaczewski kurzfristig in die Startelf der „Raubvögel“ – und machte seinen Job zunächst gut. Bis zu eben jener Szene, als sich Tom Luka Steenbuck auf Höhe der Eckfahne von Florian Klein düpieren ließ und Pulaczewski die anschließende Hereingabe unbedrängt in die eigenen Maschen bugsierte (22.). Nach einer guten halben Stunde war die Luft beim Verteidiger raus, entkräftet musste er ausgewechselt werden (32.).

Bis zu jener 22. Spielminute hielt der SC Condor der vermeintlichen „Übermacht“ nicht nur stand, sondern hätte mit etwas mehr Glück, Zutrauen und Fortune sogar in Führung gehen können. Aber der unglücklich agierende Lee Marven Laukat konnte einen kapitalen Bock von Matthias Cholevas nicht nutzen und bestrafen (6.), ehe Marcel Perz mit seinem satten Schuss aus der zweiten Reihe dafür sorgte, dass sich ETSV-Keeper Elian Clasen strecken musste (15.). „Wir betteln“, stellte ETSV-Verteidiger Mark Brudler kurz vor Ende der ersten 45 Minuten fest. Und trotz des Rückstandes sparte auch SCC-Keeper Norman Volber nach dem Pfiff nicht mit Lob: „Gut so, Condor“, munterte er seine Mannen auf.

Rump versiebt Hochkaräter - und versteht Auswechslung nicht

Damian Ilic (re.) musste kurz vor der Pause verletzungsbedingt raus. Gute Besserung! Foto: noveski.com

Auch nach Wiederanpfiff waren die Farmsener griffig, gallig und bissig. Während sich bei den Eisenbahnern die vielen „Egos“ immer wieder verzettelten. Bezeichnend: Nach einer Stunde nahm das Trainerduo Huremovic/Märtens den zuvor überaus glücklosen Angreifer Marcel Rump, der insgesamt vier absolute Hochkaräter auf leichtfertigste Art und Weise vergab, vom Platz. Für ihn kam George Kelbel in die Partie. Um es vorweg zu nehmen: Es konnte nur besser werden – wurde es aber auch. Allerdings hätte die Luft für die favorisierten Gäste noch ein Stück weit dünner werden können, wenn Lui Kirsch nach Zuspiel des starken Perz mit seinem Distanzkracher nicht die Oberkante der Latte getroffen hätte (49.).

Aydin erlöst Eisenbahner - "Die letzten 20 Minuten waren okay"

Niedergeschlagen liegt Kevin Pulaczewski (li.) nach seinem unglücklichen Eigentor zum 0:1 auf dem Boden. Foto: noveski.com

Das Glück war nicht gerade auf Seiten der Hausherren. Im Gegenteil. Als Perz vor der gegnerischen Bank den angeschlagenen Veli Sulejmani von den Socken holte und es daraufhin zu kurzen Tumulten kam, servierte Matthias Cholevas den folgenden Freistoß perfekt auf den Kopf von Berkant Aydin – 0:2 (64.)! Die Kruse-Kicker kämpften aber auch nach dem zweiten Gegentreffer weiter, ließen sich nicht entmutigen – und wussten durchaus zu gefallen. Die Tore fielen aber auf der anderen Seite. Devin Cengiz steckte für Klein durch. Dieser eilte allein auf Volber zu – und blieb diesmal cool (77.)!

Ein weiteres Paradebeispiel für die Partie und die Abgeklärtheit der Gäste: Auf der einen Seite konnte Condor-Captain Hüseyin Karaca eine tolle Stafette über Javad Gurbanian und Cedric Blume nicht veredeln, weil Clasen glänzend entschärfte (88.), im Gegenzug leisteten sich die Condoraner den nächsten herben Bock. Sulejmani bediente Kelbel – und der machte den Deckel zum 4:0-Endstand drauf (89.)! Ein am Ende vom Ergebnis her deutlicher Sieg für die Eisenbahner. Aber mit dem Auftreten konnte man nur bedingt zufrieden sein. „Mit den letzten 20 Minuten schon“, entgegnete Matthias Märtens, der mit Huremovic ein gleichberechtigtes Gespann bildet. „Da haben wir es dann verhältnismäßig clever zu Ende gespielt. Gut waren wir aber nicht. Gerade in der ersten Halbzeit hatten wir gar keinen Zug zum Tor und waren auch nicht eng genug am Gegner dran. Das mussten wir in der zweiten Halbzeit besser machen. Und da hat es dann ja auch gereicht.“

"Die Spiele haben ja gezeigt, dass wir nicht so sehr überlegen sind"

Nach starken Leistungen in den Vorwochen erlebte Marcel Rump nun einen rabenschwarzen Tag - vor allem im Torabschluss. Foto: noveski.com

Bereits nach den letzten Begegnungen mahnte und warnte Huremovic immer wieder, machte aus seiner zum Teil vorherrschenden Unzufriedenheit keinen Hehl. In die gleiche Kerbe schlug Märtens nun: „Gerade die letzten Spiele haben ja gezeigt, dass wir den Gegnern eben nicht so sehr überlegen sind. Deshalb ist es in der Trainingswoche immer wieder unsere Aufgabe, die 18 Mann, die uns dann repräsentieren, darauf vorzubereiten. Jeder hat Woche für Woche die Chance, sich anzubieten.“ Sich von den Erfolgen blenden zu lassen, da sämtliche Spiele (knapp) gewonnen wurden – da sei „zum Glück nicht der Fall. Die Mannschaft weiß selbst ganz genau, dass das, wie wir uns präsentieren, nicht das ist, wie wir uns präsentieren wollen. Dass wir trotzdem seit jetzt fast anderthalb Jahren jedes Spiel gewinnen, ist gut. Genauso gut ist aber auch die Tatsache, dass wir noch eine Entwicklung vor uns und die Möglichkeiten noch nicht voll ausgeschöpft haben“, so Märtens.

"Wir haben dem Gegner einfach vier Geschenke gemacht!"

Der ansonsten starke SCC-Schlussmann Norman Volber (Mi.) streckt sich beim Kopfball von Berkant Aydin vergeblich - 0:2. Foto: noveski.com

Sein Gegenüber sah eine durchaus gute Darbietung seiner Equipe gegen die schier unbezwingbaren Eisenbahner. Und dennoch stand letzten Endes eine klare Niederlage zu Buche – die vierte in Folge. Die ernüchternde Erkenntnis von SCC-Übungsleiter André Kruse: „Wir haben dem Gegner einfach vier Geschenke gemacht! Aus dem Spiel heraus haben wir ja nicht viel zugelassen. Aber es wird halt schwierig, wenn man solche Geschenke verteilt. Dann muss man immer wieder die Moral hochhalten.“ 


Grudzinski dazu: „Am Ende haben wir 3:1 gewonnen“, sprach er auf die Böcke an, die den Toren vorausgegangen waren. Und dennoch dürfte das Auftreten – auch fußballerisch – Mut machen. „Wir wussten schon immer, dass wir das können – heute haben wir das auch wirklich mal auf den Platz gekriegt. Aber wir müssen das jede Woche abrufen“, gab Kruse die Marschroute für die kommenden Aufgaben vor.

Autor: Dennis Kormanjos

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