„Hamburger Berg ist kein Projekt, sondern ein normaler Fußballverein!“

„Eine schöne Idee, die sich nun als Weltrekord verewigt hat“

06. Juni 2016, 16:27 Uhr

Die Spieler des FC Hamburger Berg werfen ihren Spielertrainer Ralph Hoffmann in die Höhe. Foto: KBS-Picture.de

Um 13:05 Uhr war es geschafft. Nach über viereinhalb Tagen und 111 Stunden Dauer-Fußball am Stück haben sich der Hamburger Kreisklassist FC Hamburger Berg und der rheinland-pfälzische Kreisliga-Aufsteiger VfL Wallhalben ins „Guiness-Buch der Rekorde“ eingetragen. „Ich habe nie dran gezweifelt“, äußerte VfL-Coach Dirk Stiwitz unmittelbar im Anschluss daran seinen unermüdlichen Glauben an die Rekordjagd. Der bisherige Weltrekord wurde von zwei schottischen Teams aufgestellt und lag bei 105 Stunden. „Natürlich ist man froh, wenn man jetzt nicht mehr nach zwei Stunden raus und gucken muss, wie man in die Schuhe reinkommt“, war Stiwitz trotz seiner Überzeugung auch froh, dass das Wetteifern ein Ende hat.

In kleinen Minizelten wurde genächtigt. Meist aber nur für wenige Stunden, ehe es wieder auf den Platz ging. Foto: KBS-Picture.de

Insgesamt fielen im Sternschanzenpark fast 1300 Tore – am Ende behielt der Hamburger Berg mit 722:568 die Oberhand. Doch das Ergebnis war komplett nebensächlich, wie auch Spielertrainer Ralph Hoffmann befand: „Wir haben nicht gewonnen, sondern der VfL Wallhalben und der FC Hamburger Berg haben gemeinsam gewonnen. Allein kann man so ein Ding nicht gewinnen, das geht nur als Team!“ So waren sich letztendlich doch noch alle einig, hatte es zwischendrin doch den einen oder anderen Misston zwischen beiden Lagern gegeben. Die Gäste aus der Nähe von Pirmasens kritisierten die mangelnde Organisation (kaum Werbung, keine ärztliche Versorgung, wenige helfende Hände). „Meine Planung ist nicht die beste. Ich bin halt so ein Typ, der sich sagt: lieber improvisieren und nochmal nachbessern, als irgendetwas falsch beziehungsweise gar nichts zu machen. Profis machen das anders als ich, das gebe ich zu“, nahm Hoffmann die Schuld auch auf sich, fügte aber gleichzeitig an: „Ich kenne mich nun mal nicht mit allen Weltreligionen aus – und das war so ein Punkt, der mir im letzten Jahr brutal dazwischen kam.“ In 2015 scheiterte nämlich der erste Versuch des FC Hamburger Berg, den Rekord einzusacken. „Zu dem Zeitpunkt war Ramadan. Die Jungs haben den ganzen Tag nichts gegessen und getrunken und sollten so eine Nummer abziehen. Zudem sind wir damals ein sehr hohes Tempo gegangen. Diese Schuld nehme ich auf mich – aber Fußball macht eben nur in voller Action Laune.“

Ralph Hoffmann beim Zapfen der ersten "Mahlzeit". Foto: KBS-Picture.de

Schlussendlich waren sich aber doch alle einig. „Es ist alles dabei: nervliche Anspannung, ein hohes Aggressionslevel, einfach das volle Programm“, so Hoffmann, der anschließend erklärte, wie es überhaupt zu diesem „Wahnsinn vom Schanzenpark“ kam: „Wir haben uns bei „Guiness World Records“ registriert und letztendlich geht es darum, dass sich zwei Teams auf einem Fußballplatz treffen – das machen wir übrigens jedes Wochenende – und gegeneinander spielen. In diesem Fall ist es nur etwas länger als normal. Wir hatten das Glück, dass uns ganz tolle Sponsoren in allen Belangen unterstützt haben.“ Neben den organisatorischen Dingen hatten alle Beteiligten mit weiteren widrigen Umständen zu kämpfen. „Die Hitze und die Kommunikationsprobleme waren echt hart. Die afrikanische Mentalität ist eine andere als die deutsche“, konstatierte der Kapitän der Hamburger, „aber dennoch war unser Schichtsystem, was wir aufgestellt haben, das bessere.“ Für seinen Trainer Ralph Hoffmann war „die größte Herausforderung, den Schlafmangel wegzustecken“, wie er sagt und ausführt: „Ich hab da eine ganz neue Erfahrung gemacht: es stimmt, dass man im Stehen einschlafen kann. Ich hatte das große Glück, als ich nach hinten fiel, dass ich den retten Schritt machen konnte und gerade noch wach geworden bin.“ Auch das Wetter machte den Akteuren auf dem Grün zu schaffen. „Wir hatten noch gar nicht richtig angefangen, da kam eine dicke Wolke und man steht auf einmal klatschnass da. Im nächsten Moment kommt der Wind und plötzlich ist es auf einmal wieder brütend heiß“, so Stiwitz.

