Oberliga 01

Ausgerechnet ein Ex-Dassendorfer: Lohbrügger "Not-Elf" luchst den "Übermächtigen" die ersten Punkte ab!

24. Oktober 2021, 15:46 Uhr

Bezeichnend für den Lohbrügger Auftritt: Stjepan Brkic (li.) - hier gegen Rinik Carolus - spielte mit kaputter Schulter 90 Minuten durch. Foto: Bode

Als Jean-Pierre Richter sein fünfjähriges Patenkind fragte, was denn das Beste am Spiel gewesen sei, fiel die unmissverständliche Antwort klar und deutlich aus: „Die Frikadellen mit Ketchup“, zauberte die Kleine dem Erfolgscoach der TuS Dassendorf zumindest ein kleines Lächeln ins Gesicht. „Manchmal möchte man einfach nur Kind sein“, schmunzelte „JPR“, dem eigentlich gar nicht zum Lachen zumute war. „Es war heute zu einfach, uns Punkte zu nehmen. Das muss man einfach so sagen – und es hat sich leider Gottes in den letzten Wochen schon angedeutet“, resümierte ein enttäuschter Richter. „Das sollte ein kleiner Warnschuss gewesen sein, dass das nicht reicht, um Spiele in der Oberliga zu gewinnen.“

Ersetzte die etatmäßige Nummer eins mit Bravour: Jungspund Arne Hantusch bekam im Lohbrügger Gehäuse kaum etwas zu tun. Foto: Bode

„Die Vorzeichen waren nicht so gut“, stapelte Elvis Nikolic fast noch ein wenig tief. Denn am Vormittag bekam der Coach des VfL Lohbrügge, der ein Gespann mit Sven Schneppel bildet, einen Anruf von seinem Torsteher Tobias Braun. Grund: Am Donnerstag im Training erlitt der Keeper eine Gehirnerschütterung und gesellte sich zum ohnehin schon großen Lazarett dazu. Und so mussten die Mannen vom Binnenfeldredder auf dem Kunstrasenplatz, dort musste gespielt werden, da der Rasenmäher ausfiel, mit Arne Hantusch auf einen in der letzten Saison noch A-Jugendlichen zwischen den Pfosten zurückgreifen. Und um es vorweg zu nehmen: Hantusch machte seine Sache richtig gut, musste nur einmal hinter sich greifen – und das erst in der 88. Spielminute, als Sven Möller die bis dato verlustpunktfreien „Wendelwegler“ zumindest vor einer Niederlage bewahrte.

Dassendorf von Ex-Spieler für "mangelndes Abwehrverhalten bestraft"

Im Duell: Robert Pallasch (re.) ist Zhi-Gin Lam auf den Fersen. Foto: Bode

Aber der Reihe nach. „Lohbrügge war sehr leidenschaftlich und engagiert gegen den Ball, zielstrebig und schnell im Umschalten nach Ballgewinnen“, fand selbst Richter überaus anerkennende Worte für den Kontrahenten. „Das war eine gute Mischung, die sie auf den Platz gelegt haben. Damit hatten wir Probleme.“ So große Schwierigkeiten, dass die Hausherren sogar in Führung gingen. Nach einem Zweikampf zwischen Lennard Sowah und Anto Zivkovic marschierte ausgerechnet der Ex-Dassendorfer Martin Schauer fast von der Mittellinie blank auf Christian Gruhne zu – und überwand den Schlussmann der TuS. "Da wurden wir für das mangelnde Abwehrverhalten bestraft", musste Richter feststellen.

"Das war nicht gut von uns und der Gegner hat sich das verdient"

Ganz eng dran am Mann: Marvin Karow (li.) steht Sven Möller fast auf den Füßen. Foto: Bode

Generell habe seine Elf „in der ersten Halbzeit ein inkonsequentes Nachschieben“ an den Tag gelegt und war „schlecht im Anlaufen und im Pressen. Wir haben einfach zu wenig kreative Lösungen gefunden und zu wenig Eins-gegen-Eins-Duelle gewonnen – vor allem offensiv“, hatte Richter eine lange Mängelliste. Obwohl der krasse Underdog arg gebeutelt war, hatte er deutlich mehr entgegenzusetzen. Dassendorf kam nur zu einer echten Chance, als Martin Harnik den Ball freistehend zwar an Hantusch, aber auch am Gehäuse vorbei chippte. „Unterm Strich muss man sagen, dass das nicht gut von uns war und der Gegner sich das aufgrund der Umschaltmomente verdient hat“, gestand „Jonny“ offen-ehrlich.

