Landesliga Hammonia

Ein „schickes Auto“ mit leerem Tank, zu wenig Gängen – und geklautem Lenkrad

11. Mai 2023, 13:24 Uhr

Nach der verpassten Vize-Meisterschaft richtet BU-Coach Michael Koss den Blick nach vorne. Foto: KBS-Picture.de

„Wir haben das bestimmt nicht mit Absicht gemacht“, erwiderte Michael Koss – nachdem seinem HSV Barmbek-Uhlenhorst von Seiten der SV Halstenbek-Rellingen ein Stück weit Hohn und Spott entgegengebracht wurde. HR-Coach Heiko Barthel zeigte sich nach der 2:5-Niederlage von BU am Freitagabend beim SC Nienstedten und dem eigenen 3:0-Erfolg gegen den SC Poppenbüttel, wodurch man an den Barmbekern in der Tabelle und im Kampf um den Aufstieg vorbeizog, „schockiert“ und „sprachlos“ zugleich (HIER mehr dazu). Am Lütten Hall war das Thema „Aufstieg“ schon längst abgehakt, meinte zumindest Barthel, der zudem von einem ungewollten „Betriebsunfall“ sprach. Und dass, obwohl HR jahrelang auf Krampf wieder hoch wollte, aber kläglich versagte.

„Ich werde nicht über andere Vereine sprechen“, entgegnet Koss auf Nachfrage, wie er zu den Aussagen vom Widersacher stehen würde. Stattdessen lässt er den eigenen Auftritt noch einmal Revue passieren – und gesteht ganz offen: „Ich werde das schon noch ein paar Tage in den Knochen drin haben. Davon gehe ich zumindest aus.“ Aber: „Ich habe es ein Stück weit akzeptiert, weil ich es rückwirkend nicht mehr ändern kann.“

Der vergangene Freitag sei ein „ganz rabenschwarzer Tag“ gewesen. „Es ist auch nach wie vor nicht greifbar, warum wir explizit in der ersten Halbzeit die schlechtesten 45 Minuten der Saison gespielt haben. Weshalb das so war, da gibt es vielleicht auch gar keine richtige und nur die eine Erklärung für. Vielleicht war es eine ungewohnte Drucksituation, vielleicht war der Tank irgendwann einfach mal leer und vielleicht sind da einfach ganz viele Dinge zusammengekommen – auch vom Spielverlauf“, mutmaßt Koss, der von „vier individuellen Fehlern bei den fünf Gegentoren“ spricht.

"Die richtigen Lehren daraus ziehen"

"Das hat wehgetan", gesteht Koss, erklärt aber zugleich: "Ich habe es ein Stück weit akzeptiert, weil ich es rückwirkend nicht mehr ändern kann." Foto: KBS-Picture.de

Als BU-Keeper Rick Hess einen Elfmeter parierte, sei das „ein Moment gewesen, der mal ‚Pro BU‘ ausgefallen ist und wo man das Gefühl hatte, dass das Spiel jetzt vielleicht nochmal kippen kann“, so Koss. „Stattdessen führt die anschließende Ecke zum Gegentor, weil du nicht eng genug am Mann dran bist. Spätestens ab dem Zeitpunkt wusstest du: Das wird heute nix“, vergleicht der Chefcoach der Barmbeker die Situation mit einem Auto. „Unser Auto, mit dem wir fahren wollten, sah von außen ganz schick aus.“ Zehn der elf Akteure standen auch in der Vorwoche gegen den bereits feststehenden Meister FC Alsterbrüder beim 2:0-Sieg in der Startelf.

„Aber an diesem Tag war der Tank von vornherein nicht voll. Den hat jemand vergessen, vollzutanken. Nach vorne hatten wir auch nur ein bis zwei anstatt fünf oder sechs Gänge drin – und den Rückwärtsgang hat uns einer komplett rausgenommen. Dazu hat uns einer an dem Tag auch noch das Lenkrad geklaut, so dass wir gar nicht dazu in der Lage waren, das Spiel zu steuern, Dinge anzunehmen, zu sehen und darauf zu reagieren. Es war einfach nicht gut“, gibt Koss unumwunden zu. „Das hat wehgetan und tut auch nach wie vor weh. Aber wir müssen jetzt gucken, dass wir die richtigen Lehren daraus ziehen.“

"Dass wir unbedingt aufsteigen müssen, ist völliger Kokolores"

Koss: "Die Wahrnehmung nach außen, dass wir unbedingt aufsteigen wollen oder müssen, ist völliger Kokolores!" Foto: KBS-Picture.de

Nichtsdestotrotz: Von einem Scheitern oder gar Versagen kann absolut nicht die Rede sein. Nach dem Oberliga-Abstieg und dem kompletten Umbruch im vergangenen Sommer hat Koss mit überaus begrenzten und bescheidenen Mitteln schnell ein neues und stabiles Konstrukt an der Dieselstraße geformt. Deshalb: „Hätte uns vor der Saison jemand gesagt, dass wir am letzten Spieltag der Saison alles in der eigenen Hand haben, hätten wir das sofort unterschrieben. So nüchtern muss man das betrachten. Ich glaube, das war eine vernünftige Runde, die sich am Ende ein bisschen blöd anfühlt. Aber wir werden jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken!“

