Oberliga

Nach der „Vorstellungsrunde“ folgt der „Mutmacher“ - trotz Niederlage: „Hier war viel mehr drin!“

29. Januar 2023, 19:59 Uhr

Gedion Wedemeyer (Mi.) wurde zur tragischen Figur. Erst erzielte der Osdorfer per Traumtor das 1:1, dann musste er verletzt raus. Foto: Kormanjos

„Wir mussten erstmal 'ne kleine Vorstellungsrunde machen“, schmunzelte Bennet Krause noch vor dem Gastspiel seines TuS Osdorf beim TSV Sasel. Dabei hatte der Chefcoach des Drittletzten nach dem Sieg in der Vorwoche gegen Türkiye (2:1) eigentlich gar keinen Grund zur Freude. Denn: Die Personalnot beim TuS wurde vor der Partie beim Primus (alle Highlights im LIVE-Ticker) immer größer und nahm schon fast dramatische Züge an. Mit dem 35-jährigen Gianluca d‘Agata hatte Osdorf einen Mann auf der Bank sitzen, der alleine schon fast über mehr Oberliga-Erfahrung verfügt (182 Spiele), als sämtliche elf Akteure auf dem Platz zusammen. Gegen Sasel gesellten sich auch noch die Gelb-gesperrten Tim Jobmann und Georg Demircan, der sein Team von der Seitenlinie lautstark anfeuerte und immer wieder pushte, sowie der kranke Felix Spranger zum Lazarett hinzu.

Es geht nicht weiter: Co-Trainer Torben Krause (li.) klatscht den verletzten Gedion Wedemeyer ab. Gute Besserung! Foto: Kormanjos

Doch damit nicht genug. Der zweite Durchgang war noch keine 180 Sekunden alt, als sich Krause beim angeschlagen wirkenden Gedion Wedemeyer nach dessen Wohlbefinden erkundigte. „Torben (Krause, Anm. d. Red.) hat in der Halbzeit nochmal gesagt: ‚Hier lässt sich keiner auswechseln. Die Auswechslungen kündigen wir an.‘ Aber ich habe direkt nach Wiederanpfiff gesehen, dass er sich immer wieder an die Leiste gefasst hat. Da muss man ihn dann auch schützen“, reagierte das Trainer-Gespann - nachdem der Daumen von Wedemeyer nach erstmaliger Nachfrage noch nach oben ging. Keine drei Minuten später war aber Schluss für den kleinen Stern am Osdorfer Fußball-Himmel.

Auf das Wedemeyer-Traumtor folgt der Schock

„Ich hoffe, dass es nur eine leichte Zerrung oder Verhärtung ist“, verriet Krause, dass der Jungspund schon am Donnerstag im Training leichte Probleme hatte. „Deshalb haben wir ihn relativ früh rausgenommen“, musste der TuS den nächsten Dämpfer verkraften. Denn Wedemeyer ließ nicht nur beim Heimsieg gegen Türkiye mit seinem Treffer zum 1:0 seine Fähigkeiten aufblitzen, sondern sorgte auch am Parkweg mit seinem Tempo immer wieder für starke Momente. Nicht nur das. In der 26. Spielminute schweißte der 19-Jährige das Spielgerät aus über 30 Metern in den linken Knick, sorgte für Osdorfer Freudentaumel und ließ den Gast mit diesem Sonntagsschuss zum zwischenzeitlichen 1:1 tatsächlich von einer kleinen Sensation träumen!

Verbales Scharmützel zwischen Krause und Zankl

Bennet Krause (li.) pusht sein Team von der Seitenlinie noch einmal nach vorne. Letztlich reichte es aber nicht zu etwas Zählbarem. Foto: Kormanjos

Als noch 20 Minuten zu gehen waren und Jan Collet einen an ihm selbst verursachten Foulelfmeter sicher und cool zum 2:3 verwandelte, trieb er seine Mannen nochmal nach vorne: „Kommt, wir haben nichts zu verlieren!“, schrie er über den Platz. Und Collet war es auch, der per Volley aus 17 Metern nur haarscharf das 3:3 verpasste (81.). Osdorf kam nun über die Emotionen und entfachte neues Selbstvertrauen. Kurz vor Ultimo kam es auch zwischen beiden Bänken zu einem kleinen verbalen Scharmützel. „Zitterst’ jetzt?“, fragte Krause seinen Gegenüber - nachdem Danny Zankl einen Kommentar von der anderen Seite kommentierte. Zankls Konter: „Ich gucke nächste Saison mal gegen Rantzau zu.“

Am Ende rettete der Spitzenreiter den knappen 3:2-Sieg über die Zeit. „Wir wissen, dass wir uns Siege hart erarbeiten müssen - gegen jeden Gegner. Und die Jungs verstehen und begreifen das hoffentlich auch gerade. Deswegen sind wir sehr glücklich, dass wir drei Punkte geholt haben. Dass die auch verdient sind, darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. Dass wir aber eine gute Balance zwischen Siege erarbeiten und Siege erspielen finden müssen, das wissen wir auch“, so das Fazit vom TSV-Trainer, der mit seinen Mannen „ein gewisses Selbstverständnis wieder erarbeiten“ möchte. „Denn das ist das Wichtigste für unser Spiel.“

