Fahrten von Profisportlern im Mannschaftsbus als abgabenfreie Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit?

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20. November 2019, 13:53 Uhr

Wer gelegentlich oder gar regelmäßig an Sonn- und Feiertagen, bzw. in der Nacht arbeitet, kann sich etwas hinzuverdienen. In den allermeisten Fällen sogar steuer- und mitunter zudem auch sozialversicherungsfrei. Hierfür darf die Vergütung den Grundlohn um festgelegte Grenzwerte nicht überschreiten.

Professionelle Sportler sind aufgrund ihrer Arbeit, auch an oben genannten Tagen, oft auf Reisen im vereinseigenen Mannschaftsbus zu finden. Doch ist es Freizeit, wenn vor lauter Freude über den Sieg die Sektkorken im Bus knallen oder man bereits intensiv das verlorene Spiel auswertet? Für Vertragsspieler zählt dies nämlich regelmäßig auch zur Arbeitszeit. Ob eine lockere „Busparty“ nun wirklich Sonntags- oder Nachtarbeit ist, sei erstmal dahingestellt.


Prinzipiell gilt auch für sie: in einem gewissen Rahmen freuen sie sich über steuer- und zum Teil sozialversicherungsfreie Zuschläge nach dem Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV). Dies hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden.

I. Steuerfreiheit für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit nach §3b EStG

Der § 3b des EStG stellt Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie:


1. Für Nachtarbeit 25 Prozent,
2. Für Sonntagsarbeit 50 Prozent,
3. Für Arbeit am 31. Dezember ab 14 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen 125 Prozent,
4. Für Arbeit am 24. Dezember ab 14 Uhr, am 25. und 26. Dezember sowie am 1. Mai 150 Prozent des Grundlohns nicht übersteigen.

Der Grundlohn ist dabei in der Regel der laufende Arbeitslohn des Arbeitnehmers. Dieser ist in einen Stundenlohn umzurechnen, auf den sich die bereits aufgezählten Zuschlagssätze beziehen und darf maximal 50 Euro pro Stunde betragen. Werden der Grundlohn oder die Zuschlagssätze überschritten, ist nur der Mehrbetrag steuerpflichtig. Man kann also im Ergebnis von einem Freibetrag sprechen.

Der § 3b EStG ist seit Jahren gesellschaftlich umstritten, da eine Förderung bzw. zumindest Begünstigung der Arbeit an Sonn- und Feiertagen bzw. Nachtarbeit im Widerspruch zum Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe steht. Außerdem sollte es zudem die Aufgabe des Arbeitgebers sein, für diese Form der Arbeit eine Sondervergütung zu zahlen. Verfehlt sei hierbei, eine Beteiligung der Allgemeinheit in Form einer Steuerfreistellung der Zuschläge herbeizuführen (von Beckerath in Kirchhof, EStG-Kommentar, 17. Auflage, § 3b Rn. 1-2).

Losgelöst von der rechtspolitischen Debatte um die Rechtsnorm, profitieren beispielsweise Mitarbeiter der Bahn oder Post von steuerbegünstigten Zuschlägen für Nachtarbeit. Ebenso freuen sich die „Nachtschwestern“ im Krankenhaus, wenn sie sich um das Wohlbefinden der Patienten sorgen. 

Anders sieht dies bei Bereitschaftsdienstvergütungen aus, die regelmäßig schon Teil des Grundlohns sind und deshalb meist nicht mitbegünstigt werden. Auch sieht es für Arbeitnehmer schlecht aus, die Zuschläge an Tagen erhalten, an denen sie krank im Bett liegen. Zurückzuführen ist dies darauf, dass der § 3b EStG lediglich tatsächlich geleistete Arbeit begünstigt (von Beckerath in Kirchhof, EStG-Kommentar, 17. Auflage, § 3b Rn. 4). 

Die Rechtsgrundlage für die Steuerfreistellung bildet das EStG, dient aber leider nicht als Anspruchsgrundlage für Arbeitnehmer. Wer seinem Vorgesetzen nahelegen möchte, dass er oder sie Anspruch auf Zuschläge neben dem Grundlohn hat, muss wohl oder übel in das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), weitere Einzelgesetze sowie den Arbeits- und Tarifvertrag schauen. 

1. Abgrenzung zur Sozialversicherungsfreiheit

Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, dass viele Arbeitnehmer davon ausgehen, steuerfreie Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit seien prinzipiell auch immer sozialversicherungsfrei. Es gelten zwar dieselben Regeln wie im Steuerrecht, jedoch nur bis zu einem Grundlohn von maximal 25 Euro pro Stunde. Liegt dieser höher, fallen Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit auseinander (§1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SvEV).

2. Und nun?

Was bedeutet das für unsere Champagnerfeiern bei Nacht und an Sonntagen im Mannschaftsbus? Sorgt dies nicht für reichlich Diskussionsbedarf bei der Außenprüfung durch das Finanzamt? Wird nach Wortlaut des Gesetzes überhaupt tatsächliche Arbeit geleistet, wenn man eine Runde entspannt und nicht den Sport treibt, für den man bezahlt wird?


Einem ähnlichen Fall musste sich das Finanzgericht Düsseldorf in Folge unterschiedlicher Auffassungen von Sportverein und Finanzamt stellen (Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Juli 2019, Aktenzeichen 14 K 1653/17 L).

II. Sachverhalt

Eine Profisportmannschaft klagte vor dem Finanzgericht Düsseldorf gegen einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid in Form einer Einspruchsentscheidung.


