Aufstiegsrunde Regionalliga Nord 2024

„Die erste Halbzeit war Jugend-Fußball – in der zweiten haben wir das Herz gefunden“

26. Mai 2024, 15:03 Uhr

Rasmus Tobinski (re.) mit vollem Einsatz gegen David Kebe. Foto: Heiden

30 Spiele, 30 Siege – und 213:17 Tore: Mit 22 Punkten Vorsprung auf den Zweitplatzierten hat sich die U23 des SV Werder Bremen die Meisterschaft gesichert und die Konkurrenz mit reihenweise zweistelligen Triumphen förmlich deklassiert. Doch damit nicht genug der Rekorde. Mit insgesamt 112 geschossenen Toren führte ein Trio der Werderaner die Schützenliste in der Bremen-Liga an. Ein Akteur übertraf dabei sogar den deutschlandweiten Fabel-Rekord von Martin Harnik (46 Treffer, TuS Dassendorf) aus der Vorsaison mit sage und schreibe 50 Buden: Maik Lukowicz, der in der vergangenen Spielzeit noch für den FC Teutonia 05 in der Regionalliga Nord auf Torejagd ging. Nun wollte der ehemalige Goalgetter des großen Rivalen ausgerechnet dem Altonaer Fussball-Club in die Aufstiegssuppe spucken (alle Highlights im LIVE-Ticker)!

Der AFC erhielt am Fuße des Weserstadions auf Platz 11 erneut zahlreiche und lautstarke Unterstützung. Foto: Heiden

Trotz Dauer-Ballbesitz der Bremer hielt Altona dem Druck zunächst stand und ließ kaum hochgradig gefährliche Situationen zu. Auch in Minute 23 war die Gefahr eigentlich schon gebannt. Eigentlich. Denn beim Klärungsversuch tief im eigenen Sechzehner „piekte“ Abdul Saibou den vor ihm postierten Ricardo-Felipe Schwarz an. Dessen „Block“ fand den Weg an Dennis Lohmann vorbei in die Maschen. Höchst unglücklich, aufgrund des Spielverlaufs aber auch verdient! Und das, obwohl der AFC den Ex-Teutonen Lukowicz gänzlich aus dem Spiel nahm.

Zweitbester Torschütze ersetzt den besten Goalgetter

Und auch sein Trainer Christian Brand nahm Lukowicz zur Pause runter, brachte mit Joel Imasuen den zweitbesten Torschützen (41) der Bremen-Liga für ihn als Ersatz. Der AFC war also weiter gewarnt, wurde nun aber endlich etwas mutiger und galliger. Veli Sulejmani hatte die erste gute Abschlusschance nach einem Angriff über Rasmus Tobinski und Lawrence Schön, zielte nach der unfreiwilligen Vorarbeit von David Kebe aus sehr aussichtsreicher Position aber deutlich über den Kasten (58.). Bei Gianluca Przondzionos Distanzkracher nach Ablage von Pascal El-Nemr fehlte indes nicht allzu viel (67.).

Altona findet Zutrauen

Altonas Bujar Sejdija (re.) bremst Mikail Polat rustikal aus. Foto: Heiden

Von Minute zu Minute wuchs das Altonaer Zutrauen, beim vermeintlichen Top-Favoriten der Aufstiegsrunde doch etwas Zählbares mitzunehmen. Auch Chefcoach Andreas Bergmann setzte mit seinen Einwechslungen offensive Impulse. Beispiel: Wenige Augenblicke auf dem Platz, da hatte Lenny Glissmann bereits die Schusschance, wurde aber gerade noch geblockt (81.) – wie auch wenig später nach Tobinski-Ablage (83.). Per Kopf verpasste auf der anderen Seite Mika Eickhoff nach einem ruhenden Ball die Vorentscheidung (80.).

Als die Schlusssequenzen vor 2400 Zuschauern – darunter diverse prominente Gesichter wie die Werderaner Frank Baumann (Geschäftsführer Sport), Clemens Fritz (Leiter Lizenzbereich) und Hannes Drews (Co-Trainer der Profis), Jens Todt (ehemaliger Direktor Profifußball beim HSV), Ansgar Brinkmann (Ex-Profi und TV-Experte), Pit Reimers (scheidender Chefcoach beim HSV II) oder auch Arnd Zeigler (TV-Moderator) – angebrochen waren, warf der Hamburger Meister noch einmal alles nach vorne, drückte und drängte – aber zu spät. Dem AFC wollte der Ausgleichstreffer nicht mehr gelingen. Dass man der U23 von Werder Bremen aber alles abverlangt hat, wurde direkt mit dem Abpfiff deutlich, als Torschütze Schwarz, Imasuen und Schulz gänzlich erschöpft zu Boden sanken.

