Regionalliga-Aufstieg

Sorgen um den Trainer, Siegen für die Geschichte: Der ETV macht den Durchmarsch perfekt!

04. Juni 2023, 19:04 Uhr

Durchmarsch perfekt: Der Eimsbütteler TV bejubelt den 4:0-Sieg gegen Kilia Kiel und den da,it verbundenen Regionalliga-Aufstieg! Foto: Kormanjos

Während seinen Teamkollegen die Enttäuschung nach dem 1:1 beim OSC Bremerhaven und dem darauffolgenden verloren gegangenen Elfmeterschießen (2:4) ins Gesicht geschrieben stand, strahlten der nach langer Verletzungspause zurückgekehrte Kapitän Finn Schütt und Cheftrainer Khalid Atamimi reichlich positive Energie aus und blickten voller Zuversicht in das abschließende Aufstiegs-Relegationsspiel am heimischen „Loki“ gegen den bereits aufgestiegenen FC Kilia Kiel (3:2-Sieger in der Nachspielzeit gegen Bremerhaven). Der Eimsbütteler TV wollte gegen den Schleswig-Holstein-Meister (alle Highlights im LIVE-Ticker) den Durchmarsch in die vierthöchste deutsche Spielklasse perfekt machen, musste aber noch am Tag der Partie eine herbe Hiobsbotschaft verkraften…

Volle Hütte am "Loki"! Ganze 2650 Zuschauer verwandelten die Heimspielstätte des Eimsbütteler TV in ein regelrechtes Tollhaus. Foto: KBS-Picture.de

„Der Morgen hat ganz schlecht begonnen, als wir erfahren haben, dass unser Trainer im Krankenhaus liegt“, verriet Jephtah Asare, dass Khalid Atamimi dem alles entscheidenden Spiel aufgrund akuter Magenbeschwerden nicht beiwohnen konnte. „Er macht sich Gedanken und stellt sich die Frage, wie er herkommen kann – anstatt auf seine Gesundheit zu achten. Spätestens da war für uns klar: Wir müssen es auch für den Trainer schaffen! Der Mann hat uns durch die ganze Saison gepeitscht. Wenn wir auch nur ein kleines bisschen nachgelassen haben, hat er den Zeigefinger gehoben. Damit hat er diese junge, wilde Truppe, die wir sind, immer wachgehalten und gestrafft“, lobhudelte der „Flügelflitzer“ seinen Coach in den allerhöchsten Tönen.

"Man hat gemerkt, dass wir mit der Aufregung zu kämpfen hatten"

Co-Trainer Tjorben Becker musste den krankheitsbedingt abwesenden Chefcoach Khalid Atamimi vertreten - und tat dies mit Erfolg. Foto: KBS-Picture.de

Und obwohl der „Erfolgsmacher“ vor sagenhaften 2650 Besuchern am Lokstedter Steindamm nicht dabei sein konnte, schenkten ihm seine Mannen tatsächlich den Regionalliga-Aufstieg! „Wir mussten den absoluten Fokus auf den Platz kriegen. Man hat aber zu Beginn gemerkt, dass wir mit der Aufregung zu kämpfen hatten“, gestand Asare – und fügte an: „Man hat auch die Qualität von Kilia Kiel gesehen. Die haben sich einige Chancen erspielt. Da hatten wir ein bisschen Glück und einen guten Keeper im Tor.“ Und einen stark auftrumpfenden Asare!

17 Zeigerumdrehungen waren vorüber, als eine Ecke des glänzend aufspielenden Blerim Qestai zunächst noch abgefangen werden konnte, von Robin Janowsky aber noch einmal gefährlich gemacht wurde. Asare stand da, wo ein Torjäger zu stehen hat – und schoss eiskalt zur ETV-Führung ein! Nachdem Dominik Akyol unmittelbar nach Wiederanpfiff einen kapitalen Schnitzer von Kilia-Keeper Finn Kornath mit dem 2:0 bestrafte (48.), war es wiederum Asare, der einen traumhaften Angriff über Bamo Mohamed und Emre Cem Töremis veredelte (53.)! „Danach haben wir uns in einen kleinen Rausch gespielt“, sprach der Doppeltorschütze von einem „optimalen Spielverlauf“.

ETV spielt sich in einen Rausch: "Haben es gemeinsam gerockt!"

