Oberliga

„Der Kreuzbandriss war ein dickes Ding – nach der Operation merkst du erst, wie kacke das wirklich ist“

10. März 2020, 14:31 Uhr

Nach 371 Tagen Zwangspause stand Nil von Appen am vergangenen Freitag erstmals wieder in einem Spiel auf dem Platz. Foto: Bode

Er ist zurück auf dem Fußballplatz: 371 Tage, nachdem sich Nil von Appen in der vergangenen Saison im Oberliga-Spiel des SC Victoria gegen Concordia das Kreuzband riss, feierte er am vergangenen Freitag sein Comeback. Und wie: Seinen 45-minütigen Einsatz in der Zweitvertretung des SCV in der Bezirksliga gegen den Hoisbütteler Sv krönte er mit einem Treffer aus 25 Metern in der Schlussminute zum 2:0-Sieg des SCV II. Wir haben uns mit dem 30-Jährigen über seine Rückkehr aufs Feld, den sehenswerten Treffer, den Moment der Verletzung, die anschließende lange Pause und seine Ziele für die Zukunft unterhalten.

Nil, wie geht’s dem Knie nach dem ersten Einsatz am zurückliegenden Wochenende?

Nil von Appen: Dem geht’s gut. Ich bin seit Anfang Januar wieder im Mannschaftstraining – das war unser aller Ziel im Sinne einer schrittweisen Heranführung. So eine Rückkehr geht nicht gleich von Null auf Hundert. Da muss man langsam wieder herangeführt werden. Das klappt ganz gut. Die Operation im UKE (Universitätsklinikum Eppendorf, Anm. d. Red.) bei Dr. Krause ist damals richtig gut verlaufen muss man rückblickend sagen. Das einzige Problem, das ich hatte ist, dass sich meine Muskulatur erst wieder an die Belastungssteuerung gewöhnen muss. Du kannst noch so oft ins Fitnessstudio gehen und etwas für die Muskulatur tun, die fußballspezifische Belastung für die Muskeln ist nochmal was anderes.

Am vergangenen Freitag hast du deine ersten 45 Minuten in einem Spiel seit dem Kreuzbandriss am 1. März 2019 absolviert. Wie war das Gefühl, endlich wieder auf dem Platz zu stehen?

Von Appen: Überragend! Das war vergleichbar mit dem ersten Traning, bei dem ich nach der Verletzung endlich wieder auf dem Platz stehen konnte und durfte. Wir haben ja auf Kunstrasen gespielt, aber sonst hätte ich jetzt gesagt: Man freut sich, den Rasen wieder zu riechen. Es ist irgendwie schon nochmal ein Unterschied, ob du trainierst oder spielst. Ich hatte das Ziel, wieder im Wettkampf auflaufen zu können – und auch, wenn es nur in der Bezirksliga war: Es war richtig geil!

Stichwort geil: Du hast dein Comeback dann gleich auch noch mit einem Traumtor gekrönt. Wie hast du diesen Moment erlebt?

Dass er sich am 1. März 2019 beim Spiel des SC Victoria gegen Cordi das Kreuzband riss, merkte von Appen (li., hier im Spiel gegen Rugenbergen) zunächst gar nicht. Foto: KBS-Picture.de

Von Appen: Ich bin zur Halbzeit ins Spiel gekommen. Es war vorher mit David Eybächer (neben Michel Massing einer der Trainer des SC Victoria II, Anm. d. Red.) so abgesprochen, dass ich keine kompletten 90, sondern nur 45 Minuten spiele. Als ich reinkam, stand es 1:0 für uns. Die Jungs haben das in der ersten Hälfte richtig gut gemacht, in der zweiten kam Hoisbüttel dann, hat ein wenig Druck gemacht und wollte nochmal am Sieg schnuppern. In der Szene, die zum Tor führte, habe ich gemerkt, dass ich keinen Druck vom Gegner hatte. Das war eine Situation, in der wir Vier gegen Vier oder Drei gegen Drei waren. Ich hätte abspielen können, habe dann aber gesehen, dass der Torhüter sehr weit vor seinem Tor steht und habe es mit einem Heber aus 25 Metern probiert. Der ist reingegangen. Ich hatte mir schon beim Warmmachen in der Halbzeitpause vorgenommen, dass ich, sobald sich eine Chance bietet, den Abschluss suchen würde.

Lass uns zurückblicken. Auf den 1. März 2019. Wie hast du den Moment deiner Verletzung im Spiel gegen Cordi erlebt? Erst hast du ja gar nicht wirklich regisrtiert, was passiert ist...

