Oberliga

In Bönningstedt wird „Tacheles“ geredet – „Ich weiß nicht, ob Tuchel Zeit hat“

22. September 2022, 11:54 Uhr

Rugenbergen-Coach Michael Fischer stand uns nach dem Testspiel am Dienstagabend bei BU (1:1) Rede und Antwort - und sprach Klartext. Foto: KBS-Picture.de

Zehn Spiele, neun Niederlagen – und der negative Höhepunkt am vergangenen Wochenende: Statt dem erhofften „Turnaround“ kassierte der SV Rugenbergen eine saftige, deftige und herbe 1:6-Abreibung im Derby gegen Union Tornesch. Eine Klatsche, die gesessen hat! Am Dienstagabend stand im Testspiel beim HSV Barmbek-Uhlenhorst (1:1) die Frustbewältigung auf dem Programm. Allerdings merkte man den Bönningstedtern die Verunsicherung überaus deutlich an. Im Anschluss an die Partie standen uns Cheftrainer Michael Fischer und Co-Trainer Heiko Klemme ausführlich für ein Interview zur augenblicklichen Situation zur Verfügung – und fanden sehr deutliche Worte…

FussiFreunde: Wie bewertest du den Start und die Situation beim SV Rugenbergen ganz generell im Augenblick?

Am Donnerstagabend werde man nochmal mit dem Vorstand zusammensitzen und "Tacheles reden", kündigte Fischer einen internen Austausch an. Foto: KBS-Picture.de

Michael Fischer: „Misslungen, schwierig.“

Das Wort „Tiefpunkt“ ist immer sehr hoch gegriffen. Dennoch: Kann man nach dem 1:6 im Derby gegen Tornesch davon sprechen, dass das der bisherige Tiefpunkt war?

Fischer: „Erstmal war das der Tiefpunkt der Saison. Dann ist es ein Tiefpunkt in dem Sinne, dass das ein Derby war, wo du mit 1:6 ‚vermöbelt‘ und vom Gegner anschließend fünf Minuten lang im Kreis ausgelacht wirst. Es ist ohne jede Frage eine schwierige Situation. In der Rückserie der letzten Saison hatten wir Zehn von Zehn – jetzt haben wir Neun von Zehn. Aber leider in die andere Richtung. Das ist natürlich eine Sache, die an den Jungs nicht spurlos vorbeigeht. Dadurch entsteht sehr viel Unruhe – sowohl innerhalb der Truppe als auch im Drumherum. Man ist unzufrieden. Viele Dinge, die im letzten Jahr auch schon nicht funktioniert haben, wo man aber drüber hinweg gesehen hat, weil man zehn von zehn Spielen gewonnen hat, sind nun anders präsent. Wir hatten häufig personelle Probleme. Aber im Endeffekt ist das völlig egal – denn das haben andere auch! Wir laufen die ersten zehn Spiele 20 Mal allein aufs Tor zu, verschießen Elfmeter und so weiter. Ich glaube, wenn wir in gewissen Situationen die Dinger gemacht hätten, wäre das alles gar nicht… Aber hätte, wenn und aber – das ist alles scheißegal! Wir stehen in dieser Situation, wir haben uns das eingebrockt und letztendlich müssen wir da auch wieder rauskommen. Dazu habe ich eine klare Ansage gemacht. Wir sitzen auch am Donnerstag nochmal mit dem Vorstand zusammen.“

Worum wird es da genau gehen?

Zehn Spiele, neun Niederlagen: Der Saisonstart des SV Rugenbergen ist mächtig missglückt. Foto: KBS-Picture.de

Fischer: „Am Wochenende war die Bitte da, sich mal zusammenzusetzen, um zu klären, wie es jetzt weitergeht. Da werden wir uns zu viert ganz offen hinsetzen und Tacheles reden. Und dann gucken wir mal, was Sache ist.“

Tacheles auch in Bezug darauf, dass die Möglichkeit besteht, dass es nicht in der Konstellation mit dem Trainerduo Fischer/Klemme weitergeht?