Zuvor führte das zuständige Finanzamt eine Lohnsteuer-Außenprüfung für einen Zeitraum zwischen 2012 und 2015 durch. Die Spieler und Betreuer hatten im Rahmen von Auswärtsterminen zusätzlich zum Lohn steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit im Rahmen der Hin- und Rückfahrten im Mannschaftsbus erhalten.

Als der Prüfungsbericht vom Februar 2016 eintraf, musste der Verein entsetzt feststellen, dass nach Auffassung des Finanzamts für die Beförderungszeiten keine steuerfreien Zuschläge geleistet werden dürfen. Die rein „passiven“ Beförderungszeiten seien keine Arbeitszeiten i. S. der gesetzlichen Regelungen. Es fehle an der tatsächlich geleisteten Arbeit, die nach § 3b EStG die Voraussetzung zur Steuerbefreiung darstellt. Auch vor- und nachbereitende Gespräche zwischen Trainer und Spielern hatten keine Auswirkungen auf die Einschätzung der Finanzverwaltung.
Auf Grundlage der Außenprüfung erließ das Finanzamt wenige Monate später einen Bescheid, der eine Haftungsschuld, als auch eine Lohnsteuernachforderung zuzüglich Nebenabgaben enthielt.

Erfolglos versuchte der Verein Einspruch gegen den Bescheid zu erheben. Im Juni 2017 wurde die Klage beim Finanzgericht Düsseldorf erhoben.

Das Finanzgericht entschied zugunsten des Sportvereins, denn die Beförderungszeiten der Spieler und Betreuer erfülle die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3b EStG. Die Lohnsteuernachforderung wird aufgehoben. Die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig und die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ist seit dem 18. Oktober 2019 unter dem Az. VI R 28/19 anhängig.

III. Begründung

Der Lohnsteuerbescheid des Finanzamts ist rechtswidrig, da Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit neben dem Grundlohn der Spieler gezahlt wurden und diese steuerfrei sind, solange sie die maßgeblichen Prozentwerte nicht übersteigen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Steuerfreistellung des § 3b EStG sind in der Einzelfallprüfung der Sportmannschaft erfüllt:

1. Zahlung neben dem Grundlohn

Die Zuschläge, die für die Fahrtzeiten im Mannschaftsbus gezahlt wurden, sind neben dem Grundlohn der Spieler angefallen und es bestand ein Anspruch der Spieler auf Zahlung von Lohn in diesem Zeitraum.


Wichtig ist, dass eine konkrete Zurechnung möglich ist, um allgemeine Gegenleistungen für die Arbeitsleistung aus der Regelung herauszunehmen. Eine pauschale Abgeltung ist untersagt, da weder die tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten, noch die genaue Höhe der Zuschlagszahlungen abgeleitet werden kann.

2. Verpflichtung kraft Arbeitsverhältnis

Zudem sind die Spieler kraft ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Verein zur Teilnahme an den Fahrten im vorgeschriebenen Verkehrsmittel, also dem Mannschaftsbus, verpflichtet. Es handelt sich nicht um arbeitsfreie Reisezeit und die Erklärung des Finanzamtes, es müsse sich bei der tatsächlich geleisteten Arbeit um eine „belastende Hauptarbeit“ handeln, sei dem Zweck des Gesetzes nach nicht gerechtfertigt.


Etwaige Sondervereinbarungen, durch die eine „passive“ Tätigkeit während der Fahrtzeit nicht vergütungspflichtig wäre, wurden nicht getroffen.

3. Maximal zulässige Höhe der Zuschläge

Die erhaltenen Zuschläge der Spieler befinden sich im Rahmen der maximal steuerfreien Prozentsätze des § 3b EStG. Die Mannschaft hatte gesetzeskonform gehandelt.


Auch für hohe Gehälter, wie sie im Profisport anfallen können, gelten die Grenzen von bis zu 50 Euro Grundlohn pro Stunde, genau wie die aufgeführten Zuschlagssätze. Eine Situation, in der ein Spieler mit 200.000 Euro Wochengehalt plötzlich komplett steuerfreie Zuschläge für Feiertagsfahrten zu Auswärtsspielen bekommt, ist dem § 3b EStG jedoch fremd. In diesem Szenario wäre nur ein schwindend geringer Bruchteil im Rahmen der Grenzwerte steuerfrei, ein noch kleinerer Teil sozialversicherungsfrei.

Schlussendlich wird in dem Urteil des Finanzgerichts betont, dass eine Unterscheidung in „passive“ oder „aktive“ Tätigkeit bei der Beurteilung der Steuerfreiheit von Zuzahlungen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit in der Praxis zu einer nicht überprüfbaren Aufzeichnungspflicht führen würde. Eine Ausnahme für „nicht belastende Tätigkeiten“ lassen sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen.

Dennoch wurde die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es bleibt also spannend, wie die „tatsächlich geleistete Arbeit“ im Steuerrecht in Zukunft ausgelegt wird.

IV. Ergebnis

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die steuerliche Behandlung von Sportvereinen und Profimannschaften nicht immer eindeutig ist. Das Urteil zeigt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung des § 3b EStG im Einzelfall steuerrechtlich geprüft werden müssen. Abzuwarten bleibt jedoch das Ergebnis der Revision beim Bundesfinanzhof (BFH).

Steuer- und Rechtskanzleien wie RUGE FEHSENFELD sind auf die gezielte Beratung von Mandanten im Kontext des Profisports spezialisiert und unterstützen diese auch bei der Außenprüfung durch das Finanzamt.