Oberliga

Von „schmeichelhaft“ bis „ärgerlich“: Zwei Süderelbe-Joker zünden – aber Sasel zeigt Moral!

24. September 2023, 20:38 Uhr

Sasel-Verteidiger und 1:1-Torschütze Marius Mohr (Mi.) behauptet sich im Luftduell gegen Can Kömürcü. Foto: Kormanjos

Mit seiner Zwei-Satz-Analyse brachte Stefan Arlt alles auf den Punkt: „Wenn man das ganze Spiel zu Grunde legt, dann ist das 3:3 sicherlich schmeichelhaft. Wenn man aber den Spielverlauf zu Grunde legt, dann ist das ärgerlich, dass wir am Ende noch 3:3 gespielt haben“, so der Cheftrainer des FC Süderelbe nach einem turbulenten Nachmittag am Saseler Parkweg. TSV-Coach Marco Stier sprang in eine ganz ähnliche Kerbe und knüpfte an Arlts Einschätzung an: „Es fühlt sich eher wie eine Niederlage an. Der Punkt ist angesichts des Spiels definitiv zu wenig“, zeigte er sich mit der Punkteteilung „eher enttäuscht“ – obwohl sein TSV Sasel erst in der 89. Spielminute zum Ausgleich kam (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Ich bin absolut zufrieden damit, was die Jungs heute gezeigt haben. Man hat gesehen und gemerkt, dass da eine Mannschaft auf dem Platz stand, in der jeder für jeden gefightet hat“, lobte Stier seine Schützlinge.

Süderelbe-Stürmer Osman Güraltunkeser (Mi.) - hier im Duell mit Kjell Ellerbrock - blieb dieses Mal ohne Torerfolg, lief und ackerte aber ungemein fürs Team. Foto: Kormanjos

Der eine Protagonist betrat zur zweiten Halbzeit das Geläuf im Alfred-Mager-Stadion. Der andere Hauptdarsteller kam in der 62. Minute auf den Platz. Gemeinsam sorgten Mustafa Ercetin und Niklas Golke fast im Alleingang dafür, dass ihr FC Süderelbe einen 1:2-Pausenrückstand in eine 3:2-Führung drehten. Erst veredelte Golke keine 120 Sekunden nach seiner Hereinnahme einen Traumpass von Ercetin zum Ausgleich (64.), ehe sich der Schütze beim Vorbereiter revanchierte (69.)! „Wenn man ehrlich ist, dann sind wir glücklich zurückgekommen. Die Tore waren aber gut gespielt“, befand Arlt. Das Duo bereitete dem Hamburger Meister immer wieder Kopfschmerzen – und doch reichte es sowohl bei „Golle“ als auch bei „Musti“ nicht für die Startelf.

"Wenn sie spielen, sind sie sind eine Bereicherung für die Mannschaft"

Sasel-Kapitän Jean-Lucas Gerken (Mi.) behauptet den Ball gegen einen Widersacher. Später erzielte er das 2:1 per Kopf. Foto: Kormanjos

„Golle hat viel Verletzungspech und mit einer Krankheit zu tun gehabt. Musti kommt aus einer längeren Verletzung – und jetzt nach und nach zurück. Man sieht, mit Ball passiert schon eine ganze Menge. Aber die Stabilität über 45 Minuten und darüber hinaus fehlt noch. Dafür haben sie noch nicht die Körner. Aber sie müssen jetzt die Spiele machen und Spielpraxis sammeln“, begründete Arlt den Schritt, dass Duo von der Bank ins Rennen zu werfen. „Wir haben im Vorfeld mit beiden Spielern gesprochen, dass sie heute ihre Minuten kriegen werden, damit auch schon mal so ein gewisser Lerneffekt im Körper vonstattengeht. Nächste Woche müssen sie dann 45 oder auch 60 Minuten gehen und die nächsten Schritte machen.“ Denn Fakt ist auch: „Wenn sie spielen, sind sie sind eine Bereicherung für die Mannschaft.“

"Hätten das Spiel eigentlich schon in der ersten Halbzeit entscheiden müssen"

Fatih Umurhan (li.) nimmt Süderelbe-Denker Can Kömürcü bei einem Einwurf in Manndeckung, hat aber den klaren Gößennachteil. Foto: Kormanjos

Eine Bereicherung, die zu diesem Zeitpunkt auch dringend notwendig war. Denn Sasel war die deutlich bessere Mannschaft. „Letztendlich haben wir heute sechs, sieben absolut hochprozentige Chancen gehabt und hätten das Spiel eigentlich schon in der ersten Halbzeit entscheiden müssen. Die machen mit ihrer ersten und zweiten Chance gleich ein Tor. Das ist natürlich bitter“, haderte Stier – und blickte voraus: „Wir müssen auf jeden Fall an unserer Effektivität und Chancenverwertung arbeiten. Dann hätten wir das Spiel heute deutlich früher entscheiden können.“ Trotzdem: „Wir sind nach dem spielverlaufsbedingt überraschenden Rückstand zurückgekommen und haben ein super Spiel gemacht. Das heißt: Wir leben auf jeden Fall!“

Ecken-Verteidigung bringt Arlt auf die Palme

Der FC Süderelbe hat das Spiel gedreht und bejubelt den 3:2-Führungsstreffer durch Mustafa Ercetin. Foto: Kormanjos