Fischer: „Ich habe den Jungs gesagt: Wenn es irgendwelche Zerwürfnisse oder Probleme gibt und sie der Meinung sind, dass wir die Verkehrten sind, dann sollen sie das sagen. Dann ist das so. Dann spricht man darüber und dann muss der Verein eine Entscheidung treffen. Wie die Entscheidung aussieht, dafür bin ich aber der verkehrte Ansprechpartner.“

Inwieweit hast du denn das Gefühl, dass es ein Zerwürfnis gibt – oder auch, dass ihr als Trainerteam nicht mehr so an die Mannschaft herankommt, wie das mal der Fall war oder sein sollte?

Man habe der Mannschaft "in gewissen Punkten Recht gegeben" und "Fehler eingestanden", erklärt Fischer. Foto: KBS-Picture.de

Fischer: „Wir haben natürlich im Laufe dieser zehn Spiele viele Dinge gehabt, die nicht rund gelaufen sind und sich ein bisschen aufgeschaukelt haben. Es gab viele Sachen, die nicht so funktioniert haben, wie wir uns das vorgestellt haben – sowohl von Trainer- als auch von Mannschaftsseite. In gewissen Punkten haben wir der Mannschaft auch Recht gegeben. Einige Dinge, die wir umsetzen wollten, auch in der Vorbereitung, konnten wir aus welchen Gründen auch immer nicht so richtig durchsetzen, wie wir es machen wollten. Wir haben uns auch vor der Mannschaft für unsere Taktik, die wir beispielsweise im ersten Spiel bei Paloma ausgerichtet haben, entschuldigt. Das hat nicht funktioniert. Da haben wir uns verzockt. Und darüber haben wir gesprochen. Aber das war auch in der letzten Saison der Fall. Nur da wird dann darüber hinweggesehen, weil man Zehn von Zehn hatte. Jetzt ist es eben so, dass alles auf die Goldwaage gelegt wird.“

Wenn man das Derby vom vergangenen Wochenende als Maßstab nimmt: War das ein Zeichen gegen den Trainer?

"Eine Mannschaft spielt nicht gegen den Trainer, sondern sie spielt dann ja auch zusätzlich gegen den Verein und gegen sich selbst", betont Fischer. Foto: KBS-Picture.de

Fischer: „Es gab durchaus viele Leute, die am Wochenende gesagt haben, die zweite Halbzeit war ein Desaster. Und so spielt eine Mannschaft, die gegen den Trainer spielt. Aber letztendlich spielt eine Mannschaft nicht gegen den Trainer, sondern sie spielt dann ja auch zusätzlich gegen den Verein und gegen sich selbst. Das heißt: Die würde sich ja selbst bescheißen. Also, was würde ein neuer Trainer machen? Auf den Knopf drücken und plötzlich hat man elf Monster auf dem Platz? Das glaube ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob Tuchel Zeit hat, einzuspringen – oder was der Verein vorhat. Das werden wir sehen. Und wir werden da ganz offen drüber sprechen. Es gibt gewisse Dinge, die einem von Seiten der Mannschaft, von unserer Seite, aber auch von Seite des Vorstandes nicht gefallen. Da wir im Erwachsenensport sind, kann man da vernünftig drüber reden. Und wenn man da eine Lösung findet, wie es weitergehen soll, dann macht man das.“

Du hast gerade schon ein paar Dinge angesprochen, die von Mannschaftsseite kamen. Was muss denn aus eurer Sicht besser oder anders werden? Und was fordert ihr von den Jungs konkret ein?