Irgendjemand muss die unzähligen Schiedsrichterbögen ja auswerten... Foto: KBS-Picture.de

Mit den Einnahmen möchte der FC Hamburger Berg die Flüchtlingshilfe Hamburg unterstützen. „Wir werden davon neue Fußballschuhe und Bälle kaufen“, lässt uns der 42-jährige Hoffmann, der im richtigen Leben Webdesigner ist, wissen. „Die Integration durch den Sport funktioniert hervorragend. Da spricht man eine eigene Sprache und jeder hat seinen Spaß. Man hat an unserem Team gesehen, dass wir gut harmonieren.“ Seit Jahren ist der FC Hamburger Berg darauf erpicht, Flüchtlinge aus allen Herrenländern zu unterstützen und sie im Verein aufzunehmen. „Ich habe die ‚Tagesschau‘ geguckt und dort zahlreiche Leute ertrinken sehen. Sobald die Nachrichten vorbei sind, vergisst man es wieder. Aber eines Tages standen 30 Lampedusa-Flüchtlinge vor uns, die auch bis heute geblieben sind – und es werden immer mehr. Das war vor etwa zwei Jahren.“ Einen Punkt will Hoffmann in diesem Atemzug klarstellen: „Der FC Hamburger Berg ist kein Projekt, sondern ein ganz normaler Fußballverein! Ich käme nie auf die Idee, diesen Leuten abzusagen. Wir haben mehr Flüchtlinge als Deutsche in unserem Team, trotzdem sind wir ein ganz normaler Klub, der Leute unterstützt, die Unterstützung gebrauchen können.“

Der FC Hamburger Berg und der VfL Wallhalben teilen sich mit 111 Stunden den Weltrekord im Dauer-Fußball. Foto: KBS-Picture.de

Die insgesamt 36 Spieler beider Seiten (pro Team 18 Mann) durften das Sportgelände während der gesamten Zeit nicht verlassen. Zudem verlangten die Richtlinien, dass mindestens sieben Akteure pro Mannschaft auf dem Feld stehen. Noch ist der Weltrekord nicht offiziell, denn erst einmal müssen die Videoaufzeichnungen von „Guinness World Records“ ausgewertet und das erfolgreiche Unterfangen bestätigt werden. Doch sowohl beim Hamburger Berg als auch beim VfL Wallhalben spukte direkt nach Beendigung des „irrsinnigen Versuches“ bereits das nächste Projekt im Kopf herum. Stiwitz: „Vielleicht gehen wir im nächsten Jahr in München die 150 Stunden an. Mal schauen.“ Angesprochen auf dieses Vorhaben, entgegnete sein Gegenüber: „Dazu kann ich eine ganz klare Aussage treffen: noch einmal ergibt das für uns keinen Sinn! Wir werden auch einen neuen Weltrekord anstreben, aber einen anderen. Und zwar werden wir höchstwahrscheinlich einen Ball um ganz Deutschland rumdribbeln – über 3100 Kilometer sind da zu schlagen. Ich hätte auf so etwas Bock!“, hat Hoffmann den Blick bereits in die Ferne gerichtet. Doch erst einmal ist man stolz auf das Erreichte: „Es war eine schöne Idee, die sich nun als Weltrekord verewigt hat: ‚Triple One‘. Das sieht gut aus!“

Die große Bildershow vom Weltrekord: KBS-Picture.de!