AFC triumphiert im Elfmeterschießen

Jakob Löpping (Mi.) muss sich der Gegenwehr von Gianluca Przondziono (re.) stellen. Auch Pascal El-Nemr kommt herbei geeilt. Foto: Heiden

Einen kleinen, aber vielleicht noch bedeutsamen Achtungserfolg landeten die „Bergmänner“ nach dem Spiel im obligatorischen Elfmeterschießen, das bei Punkt- und Torgleichheit zum Tragen kommen würde. Yannick Petzschke, Glissmann, Michael Ambrosius und Adrian Goransch verwandelten auf Altonaer Seite allesamt ganz sicher. Während Werder-Torschütze Schwarz das Runde über das Eckige jagte und Lohmann gegen Jakob Löpping glänzend parierte. Zumindest hier behielt der Kultclub von der „AJK“ mit 4:3 die Oberhand!

"Wir hatten zu viel Respekt"

Dennoch waren die vorangegangenen 90 Minuten nicht so schnell verdaut. „Das ist definitiv ärgerlich“, haderte Stürmer Tobinski mit der Niederlage. „Gerade aufgrund der ersten Halbzeit – da bin ich auch ein Stück weit sauer auf uns und nehme mich da auch nicht raus. Wir hatten viel zu viel Respekt“, gab er unumwunden zu. „Wir wussten, dass wir einen spielstarken Gegner haben, der wenig Kontakte braucht, um nach vorne zu gelangen. Aber alles in allem haben wir es da aus der Hand gegeben“, fasste Tobinski das Geschehen ziemlich treffend in einem Satz zusammen: „Die erste Halbzeit war Jugend-Fußball, in der zweiten Halbzeit haben wir das Herz gefunden und richtigen Herren-Fußball gespielt. Ich glaube auch: Fünf oder zehn Minuten länger – dann fällt uns da vorne noch eine Murmel rein.“

Er sei „sehr stolz auf die zweite Halbzeit“, die ihn „für Mittwoch positiv stimmt“, blickte ein angeschlagener Tobinski bereits auf das zweite Spiel vor heimischer Kulisse gegen Schleswig-Holstein-Meister SV Todesfelde voraus – und will bis dahin wieder voll bei Kräften sein. „Es ist einfach nur ein Krampf. Ich gehe morgen in die Eiskammer, mache ein wenig Regeneration – und dann versuche ich mich irgendwie für Mittwoch wieder fit zu machen.“

"Ein Unentschieden wäre klasse gewesen"

Kein Sato (re.) - hier im Duell mit Moritz Grosche - bereitete der Altonaer Defensive in der ersten Halbzeit große Probleme. Foto: Heiden

Auch sein Trainer trauerte dem etwas zu respektvollen Beginn hinterher: „Der Gegner hat eine sehr eingespielte, talentierte Truppe und uns gut angelaufen. Trotzdem brauchten wir eine gewisse Zeit. Ich glaube, man kann das alles zusammennehmen: Ob das der fehlende Mut oder der Respekt war – der Wille war es auf keinen Fall. Einerseits mussten wir uns erstmal finden, andererseits ist da natürlich auch die Qualität auf der anderen Seite. Wir waren nicht ganz so präsent und sind nicht über ein, zwei Ansätze hinausgekommen, obwohl wir immer besser ins Spiel gefunden haben“, resümierte Andreas Bergmann.

„In der zweiten Halbzeit haben wir es probiert und gemacht – und das Spiel absolut auf Augenhöhe gestaltet.“ Doch ein „total unnützes Tor“ hatte den AFC bereits ins Hintertreffen gebracht. „Dafür fand ich das gut, wie wir das Tor weggesteckt, das Spiel in der zweiten Halbzeit offen gestaltet, unsere Möglichkeiten gesucht und auch gemerkt haben, dass die am Schluss gewankt haben“, zog Bergmann auch positive Erkenntnisse aus der Partie. „Unterm Strich war das ein guter Gegner, aber wenn wir in der ersten halben Stunde ein bisschen griffiger und überzeugter von dem, was wir können, gewesen wären, dann hätten wir was mitnehmen können“, stufte Bergmann die Niederlage ebenso als „einfach ärgerlich“ ein. „Natürlich wäre ein Quäntchen Glück dabei gewesen, aber ein Unentschieden wäre einfach klasse gewesen.“

"Hoffe, dass wir diesen Mut und diese Überzeugung mitnehmen"

Mika Eickhoff (re.) hatte zehn Minuten vor Ultimo eine der ganz wenigen Bremer Chancen im zweiten Durchgang. Foto: Heiden

Von dem kräftezehrenden Spiel müsse man sich „jetzt erstmal erholen und dann hoffe ich, dass wir am Mittwoch ein bisschen mehr auf die Platte kriegen und überzeugter von uns selbst sind“. Denn: „Wir haben zwar ein bisschen gebraucht, aber dann auch gezeigt, dass wir wirklich gut sein können. Ich hoffe, dass wir diese Überzeugung und diesen Mut mit in das Spiel gegen Todesfelde nehmen. Obwohl das ein ganz anderes Spiel werden wird, weil die sehr über ihre Physis kommen und körperbetont sind.“ Nichtsdestotrotz hat man noch immer ein klares Ziel vor Augen: „Wir hatten eine tolle Saison und versuchen jetzt, den i-Punkt draufzusetzen!“

Autor: Dennis Kormanjos