LOTTO-Pokal-Achtelfinale

„Dasse“ vom Punkt wie einst der FC Bayern: AFC kommt dank „Freddy“ und Fortuna weiter

20. April 2022, 23:10 Uhr

Komm her, lass' dich umarmen: AFC-Torhüter Frederick Lorenzen (Zweiter v. li.) wird von seinen Teamkollegen gefeiert. Foto: Bode

Zweimal hätte es eigentlich schon stattfinden sollen, zweimal fand es allerdings nicht statt. Aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei – und so stieg das LOTTO-Pokal-Achtelfinale zwischen der TuS Dassendorf und Altona 93 diesmal tatsächlich (hier gibt’s die Highlights im LIVE-Ticker zum Nachlesen). Doch davon, dass dieses dritte Ding nun gut war, wollte anschließend am Wendelweg zumindest eine Seite nichts mehr wissen: die TuS Dassendorf. Der Oberliga-Serienmeister hat die Chance auf den Pokalsieg in dieser Saison aus der Hand gegeben und unterlag dem AFC vor 527 Zuschauern mit 5:6 nach Elfmeterschießen...

Urplötzlich waren sie alle im Netz. Nein, nicht die Bälle. Die Rede ist von den Spielern, Betreuern und Trainern des Altonaer Fußball-Club von 1893. Gerade eben hatte Frederick Lorenzen als Torhüter des Nord-Regionalligisten im Elfmeterschießen den finalen Schuss des Dassendorfers Amando Aust abgewehrt, da stürmte alles, was an diesem Abend die Farben des AFC trug, auf den „Goalie“ zu. Seine Mitspieler, Fans, Trainer, Offizielle – sie alle fielen Frederick Lorenzen um den Hals und Zentimeter um Zentimeter wurde die Jubeltraube immer größer. Und: sie wurde Stück für Stück hinter die Torlinie des Tores gedrückt, auf dass zuvor die Elfmeterschützen gezielt hatten.

AFC-Co-Trainer Phlipp Körner: „Wahnsinn!Das sind Glücksgefühle – wir sind super happy“

Wo Sieger sind, sind auch Verlierer: Dassendorfs Fehlschütze Amando Aust (Mitte) wird von seinen Mitspielern getröstet. Foto: Bode

„Wahnsinn! Das sind Glücksgefühle“, sprudelte es Minuten später, als sich die Szenerie dann doch etwas beruhigt hatte, aus Philipp Körner heraus. Der Co-Trainer des AFC vertrat an diesem Abend am Wendelweg gemeinsam mit seinem Co-Trainerkollegen André Trulsen den wegen einer Corona-Infektion verhinderten Altonaer Coach Andreas Bergmann. „Wir sind super happy damit, dass wir jetzt eine Runde weiter sind. Die Jungs haben sich das echt verdient – viele sehen ja gar nicht, wie sie sich die Woche über reinhängen. Wir ackern die ganze Woche über wie verrückt, jetzt haben wir das Erfolgserlebnis“, freute sich der AFC-„Aushilfs-Cheftrainer“ über den Sieg, der am Ende ganz viel mit Glück zu tun hatte, aber aufgrund der regulären Spielzeit nicht unverdient für den AFC war.

Dabei hatte es zunächst gar nicht danach ausgesehen, dass es der Regionalligist aus Altona sein sollte, der am Ende das Feld als Sieger verlassen würde und zum letzten noch ausstehenden Teilnehmer des Viertelfinales im LOTTO-Pokal werden würde, in dem der AFC jetzt auf den VfL Lohbrügge treffen wird. Denn den besseren Auftakt – zumindest, was das Zählbare angeht – hatten die Gastgeber um Trainer Jean-Pierre Richter. Gerade einmal 13 Umdrehungen hatte der Zeiger hinter sich gebracht, als die Chronisten des Spiels den ersten Einschlag des Abends notieren konnten. Und was für einen: Len Aike Strömer legte für Martin Harnik auf und der Ex-Profi bewies einmal mehr seine Klasse, als er den Ball mit dem Außenrist ins linke obere Eck des AFC-Tore schlenzte. Der spätere Pokalheld Frederick Lorenzen konnte diesen Augenschmaus nicht verhindern.