Vielmehr findet Koss „die Wahrnehmung nach außen“, die auch am Samstag von HR-Seite geschürt wurde, „dass wir unbedingt aufsteigen wollen oder müssen, völligen Kokolores!“ Drei Monate ist es gerade mal her, als die Barthel-Boys im ersten Spiel nach der Winterpause den damaligen Primus aus Barmbek auf einem tiefen und kaum zu bespielenden Acker am Lütten Hall empfingen und noch einmal zum großen Kampf und zur großen Aufholjagd bliesen. Und plötzlich will man von einem möglichen Aufstieg, der in zwei Relegationsspielen gegen den Hansa-Vize-Meister Düneberger SV noch gelingen könnte, so gut wie nichts mehr wissen. Zwar stellte Präsident Hans-Jürgen Stammer klar, dass man die Aufstiegsspiele ohne Wenn und Aber bestreiten und der Verein auch keine Bremse einlegen werde. Doch Barthel schien davon wenig begeistert – auch aufgrund der fehlenden Rahmenbedingungen und Strukturen, wie er erklärte.

"Das ist mein sportlicher Anspruch und Ehrgeiz"

Und bei BU? Da ging der sportliche Aufschwung im Übergangsjahr schneller als gedacht. „Wir haben keinerlei Vorgaben von oben, aufsteigen zu müssen. Das Einzige, was das vorantreibt, ist mein sportlicher Anspruch, dass ich nicht um Platz sieben spielen möchte, sondern, wenn ich oben bin, ist mein Ehrgeiz, auch möglichst lange dort am Start zu sein. Man darf auch nicht vergessen, dass andere Mannschaften ganz andere Möglichkeiten haben. Für uns ist das ein harter, steiniger Weg“, erwidert Koss. Hinzukommt, dass Nienstedten als Gegner alles andere als ein Selbstgänger ist.

BU bastelt eifrig - und will "wieder voll angreifen"

Nienstedtens Regionalliga-erfahrener Jakob Münzner (li.), ehemaliger Kapitän des FC St. Pauli II, erwischte einen Sahnetag und erzielte zwei Tore beim 5:2-Sieg über BU. Foto: noveski.com

Die Mannen vom Quellental sind zwar „nur“ Achter in der Tabelle, haben aber im Verlaufe der Saison oft genug gezeigt, wozu man – wenn alle höherklassig erfahrenen Spieler an Bord sein – imstande ist. Meister FC Alsterbrüder wurde beispielsweise mit 7:1 abgefertigt. Zudem stellt die „Wundertüte“ der Liga mit 93 geschossenen Toren die zweitstärkste Offensive der gesamten Liga. „Es sind manchmal eben Kleinigkeiten, wo wir nicht mit der maximalen Gier und dem absoluten Willen, es zu erzwingen, unterwegs waren“, befindet Koss, der nach sechswöchiger Pause mit seinem Team „wieder voll angreifen“ will.

Denn: Schon jetzt wurde im Hintergrund eifrig am Gesicht für die neue Saison gebastelt und gewerkelt. „Ich denke, dass wir in der qualitativen Kaderbreite nochmal einen zusätzlichen Schluck aus der ‚Pulle‘ nehmen und uns anders positionieren können.“

Frisch gebackener Meister wechselt zu BU

Nick Gerken wechselt vom frisch gebackenen Oberliga-Meister und Pokalfinalisten TSV Sasel zum HSV Barmbek-Uhlenhorst. Foto: KBS-Picture.de

Beispiel: Nach dem Oberliga-erfahrenen Kilian Utcke (SV Rugenbergen) hat der Traditionsverein nun einen frisch gebackenen Oberliga-Meister verpflichtet. Nick Gerken, der in 14 Saisonspielen für den TSV Sasel drei Treffer erzielte und mit einem Torerfolg im Pokal-Halbfinale beim FC Alsterbrüder (7:0) auch am Finaleinzug der „Parkwegler“ beteiligt war, wechselt an die Dieselstraße!

„Wir sind super froh, dass wir Nick am Ende von unserem Weg überzeugen konnten! Ein junger Kicker, der mit dem TSV Sasel eine grandiose Oberliga-Saison mit der Meisterschaft krönen konnte – dazu an dieser Stelle nochmal größten Respekt und herzlichen Glückwunsch nach Sasel. Wir haben Nick in den Gesprächen als sehr loyalen, aufgeräumten Charakter wahrgenommen. Sportlich besitzt Nick ein extrem gutes Gefühl für gefährliche Räume und er findet unter Druck technische Lösungen auf einem hohen Niveau. Nick wird unserem Offensivspiel Flexibilität und Qualität schenken, davon sind wir überzeugt“, so Koss.

Autor: Dennis Kormanjos