Bezirksliga Süd

Als Frau in der Männerdomäne Fußball: „Vorurteile treffen mich nicht mehr persönlich“

17. Juli 2020, 11:00 Uhr

Indre Berendes hat beim SC Vier- und Marschlande II die Rolle als Co-Trainerin übernommen. Foto: Nele von Malottki

Wenn die Saison 2020/2021 startet, dann wird Indre Berendes beim SC Vier- und Marschlande II von der Ober- bis in die Bezirksliga herunter die einzige Frau im Hamburger Amateurfußball sein, die sich Co-Trainerin bei einer Herren-Mannschaft nennen darf. Ein Umstand, der nicht alltäglich ist. Außer Berendes fallen einem nur noch Nicole Rode als Co-Trainerin des HFC Falke II (Kreisliga) und Torwart-Trainerin Michaela Heise vom SSV Rantzau (Landesliga Hammonia) als im hiesigen Herren-Bereich tätige Frauen ein. Wir haben uns mit Indre Berendes über ihren Weg zum Fußball, den Schritt aus dem Jugend- in den Herren-Bereich, die Zusammenarbeit mit SCVM II-Trainer Olcay Günay, Vorurteile mancher Männer sowie die Aussichten für die SCVM-Reserve in der neuen Saison unterhalten und klären, die Frage, ob und wann der Hamburger Amateurfußball für eine Cheftrainerin bereit wäre... 

Indre, du hast 20 Jahre Ballett und zehn Jahre Leichtathletik hinter dir. Wie kommt man mit so einer Vorgeschichte ausgerechnet zum Fußball?

Indre Berendes: Ich habe früher auch selbst Fußball gespielt. Damals war der Frauen-Fußball allerdings noch nicht wirklich weit verbreitet. Meine Eltern, insbesondere meine Mutter, waren davon nicht so überzeugt. Irgendwann habe ich es dann wieder sein gelassen. Trotzdem war es weiterhin das Schönste für mich, an den Wochenenden die Bundesliga-Konferenz bei NDR 2 zu hören. Zu meiner Trainerrolle bin ich dadurch gekommen, dass mein Sohn in einer Mannschaft gespielt hat, bei der der Coach an einem Tag mal nicht zum Training kommen konnte, weil er verhindert war. Also haben sie jemanden gesucht, der das Training leitet. Ich hab dann gesagt, dass ich das für einen Tag ja mal machen kann. Und dann bin ich halt am Ball geblieben... 

In wie weit kann man aus dem Ballett und der Leichtathletik etwas für die Arbeit im Fußball mitnehmen?

Ehe sie Trainerin im Fußball wurde, war Indre Berendes im Ballett und in der Leichtathletik aktiv. Foto: Nele von Malottki

Berendes: Ich denke, dass man aus beiden Sportarten ganz viel mitnehmen kann. Ich glaube, Ballett ist der Sport, bei dem die größte Disziplin herrscht. Da kannst du nicht einfach aufhören, wenn du eine Blase am Fuß hast – da muss schon das Blut aus den Ballettschuhen quellen, ehe Schluss ist. Und wer da damals nicht pünktlich war, der ist rausgeflogen. Es gibt aber noch mehr Parallelen. Egal, ob beim Ballett der Vorhang aufgeht oder beim Fußball der Anpfiff ertönt: Du musst als Team funktionieren und den großen Überblick haben – egal, ob auf dem Platz oder der Bühne. Man muss gucken, was um einen herum passiert. Wer nicht aufpasst, fällt auf. Aus der Leichtathletik, wo  Hochsprung und Sprint  meine Disziplinen waren, kann man zum Beispiel die Schnellkraft mitnehmen. Ingesamt sind es eher die Methoden, die man mitnimmt. Und, dass du als Mannschaft zu Wettkämpfen fährst, bei denen du auf den Punkt funktionieren musst. 

Von 2016 bis 2018 hast du beim SCVM eine Jugendtruppe als Co-Trainerin betreut, seit 2018 warst du deren Trainerin. Jetzt geht's in den Herrenbereich. Wie fühlt sich dieser Schritt an?

Berendes: Ich habe mir den Schritt schwieriger vorgestellt, irgendwie größer oder gigantischer. Ich dachte: Es wird alles anders. Aber letztlich ist der Unterschied oder der Schritt zu den Herren gar nicht so groß. Die Männer sind auch Jungs, nur eben größere. Was natürlich anders ist, sind die Trainingsmethoden. Du machst im Training keine Fangspiele wie in der Jugend. Rückblickend kann ich sagen: Insgesamt war ich vor diesem Schritt aufgeregter, als ich es eigentlich hätte sein müssen.