Jeriomenko fliegt, Möller mit "Schadensbegrenzung"

Schiri Gerrit Breetholt (Mi.) zeigt Sergej Jeriomenko die Rote Karte. Kerim Carolus (re.) ist außer sich und muss von Sven Möller zurückgehalten werden. Foto: Bode

Eine Umstellung zur zweiten Halbzeit sorgte dann dafür, dass man „etwas zwingender“ wurde. Oder wie es Nikolic formulierte: „Da hat sich der Druck natürlich verstärkt, weil Dassendorf eine überragende Truppe hat. Das muss ich ja nicht nochmal explizit erwähnen.“ Nichtsdestotrotz: Jung-Keeper Hantusch musste sich weiterhin kaum auszeichnen – bis kurz vor Ultimo. Dann nämlich legte Harnik einen langen Ball von Maximilian Ahlschwede per Kopf für Möller ab. Dieser nagelte die Pille aus 18 Metern in den rechten Knick (88.)! Allerdings agierten die Hausherren zu jenem Zeitpunkt auch schon längst in Unterzahl, nachdem Sergej Jeriomenko ein überhartes Einsteigen gegen Henrik Dettmann auspackte und den roten Karton sah (75.).

"Befinden uns in einem kleinen Leistungsvakuum"

Der späte Ausgleich: Sven Möller dreht nach seinem Traumtor jubelnd ab. Foto: Bode

Wenngleich Dassendorf nun auf den Siegtreffer drängte, fallen sollte dieser nicht mehr. „Es wirkte phasenweise unbeholfen. Wir haben gewisse Tugenden einfach vermissen lassen, um dem Gegner den Schneid abzukaufen. Und dann hat uns auch das Spielglück ein Stück weit im Stich gelassen“, resümierte Richter, der sogar von „einer Niederlage, die wir uns definitiv selbst auf die Fahne zu schreiben haben“, sprach. Denn: „Wir haben über 90 Minuten definitiv zu wenig Bereitschaft gezeigt, waren zu unsauber und haben den Matchplan nicht gezielt umgesetzt.“

Momentan befinde man sich „in so einem kleinen Leistungsvakuum“, gab Richter zu. „Uns fehlen so ein bisschen die Glanzmomente.“ Aber auch, „dass wir an einer Strippe ziehen, was Lösungen im Spiel nach vorne angeht, und uns für den Mitspieler in bessere Räume begeben und dabei helfen, diese auf mögliche Ballverluste besser vorzubereiten.“

"Das hat scheinbar unglaublich viel Energie geschaffen"

Frust auf der einen, Erleichterung und Freude auf der anderen Seite: „Wir hatten zwei A-Jugendliche in der Startelf und auch nur einen fitten Ligaspieler auf der Bank. Aber das hat scheinbar unglaublich viel Energie geschaffen in der Mannschaft. Wir haben leidenschaftlich verteidigt und insbesondere in der ersten Halbzeit einige interessante Konter gefahren.“ Und am Ende des Tages „sollte es einfach so sein – und wir haben es uns redlich verdient“, zeigte sich Nikolic hochzufrieden. „Auch wenn es die letzten Wochen von den Ergebnissen her nicht so lief, haben wir immer gesagt, dass wir einen ganz tollen Charakter in der Mannschaft haben, einen super Zusammenhalt – und eben, dass wir darüber noch viele Punkte holen werden.“

"Überlegen, ob wir nach dem Cordi-Spiel wieder einen Mannschaftsabend machen"

Tim Santelmann (li.), Jonas Holz (Mi.) und Robert Pallasch feiern den Punktgewinn nach Schlusspfiff wie einen Sieg. Foto: Bode

Bezeichnend für den Lohbrügger Auftritt: Stjepan Brkic verletzte sich bereits während der ersten Halbzeit an der Schulter, spielte aber durch. „Nach dem Spiel musste er direkt ins Krankenhaus. Das war sinnbildlich für die Leidenschaft, die die Mannschaft an den Tag gelegt hat. Wir haben alles reingeworfen“, hob Nikolic die Einstellung seiner Schützlinge hervor. Doch der Punktgewinn war erst der Anfang. Der VfL ist das erste Team, das Dassendorf in dieser Saison einen Zähler abknüpfen konnte – und feierte dies gebührend beim anschließenden Mannschaftsabend. „Das hat die Situation natürlich versüßt. Jetzt überlegen wir, ob wir nach dem Spiel gegen Cordi nicht wieder einen Mannschaftsabend machen“, witzelte Nikolic abschließend.

Autor: Dennis Kormanjos