Von Appen: Richtig. Es ist ja oft so, das man einen Schlag auf die Wade, den Oberschenkel oder das Knie bekommt und man läuft das dann schon irgendwie raus. Ich bin im Anschluss an das Foul nach einer Behandlung wieder zurück aufs Spielfeld. Es waren noch so ungefähr 25 Minuten zu spielen, wenn ich mich recht erinnere. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass mir mein Knie „abhaut“ beziehungsweise ausbricht. Ich habe trotzdem gedacht, dass es hoffentlich nichts schlimmes ist, weil das Knie nicht verhältnismäßig geschwollen war. Was passiert war, hat man dann erst nach einer MRT-Untersuchung festgestellt.

Wie nimmt man so eine schwere Verletzung als Spieler auf?

Von Appen: Das wirft einen völlig aus der Bahn. Egal, wie alt man ist. Ich war zu Zeitpunkt der Verletzung 29 Jahre alt, jetzt bin ich 30. Das ist noch kein Alter, aber eben in gewisses Fußball-Alter. In dem ist so eine Verletzung dann schon schwieriger. Man hat nicht mehr so viele Saisons vor sich, die man spielt. Bis dahin hatte ich Glück und bin von größeren Verletzungen verschont geblieben. Ich hatte höchstens mal ein paar kleine Blessuren. Aber der Kreuzbandriss war ein richtig dickes Ding – das begrift man nicht sofort. Klar, man kennt vom Hörensagen vielleicht jemanden, dem das auch widerfahren ist. Aber wenn einem das selbst passiert, ist es doch nochmal was anderes. Nach der Operation merkt man dann erst, wie kacke das wirklich ist. Ich lag eine Woche im Krankenhaus, obwohl ich gedacht hatte, dass ich nach zwei Tagen wieder raus bin und arbeiten kann. Das Ganze wird danach zu einer Kopfsache – daran scheitern viele. Du darfst den Fokus nicht verlieren. Man abeitet neun oder zehn Monate lang an der Rückkehr, sieht aber nur kleine Fortschritte.

In wie weit hat sich bei dir Resignation breit gemacht während der langen Pause?

Von Appens Ziel? Der 30-Jährige (li.) möchte wieder Minuten in der Oberliga sammeln – so wie hier gegen Dassendorfs Kristof Kurczynski. Foto: Bode

Von Appen: Der Fußball ist mein Lieblingselixier. Ich hatte keine Zweifel daran, dass ich es schaffe, zurückzukommen.

Woher nimmt man die Kraft für den Glauben ans Comeback?

Von Appen: Aus der Eigenmotivation. Ich kann da nur subjektiv für mich sprechen, aber bei mir war es so. Ich hatte ein relativ großes Maß an Eigenmotivation, da ich mir beweisen wollte: Ich schaffe es nochmal auf dem Platz zu stehen, ich kriege es hin, körperlich wieder so fit zu sein, dass ich es wieder in den Wettkampf schaffe. Ich muss allerdings auch sagen, dass wir eine richtig gute Truppe haben, die mich immer begleitet hat. Es ist toll, wie eng die Mannschaft dran geblieben ist Die Jungs haben mich im Krankenhaus besucht, haben sich immer wieder gemeldet und gefragt, wie es geht und mir Mut zugesprochen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Das geht bei uns über den normalen Umgang unter Teamkollegen hinaus, das sind schon Freundschaften. Sowas gibt einem nochmal einen Push, zurückzukehren. 

Nun hast du den großen Schritt zurück geschafft. Wie soll es für dich weitergehen?

Von Appen: Ich möchte in unserer Ligamannschaft mitnehmen, was geht und nicht der sein, der den Kaderplatz Nummer 15,16, 17 oder 18 auffüllt. Ich möchte auf jeden Fall zurück in die erste Elf – das ist das Ziel für die neue Saison. Jetzt ist es erst einmal so, dass weitere Einsätze in unserer U23 in der Bezirksliga nicht ausgeschossen sind. Es ist zwar „nur“ Bezirksliga, aber es sind so viel Abläufe, die genauso sind, wie in der Oberliga. Das Spiel selbst und die Laufwege zum Beispiel. Das bringt nach so einer langen Pause Sicherheit. Mein hauptsächliches Ziel ist es aber, wieder Minuten in der Oberliga zu bekommen.

Interview: Jan Knötzsch