Oberliga

Comeback-Kid Krohn: All in or nothing!

19. August 2022, 14:00 Uhr

Ausgerechnet im Heimspiel gegen Serienmeister Dassendorf feierte Jo Krohn (3. v. li.) seine Pflichtspiel-Heim-Premiere nach drei Jahren beim ETV. Foto: Fishing4

06. November 2015: Gerade erst von einem Kreuzbandriss genesen, hütet Jo-Daniel Krohn das Tor des TSV Sasel im Auswärtsspiel beim Hamburger SV III (6:0). Die „Parkwegler“ liefern ein echtes Spektakel ab – und Krohn hält die Null. Als aber noch gut 25 Minuten zu gehen waren, huschte ein Freistoß in seinen Strafraum. „Zu dieser Zeit sind in der Bundesliga regelmäßig Tore gefallen, wo der Ball einmal aufgetitscht und ins lange Eck reingefallen ist“, erinnert sich Krohn. Also sagte er sich: Volles Risiko – und die Hereingabe aus der Gefahrenzone befördern. Problem: „Da sind zehn Leute, die dir nichts Gutes wollen.“ Gegner, die das Runde mit aller Macht im Eckigen unterbringen möchten.

Jo Krohn (Mi.) in seinem ersten Pflichtspiel für den ETV in der letzten Partie der Saison 2021/22 in Ahrensburg. Foto: Ulrich Ladendorf/ETV

Und so kam es, wie es kommen musste: Krohn eilte aus seinem Kasten und prallte Knie an Knie mit einem Gegenspieler. Nach langer Leidenszeit endlich wieder zwischen den Pfosten – und dann das. Aber Krohn biss auf die Zähne. „Ich habe mir gesagt: Nach der langen Verletzungspause erlebe ich auf jeden Fall den Abpfiff mit.“ Und in der Tat. Der 31-Jährige stand bis zum Schlusspfiff, noch rund 25 Minuten, auf dem Grün.

Die Diagnose im Nachhinein: Eine Fraktur im Oberschenkel. „Für mich war das die pure Erleichterung‚ dass es ‚nur‘ fünf Wochen Pause waren“, blickt Krohn auf seine erlittene Verletzung zurück. Und dennoch hat er einen schier unglaublichen Leidensweg hinter sich. Insgesamt zwei Kreuzbandrisse, die bereits angesprochene Fraktur, eine OP an der Schulter, ein Bänderriss sowie einige weitere „kleinere Sachen“, wie er heute sagt.

"Ein unfassbar gutes Gefühl, das kaum in Worte zu fassen ist"

Im Nachwuchs des ETV ist Jo Krohn zudem als Torwart- und Athletiktrainer tätig. Foto: Heiden

Am 05. August 2022 feierte Jo Krohn schließlich sein „ganz persönliches Ausrufezeichen“. Obwohl er inzwischen und nun schon seit mittlerweile drei Jahren beim Eimsbütteler TV aktiv ist, feierte Krohn ausgerechnet gegen den Hamburger Serienmeister aus Dassendorf seine Pflichtspiel-Heimpremiere für die Mannen vom „Loki“. Zuvor stand der Linksfuß - auch bedingt durch die mehrmonatige Corona-Saisonunterbrechung - lediglich einmal im abschließenden Saisonspiel der Vorsaison beim Ahrensburger TSV in einer Pflichtpartie für den ETV im Gehäuse. „Nach den ganzen einschneidenden Erlebnissen war das für mich natürlich ein unfassbar gutes Gefühl, das man kaum in Worten beschreiben kann.“

"Da habe ich das erste Mal darüber nachgedacht"

Mit der U16 vom ETV feierte Krohn die Meisterschaft. Foto: Heiden

Nicht nur, dass Krohn endlich wieder seiner großen Leidenschaft nachgehen durfte. Am Ende stand auch noch ein 3:0-Triumph gegen Harnik und Co. auf der Anzeigentafel. „Nach all der Zeit, die man investiert hat, und den Fragen, ob sich das lohnt oder nicht, war der Gedanke, so auf keinen Fall aufzuhören, immer da.“ Zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, als sich der „Blondschopf“ eine Woche vor Beginn der Spielzeit 2021/22 einen Bänderriss im Training zuzog. „Da habe ich dann in der Tat das erste Mal wirklich darüber nachgedacht“, gesteht er. „Ich habe die gesamte Vorbereitung hart gearbeitet.“ Bis zur nächsten Hiobsbotschaft. Doch „Comeback-Kid“ Krohn wäre eben kein „Comeback-Kid“, wenn er nicht erneut eisern um eine Rückkehr gekämpft hätte. 