"Alle haben das Gefühl: Sasel muss einen Gang zulegen"

Enrik Nrecaj (2. v. re.) wird nach seiner starken Leistung und seinen zwei Toren von Trainer Danny Zankl bei der Auswechslung abgeklatscht. Foto: Kormanjos

Ein Selbstverständnis, das inzwischen auf anderer Ebene schon etwas zu viel ist, meinte Zankl: „Sie haben uns nie gepresst, wir konnten den Ball laufen lassen - und ich glaube, dass wir den Ball auch einfach quer hätten laufen lassen können. Dann führst du schon 3:1 und alle haben das Gefühl, Sasel muss einen Gang zulegen, obwohl es eigentlich andersrum wäre. So kommt dann auch ein bisschen Druck bei den Spielern rein, welche Entscheidung man trifft. Osdorf hat es passiv gespielt, wollte einfach nur kein Tor kassieren und hat gelauert. Aber selbst diese Konter konnten wir eigentlich gut verteidigen. Und wir brauchen auch nicht darüber zu sprechen, dass die beiden Tore, die wir fressen, klare individuelle Fehler sind.“

Beim Wedemeyer-Sonntagsschuss sei es „gefühlt das erste Mal gewesen, dass die in unserer Hälfte sind, weil wir den Ball leichtfertig verloren haben, aber trotzdem noch klar in Überzahl sind - und dann fällt der da so rein“, monierte Zankl - und befand: „Es hätte keine andere Situation kommen können, wo Osdorf ein Tor schießt.“ Und beim zweiten Gegentreffer sei „ein langer Freistoß fast von der Mittellinie in Richtung Toraus gesegelt und dann soll da ein leichter Zupfer gewesen sein. Das sind natürlich Nackenschläge. Die beiden Gegentore müssen wir besser und vor allem einfach verteidigen. Dann gewinnst du hier 2:0 - und keiner sagt was. So sagen alle: Wir haben gezittert. Das müssen wir auch mit ins Training nehmen. Denn wir können uns die Dinger nicht selbst so ins Nest legen, ohne überhaupt unter Druck geraten zu sein. Natürlich ist es dann nochmal nervenaufreibend und es kommt Hektik rein. Aber es ist ein gutes Zeichen, dass die Jungs realisieren, dass wir jeden Sieg hart erarbeiten müssen.“

Nrecaj netzt doppelt - und ist an allen Toren beteiligt

Ein Sieg, der auch dank Enrik Nrecaj zustandekam. Der lange verletzte Angreifer glänzte als Doppeltorschütze. Erst nach einer Stafette über Samuel Hosseini, Deran Toksöz und Jean-Lucas Gerken (17.), dann als trockener Vollstrecker aus 16 Metern (32.). Und auch am dritten Streich war Nrecaj maßgeblich beteiligt, als er zwar noch an Tjark Grundmann scheiterte, aber Toksöz für den Abpraller zur Stelle war (67.)! Damit sorgte der 28-Jährige auch dafür, dass der Frust bei den Gästen trotz eines beherzten Auftritts groß war. Christopher Grünewald machte seinem Unmut mit drei immensen Tritten in die Bande Luft - während Torschütze Collet konstatierte: „Hier war so viel mehr drin!“

"Niederlage ist Niederlage - aber es war der richtige Schritt"

Im Mannschaftskreis nach dem Spiel fand Bennet Krause sehr aufbauende, lobende und vorausschauende Worte für seine Mannen. Foto: Kormanjos

Nichtsdestotrotz machte Krause seinen Kickern im Mannschaftskreis Mut: „Chapeau, ein richtig geiler Auftritt!“, lobte er seine Equipe, stellte im Nachhinein aber auch fest: „Niederlage ist Niederlage. Die Enttäuschung ist da, egal wer der Gegner ist oder wie die Konstellation ist. Auch wenn man lange hinten drin stand und hinterhergelaufen ist, hat man es lange offen gehalten. Das ist auf jeden Fall der richtige Schritt. Aber am Ende ist es eine Niederlage und irgendwann muss man Punkte holen. Andere Mannschaften haben Sasel auch schon geschlagen. Aber ich bin echt stolz auf die Mannschaft, was sie heute über 90 Minuten reingelegt hat. Auch in der Zusammensetzung mit einigen Jungs aus der U23, die ausgeholfen haben.“

Viel Oberliga-Erfahrung hatte Krause „heute nicht auf dem Platz". Trotz dessen war das Vertrauen da. „Ich habe der Mannschaft auf jeden Fall etwas zugetraut, weil es vielleicht auch vom Kopf her ein bisschen einfacher ist, da viele Jungs dabei sind, die noch nicht so viele Niederlagen in den Knochen haben und etwas anders aufspielen. Das haben die Jungs gut gemacht und das macht Mut für die nächsten Wochen.“

Autor: Dennis Kormanjos