Wie kam es eigentlich dazu, dass Olcay Günay dich als Co-Trainerin an seiner Seite haben wollte?

Berendes: Er kannte mich anfangs nicht. Ich kannte ihm vom Sehen, weil ich beim SCVM einige der Spiele gesehen habe. Olcay und ich waren allerdings schon mal bei einer Trainingseinheit gemeinsam dabei, ehe ich Co-Trainerin geworden bin – das war eine Einheit mit den „SKILLSHIRTZ“ von Loic Favé vom ETV. Eigentlich ist Bernd Helbing-Saß, der beim SCVM Co-Trainer in der „Ersten“ ist, dafür verantwortlich, dass ich Olcay jetzt bei der „Zweiten“ als Co-Trainerin unterstütze. Er hat mir damals erzählt, dass die „Zweite“ einen neuen Co-Trainer sucht, weil sich der bisherige Amtsinhaber Oliver Albers aus privaten Gründen zurückziehen wollte. Bernd hat dann mal bei Olcay nachgefragt, ob ich mal vorbekommen dürfte. Wir haben uns dann getroffen und am Ende stand die Entscheidung, dass ich seine Co-Trainerin werde. 

Einige gemeinsame Einheiten habt ihr bereits hinter euch. Wie schätzt du die Zusammenarbeit mit ihm bislang ein?

Die Zusammenarbeit mit Trainer Olcay Günay (re.) macht Spaß und verläuft auf Augenhöhe, freut sich Indre Berendes. Foto:privat

Berendes: Ich empfinde die Zusammenarbeit bisher als sehr angenehm. Es ist nicht so, dass ich als Co-Trainerin bei Olcay nur die typische Hütchen-Aufstellerin bin. Wir bespechen uns viel, ich sage ihm, was ich wie vorhabe. Im Moment teilen wir uns die Mannschaft, weil wir wegen Corona ja noch gar nicht als große, komplette Truppe zusammen trainieren dürfen. Wir arbeiten geichwertig und auf Augenhöhe, der Umgang untereinander ist sehr respektvoll. Es macht viel Spaß, ich kann viel von ihm mitnehmen. 

An welchen Stellen hast du es im Trainer-Dasein als Frau einfacher als Männer? Und wo, glaubst du, ist es für eine Frau schwieriger?

Berendes: Ich glaube, dass Jungs oder Männer bei einer Frau anders reagieren – das kann Vorteile haben. Ich bin ja auch als Schiedsrichterin tätig. Da habe ich mal als Assstentin in der Bezirksliga an der Linie gestanden, als ein Spieler im Vorbeilaufen auf den Boden gerotzt hat. So wie die Jungs das eben machen... Der Spieler hat sich allerdings sofort umgedreht und in meine Richtung gesagt: „Oh Gott, Entschuldigung, das musste so nicht sein“. Frauen wirken deeskalierend – das habe ich auch als Trainerin an der Seitenlinie schon erlebt. Da ist die Ausdrucksweise der Männer schon anders, als wenn sie unter sich wären. Der Nachteil ist natürlich der, dass ich es als Frau gewagt habe, sozusagen die „heilige Kuh Männer-Fußball“ zu betreten. Das finden nicht alle Männer gut. Man wird von manchen als Trainerin schon argwöhnisch betrachtet. Es gab zum Beispiel in der Jugend ein Spiel, wo der Trainer des Gegners bei der Suche nach unserem Trainer an mir vorbeigelaufen ist, obwohl auf meinen Sportklamotten die Aufschrift„Trainer“ stand. Er hat dann lieber mit dem Vater eines Spielers Details wie den Anstoß oder wer welche Kabine bekommt, besprochen. Als Frau erfordert das Trainerdasein nochmal eine Extra Portion mehr Ehrgeiz, man braucht noch mehr Ausdauer und sollte sein eigenes Licht – wozu Frauen ja manchmal neigen – nicht unter den Scheffel stellen. 


Auf der zweiten Seite spricht Indre Berendes über Vorurteile gegenüber Frauen im Männer-Fußball, das Gesicht des SCVM II-Kaders, die Ziele in der neuen Saison, die Trainerinnen Imke Wübbenhorst und Inka Grings und verrät uns, wann ihrer Meinung nach der Hamburger Amateurfußball reif für eine Chef-Trainerin ist. 

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