"Habe eine tiefe Sehnsucht empfunden, das wieder zu spüren"

Krohn (re.) in einem Testspiel des ETV gegen HT 16. Archivfoto: Nicky Bude

Aber was genau hat ihn im Endeffekt dazu bewogen, die Flinte nicht endgültig ins Korn zu werfen? „Mir ist schon klar, dass wir über Amateursport reden. Aber für mich gibt es kein Aufgeben, das ist in mir drin. Zumal wir beim ETV ein super spannendes Projekt haben und ich ein Teil davon sein wollte.“ Hinzu kommen die Liebe und Hingabe zum Sport und zum Fußball, wie Krohn betont. „Ich liebe einfach jeden Teilaspekt daran, im Verein Fußball zu spielen. Es gibt nichts, was mir dasselbe gibt, wie der Fußball“, habe er „eine tiefe Sehnsucht empfunden“, genau das wieder zu spüren. Nach all der Zeit, in der er auf sportlicher Ebene „Dreck fressen musste“.

Auch der brennende Ehrgeiz und all die Zweifler und Skeptiker hätten ihn noch stärker gemacht. „Es hat mir extrem geholfen, dass Leute gesagt haben: ‚Das war‘s jetzt.‘ Ich kann mich noch genau daran erinnern. Beim ersten Kreuzbandriss kamen viele zu mir und meinten, dass ich von der Einstellung und Mentalität genau der richtige bin, um das wegzustecken und gestärkt daraus hervorzugehen. Nach dem zweiten Riss war es dann aber schon so, dass es vermehrt Zweifler gab. Aber die Leute kennen mich nicht.“ Krohn wollte sich „nicht von außen diktieren lassen, ob ich zurückkomme oder nicht“. Dennoch: „Bei all den Leuten, die an mir gezweifelt haben, ist wichtig, dass die entscheidenden Leute an mich geglaubt haben. Und ohne diese Personen, meine Physio und die Ärzte wäre ich nie zurückgekommen.“

"Das war nie mein Ziel, ich hatte keine andere Wahl"

Die letzten Jahre waren bei Krohn von vielen Rückschlägen geprägt. Nun will er wieder durchstarten. Archivfoto: Nicky Bude

Ihm sei stets bewusst gewesen, dass es „Trainer und Spieler gibt, die auf mich warten“. Und ein Teil seiner Verletzungen sei wohlmöglich auch seiner Einstellung entsprungen, fügt Krohn lachend an. „Im Fußball mag so was eher außergewöhnlich sein, im Bull Riding ist das vollkommen normal“, scherzt er. Was viele aber nicht sehen: „Die meiste Arbeit findet allein und hinter verschlossenen Türen statt.“ Dort schuftete Krohn gewissenhaft am Wiedereinstieg und ließ sich ausreichend Zeit. Arbeit, die ihn dorthin zurückgebracht hat, wo er hingehört: ins Tor. „Im Laufe der Zeit habe ich durchaus schon häufiger von einigen Personen gehört, dass sie das ein Stück weit bewundern und auch als Vorbild nehmen“, sagt Krohn, angesprochen auf seine Comeback-Mentalität. „Aber das war mit Sicherheit nie mein Ziel, ich hatte einfach keine andere Wahl.“

"Wäre ich jemals mit Angst behaftet gewesen, hätte ich niemals wieder Fußball spielen können"

Gegen Dassendorf bekam Krohn (2. v. li.) das Vertrauen von ETV-Trainer Khalid Atamimi geschenkt - und hielt die Null fest. Foto: Fishing4

Und wie schafft man es, nach so vielen Verletzungen und Rückschlägen den Kopf auszuschalten, wenn es zurück auf den Platz geht? „Das ist extrem typabhängig“, entgegnet der Mann mit der Rückennummer 41. Fakt sei aber: „Wenn ich jemals mit Angst behaftet gewesen wäre, hätte ich niemals wieder Fußball spielen können.“ Er sei „topfit und komplett schmerzfrei“ – und möchte wieder voll angreifen. Als einer von drei Keepern beim ETV weiß Krohn mit all seiner Erfahrung, worauf es ankommt. „Alle Torhüter sind wirklich sehr gut und bringen ihre Stärken mit. Der Ehrgeiz ist nach wie vor groß, aber ich habe in der Zeit auch eine gewisse Gelassenheit entwickelt. Dennoch möchte ich natürlich unbedingt auf dem Platz stehen!“

"Für mich ist jedes Training ein Feiertag"

Auch als TW-Trainer im Nachwuchs feierte Krohn (li.) schon den einen oder anderen Erfolg. In ähnlicher Funktion könnte er sich vorstellen, auch nach dem Karriereende tätig zu sein. Foto: Heiden

Nicht nur deshalb, weil Krohn weiß, dass die sportliche Laufbahn begrenzt ist. „Es werden bestimmt nicht mehr allzu viele Saisons werden“, macht er keinen Hehl daraus, dass „der Kraftaufwand enorm“ sei, „um immer wieder zurückzukommen. Für mich ist jedes Training ein Feiertag.“ Und vielleicht führt ihn die Zukunft auch gänzlich in die Trainerschiene. Schon in Sasel war er an der Seite von Klaus Thomforde in der Jugend als Co-Trainer tätig, später dann auch beim ETV als Torwart- und Athletik-Trainer. „Auf diesem Wege könnte ich meiner Leidenschaft verbunden bleiben.“ Und vor allem: Ein echtes Vorbild sein!

Autor: Dennis Kormanjos