Nach Martin Harniks Führung trifft Ole Wohlers zum Ausgleich per Strafstoß für den AFC

Achtung, AFC-Akteur im Anflug: Hendrik Bombeck (rechts), der später im Elfmeterschießen traf, attackiert Martin Harnik. Foto: Bode

In der Folgezeit machte Altona mehr fürs Spiel als Dassendorf. Die Sache hatte nur einen einzigen, aber entscheidenden Haken: Der AFC belohnte sich nicht dafür. So blieb das Achtelfinal-Match auch weiterhin spannend. Und es sollte noch enger werden. Bis in den zweiten Durchgang hinein traf keines der beiden Teams mehr – doch eine Viertelstunde vor dem Abpfiff sollte sich das ändern: Nach einem Zweikampf mit Lennard Sowah ging Ole Wohlers im Dassendorfer „Sechzehner“ zu Boden und Schiri Lasse Holst (FC Türkiye) zeigte ohne zu zögern auf den Elfmeterpunkt. Wohlers schnappte sich selbst den Ball und bezwang TuS-Torsteher Christian Gruhne – 1:1. Besonders bitter für die Hausherren: Kurz zuvor hatte Mattia Maggio auf der anderen Seite das 2:0 auf dem Fuß, vergab allerdings den „Matchball“, wie TuS-Trainer Jean-Pierre Richter die Szene später beschreiben sollte. Und dieses Pech bei den „Matchbällen“ klebte den Dassendorfern dann auch im absolut ungünstigsten Moment an den Füßen: im Elfmeterschießen, in dem ausgerechnet erfahrenen Kickern wie Maximilian Ahlschwede, Mattia Maggio, Lennard Sowah und Amando Aust die Nerven versagten. Der AFC machte es besser. Hier vergaben nur Emre Cem Töremis, Marcel Lück und Eudel Monteiro.

Die Quintessenz neben dem Weiterkommen des AFC? „Meine Stimme ist fast weg“, konstatierte AFC-Co-Trainer Philipp Körner, brachte dann aber dennoch genügend Töne zustande, um zu resümieren: „Das war sehr nervenaufreibend. Ich habe die letzten zehn Minuten nur geschrien. Dieses erhoffte Erfolgslerlebnis kann viele Kräfte freisetzen. Er und seine Elf seien jetzt „glücklich“ und würden erstmal „genießen“, so Körner, der auf eine Szene nochmal gesondert zu sprechen kam: ein vermeintliches Handspiel von Töremis (80.), bei dem Referee Holst der TuS einen „Elfer“ verwehrte: „Das war eine 50:50-Entscheidung. Den kann man geben, muss man aber nicht. Zum Glück hat er Schiri nicht gepfiffen.“ Und so konnte seine Equipe, die eine „gute Spielanlage hat“ sich aber „zu selten belohnt“, am Ende jubeln: „Defensiv waren wir stabil, haben nur wenig zugelassen. Auch nach dem Rückstand haben wir an und geglaubt und freuen uns jetzt auf die nächste Runde“, so Körner.

TuS-Trainer Jean-Pierre Richter ärgert sich: „Wir haben die Matchbälle nicht genutzt“

Flieg, Freddy – flieg: Altonas Schlussmann Frederick Lorenzen pariert einen der Dassendorfer Versuche im Elfmeterschießen. Foto: Bode

Die Gefühlsregungen bei Jean-Pierre Richter waren da ganz anderer Natur. „Altona hatte die besseren Nerven. Aber wir hatten die Matchbälle – und die muss man verwerten“, ärgerte sich „Jonny“ nach dem Match, bei dem auf Dassendorfer Seite wie einst beim FC Bayern im berühmten Champions League-Finale „dahoam“ ausgerechnet gestandenen Spielern im Elfmeterschießen die Nerven versagten und gefühlt auch keiner aus der Truppe bei eben jenem Elfmeterschießen die „Eier“ hatte, mit richtiger Überzeugung zum Punkt zu schreiten und alles klar zu machen. Nicht wenige fühlten sich in diesen Momenten an Bayern-Stars wie Ivica Olic, Bastian Schweinsteiger (verschossen damals), Arjen Robben und Toni Kroos (traten beide nicht zun Elfer an) erinnert.

„Uns hat im Elfmeterschießen der Mut und die Überzeugung gefehlt. Chris Gruhne hat uns wieder ins Rennen geholt, aber wir haben die Matchbälle nicht genutzt. Wir sind – bildlich gesprochen – zweimal gestolpert. Das tut richtig weh“, konstatierte Richter. „Es war ein intensives und hartes Spiel, wenig Fußball. Altona hat es in der ersten Halbzeit gut gemacht, trotzdem gehen wir nach einem tollen Moment in Führung. Nach der Pause fehlte uns die Kraft und die Zielstrebigkeit. Man hat gemerkt, dass uns die Spielpraxis fehlt und wir durch Corona-Ausfälle teilweise gar nicht richtig trainieren konnten. Der Elfmeter gegen uns war hart, noch mehr schmerzt es natürlich, dass wir den klaren Handelfmeter nicht bekommen. Trotzdem hätten wir ins Viertelfinale kommen können. Wir trauern so einigen Situationen hinterher, vor allem in der Schlussphase hatten wir gute Chancen“, so Richter.

Das Elfmeterschießen in voller Länge

Autor: Jan Knötzsch