Auf den ersten Rückstand – Nico Reinecke traf nach einem Zuspiel von Alexander Koval mit einem Flachschuss aus 14 Metern rechter Position ins lange Eck (39.) – hatte Sasel prompt die passende Antwort. Und das gleich zweimal nach dem gleichen Schema. Zunächst nickte Marius Mohr einen Eckball von Sebastian Wien zum Ausgleich ein (41.). Dann tat es ihm Jean-Lucas Gerken kurz nach der Pause gleich. Wieder nach einer Wien-Ecke (50.)! Sowohl Mohr als auch Gerken hatten bei ihren Kopfbällen überhaupt keine Gegenwehr, was Arlt an der Seitenlinie fast die Hutschnur platzen ließ: „Es ist so albern, wie wir verteidigen! Geht doch gleich alle raus aus dem Fünfer! Ihr braucht euch da gar nicht mehr hinzustellen“, schimpfte er.

Später erklärte der 59-Jährige: „Wir sind halt nicht zum Ball gegangen. Wir verteidigen das im Raum. Und wenn du aus dem Raum verteidigst, dann musst du nach vorne verteidigen. Die Räume sind auch klar definiert, wer wo hingeht. Und das machen wir zweimal nicht.“ Auch beim späten Ausgleichstreffer sah die Defensive der „Kiesbargler“ alles andere als gut aus. „Wenn du die ganze Zeit im Verteidigungsmodus bist, dann kann und darf man das zum Schluss auch noch wegverteidigen“, ärgerte sich Arlt darüber, dass Rouven Treu einen zu langen Ball per Kopf in den Lauf von Lukas-Gabriel Kourkis verlängerte. Dieser behielt die Übersicht, sah im Rücken der Abwehr Benjamin Dreca, der das Leder stark verarbeitete und mit links ins lange Eck beförderte (89.)! „Den muss Rouven durchlassen und der Torwart sagen ‚Hab‘ ich‘. Denn das war ein klarer Torwartball. Da hat der Kopf nichts mehr verloren. Aber den macht der Stürmer auch überragend rein“, so Arlt.

"Man kann der Mannschaft heute keinen Vorwurf machen"

Der TSV Sasel zeigte nach langer Durststrecke ein gutes Spiel, eine gute Moral sowie Reaktion und kam auch nach einem 2:3-Rückstand kurz vor Schluss nochmal zurück. Foto: Kormanjos

Obwohl der amtierende Hamburger Meister auch das fünfte Spiel in Folge nicht gewinnen konnte, zeigte man ein ganz anderes Gesicht als zuletzt. „Mit 14 Neuzugängen sind wir immer noch in der Findungsphase, in der noch nicht alle Räder ineinander greifen. Außer den zwei Gegentoren in der zweiten Halbzeit, die ein bisschen naiv verteidigt waren, kann man der Mannschaft heute aber keinen Vorwurf machen. Man merkt, dass da etwas zusammenwächst. Wir brauchen nur noch ein bisschen Zeit. Aber ich bin absolut positiv gestimmt. Zumal wir auch schon alle großen Gegner weg und jetzt Mannschaften vor der Brust haben, gegen die wir punkten müssen. Das werden wir auch tun – zu 100 Prozent“, ist Stier von der Qualität im Kader absolut überzeugt.

Süderelbe verliert Camacho und Arlt

Vor allem dank der Joker Niklas Golke und Mustafa Ercetin erkämpfte sich der FC Süderelbe ein 3:3-Unentschieden beim amtierenden Hamburger Meister. Foto: Kormanjos

Qualität hat auch der FC Süderelbe. Allerdings musste man gleich zwei Nackenschläge wegstecken. Jorge Camacho fiel nach nicht mal einer halben Stunde so unglücklich auf den Arm, dass der Krankenwagen anrücken musste. „Da guckte irgendwas durch die Haut raus in einem Bereich, der natürlich extrem wehtut. Da ist etwas gebrochen oder rausgesprungen“, hinterlässt die Verletzung von Camacho Spuren, wie Arlt meinte. Kurz vor Schluss traf es auch noch Sohnemann Maximilian Arlt, der einen Kourkis-Fallrückzieher „aus zwei Metern voll auf die Zwölf“ bekam und leicht angeknockt nicht weitermachen konnte. „Wir wünschen beiden Spielern natürlich eine gute Besserung“, so ein fairer Stier. Wünschen, denen wir uns natürlich nahtlos anschließen!

Arlts abschließendes Fazit: „Ich fand uns in der ersten Halbzeit noch recht okay – auch wenn wir da ein dummes Gegentor bekommen haben. In der Anfangsphase haben wir gegen das gute Pressing von Sasel zu oft die falschen Räume bespielt. Da hat es ein paar Mal gebrannt und da hätte Sasel auch mehr Kapital draus schlagen können, wenn man ehrlich ist. Wenn sie hoch gepresst haben, haben wir ab und an auch mal den langen Ball gespielt. Das hat gut funktioniert. Und das hätten wir noch häufiger erkennen müssen“, sah der Süderelbe-Übungsleiter einen hoch pressenden Meister. „Damit haben sie uns auch ein bisschen überrascht.“

Autor: Dennis Kormanjos