Michael Igwe (li.) wird im Kampf um den Ball von Teyi Lawson-Body zu Fall gebracht. Foto: KBS-Picture.de

Vor allem nach dem zwischenzeitlichen 2:0 durch Akyol (Asare: „Das macht er brutal!“!) sei ihm klar gewesen, „dass wir das Ding mit dieser Kulisse im Rücken nach Hause fahren werden“. Dass er selbst entscheidenden Anteil am Durchmarsch von der Landes- in die Regionalliga hatte, tat der 21-jährige Asare bescheiden ab: „Ich stehe zweimal richtig. Aber ohne die Jungs wäre das nicht möglich gewesen. Deshalb möchte ich das Lob unbedingt an die Mannschaft weitergeben. Wir haben es gemeinsam gerockt!“

Und das im wahrsten Sinne des Wortes. In den zweiten 45 Minuten spielte nur noch eine Mannschaft – und das war der Hamburger Vertreter. Auf einen Pfostenkracher von Michael Igwe folgte das 4:0 durch Janowsky, der nach Querpass das eingewechselten Leon Bolz keinerlei Mühe mehr hatte (72.)! Mit dem Ergebnis waren die bereits aufgestiegenen Gäste am Ende sogar noch gut bedient.

"Fabian Hürzeler hat uns immer wieder Demut gepredigt"

"Doppelpacker" Jephtah Asare (li.) und 2:0-Schütze Dominik Akyol hatten gut lachen. Das Offensivduo trug maßgeblich zum 4:0-Erfolg bei. Foto: KBS-Picture.de

„Ich bin in der Landesliga hierher gewechselt. Da war der Plan, mal schauen, ob es in Richtung Oberliga reichen kann Jetzt sind wir da durchmarschiert – und das keinesfalls mit dem Anspruch, direkt noch einen oben draufzulegen. Deshalb appelliere ich an die Worte eines guten, alten Freundes: Fabian Hürzeler hat uns immer und immer wieder Demut gepredigt. Genauso demütig werden wir in die nächste Saison gehen. Jetzt werden wir erstmal ein, zwei Wochen die Füße hochlegen und dann werden wir mal gucken, wie wir uns mit den nächsten Großen messen können“, richtete Asare den Blick bereits nach vorne.

Während die Mannschaft mit sämtlichen Anhängern den Coup feierte und Samuel Olayisoye lautstarke Gesänge anstimmte, sorgte sich Atamimi-Vertreter Tjorben Becker um dessen Gesundheit: „Erstmal wünschen wir Khalid gute Besserung! Wir haben ihn auf jeden Fall vermisst – nachdem am Morgen die Nachricht kam, dass es ihm gesundheitlich nicht möglich ist, zum Spiel zu kommen. Aber Gesundheit geht vor“, so der Co-Trainer, der allen Protagonisten „im Drumherum, die über ein Jahr lang so viel investiert und gearbeitet haben“ dankte. „Das sind extrem viele Menschen, die zu diesem Erfolg beigetragen haben. Dazu gehören auch Spieler, die heute nicht zum Einsatz gekommen sind oder nicht mal auf dem Zettel gestanden haben. Das ist wirklich außergewöhnlich, dass alle so mitziehen!“

"Habe mich in dem Team sehr wohlgefühlt"

Unter den Zuschauern war auch Aaron Opoku (ehemals HSV, jetzt Kaiserslautern). Foto: KBS-Picture.de

Teamcoach Hinnerk Smolka habe „eine Kultur etabliert und geformt. Ich glaube, der Aufstieg ist ein Zeichen davon, wie erfolgreich das war“, lobte Becker den Motivator des Teams. „Ich habe meinen Job gemacht und den analytischen Part – was die Spielidee angeht – übernommen. Oguz (Güclü, Co-Trainer; Anm. d. Red) ist mit seiner Herzlichkeit unser zwischenmenschlicher Experte. Gemeinsam haben wir heute ein super Team-Ergebnis erzielt!“ Genau deshalb sei er als „Chef“ auch „nicht nervös“ gewesen. „Ich habe mir nur gedacht, wie geil das Arbeiten in und mit diesem Trainerteam ist – und habe mich da sehr wohlgefühlt.“

Mit der "Underdog-Mentalität" zum Erfolg

Die Mannschaft des ETV bejubelt das zwischenzeitliche 2:= durch Dominik Akyol, der einen kapitalen Torwart-Bock bestrafte. Foto: KBS-Picture.de

Wie auch die Mannschaft des ETV nach dem erlösenden und befreienden 2:0 in der zweiten Halbzeit. „Das zeichnet unsere Mannschaft aus, wenn wir mal ein oder zwei Tore machen: Mit was für einem Selbstverständnis wir dann Fußball spielen können.“ Aber: „Wir mussten heute auch 110 Prozent spielen. Denn Kilia Kiel war ein starker Gegner“, konstatierte Becker. „Wir kommen über diese Underdog-Mentalität.“ Eine offenbar ziemlich erfolgsversprechende Eigenschaft. Sein abschließendes Plädoyer: „Wir wissen, wo wir herkommen und was unsere Identität ist“, steht das Wort „Demut“ weiterhin über allem am Lokstedter Steindamm.

Jasper Hölscher, Sportlicher Leiter des ETV, im Interview

Der Eimsbütteler TV feiert mit den Anhängern den Aufstieg

Autor: Dennis Kormanjos