Fischer: „Das, was wir so ein bisschen angemakert haben, war natürlich die Körperspannung. Wenn man das Tornesch-Spiel nimmt, dann führst du 1:0, musst eigentlich das zweite oder sogar dritte Tor machen – und hast dann auf der anderen Seite Leute wie Lüneburg, Zimmermann, Knottnerus oder Dohrn, die einmal so richtig auf den Tisch klopfen und dann rafft sich die Mannschaft wieder auf. Das hat Thorben (Reibe, Anm. d. Red.) nach dem Spiel ja auch gesagt, dass das eine scheiß Phase war, aber die sich selbst wieder da rausgezogen haben. Dann hatten wir eine scheiß Phase, haben uns da aber nicht selbst wieder rausgezogen. Diese Körpersprache ist ein Thema. Aber natürlich muss man sich auch generell verbessern. Nochmal: Wir laufen 20 Mal alleine auf das Tor zu, machen die Dinger aber nicht rein. Und dann ist es egal, ob du Dreier- oder Viererkette, mit oder ohne Stutzen oder gegen die Sonne spielst – wenn du solche Dinger nicht reinmachst, wirst du auf dem Niveau bestraft. Denn wir haben nicht mehr Meiendorf und Co. Von daher gibt es aus unserer Sicht gewisse Dinge im sportlichen Bereich, wo wir sagen, da müssen wir uns verbessern und da müssen die Jungs auch Gas geben. Das erwarten wir einfach.“ 

Was gibt euch denn die Hoffnung, dass es besser wird?

Fischer bekleidet das Traineramt bei den Bönningstedtern zusammen mit seinem Freund und engen Weggefährten Heiko Klemme. Foto: KBS-Picture.de

Fischer: „Jetzt kommt eine Phase, wo das erste Mal seit etlichen Wochen auch fast alle wieder da sind. Es war unfassbar, was wir die letzten Wochen erlebt haben. Nun kann man sagen, dass in ein, zwei Wochen langsam wieder fast alle dabei sind. Und ich glaube, dann kann man auch ganz anders arbeiten, als mit zwölf bis 14 Mann. So hat man als Trainer andere Möglichkeiten, kann anders trainieren und gewisse Dinge anders machen, die wir nicht machen konnten, weil uns da die Hände gebunden waren. Jetzt hat man wieder einen entsprechenden Konkurrenzkampf, so dass jeder weiß, dass er aus dem Quark kommen muss und nicht automatisch gesetzt ist für das Wochenende. Und letztendlich geht es um das ‚Wir‘. Es ist ein Geflecht, das aus uns, der Mannschaft und dem Umfeld besteht. Und entweder es ziehen alle an einem Strang, hauen sich auf die Fresse und sagen sich, was sie denken – und es wird dann auch umgesetzt und jeder ist dazu in der Lage, die Kritik auch anzunehmen und umzusetzen im Interesse des Vereins. Denn nichts anderes zählt! Funktioniert das nicht, wird diese Kette auseinanderbrechen. Und wir sind ja nicht doof, wo dann zuallererst das Loch geflickt wird…“

Dann muss natürlich die Frage kommen: Was ist aus deiner Sicht die wahrscheinlichste Konstellation? Dass es nach dem klärenden Gespräch am Donnerstag so weitergeht, wie bisher – oder eher nicht?

Er wisse nur eins, sagt Fischer (re.) in Bezug auf die Sitzung mit dem Vorstand: "Es wird am Donnerstag kein Schnee fallen!"

Fischer: „Letztendlich trifft nachher der Verein, in dem Fall der Vorstand, eine Entscheidung. Welche Entscheidung das sein wird, kann ich nicht sagen. Wenn ich das wüsste, würde ich jetzt nochmal auf irgendwas Verrücktes wetten und wäre morgen Millionär. Das geht aber nicht. Ich glaube, für die Mannschaft und für den Verein wäre es jetzt mal ganz gut, wenn man Ruhe reinkriegt. Aber da brauchen wir auch nicht lange Drumherum reden: Ruhe kriegt man dann rein, wenn man Erfolg hat. Wir spielen jetzt gegen Süderelbe und dann bei HEBC. Es gibt kein Meiendorf mehr. Die anderen Teams sehen uns jetzt als Punktelieferant. Und da müssen wir ganz schnell rauskommen. Das wird ein ewig langer Weg. Es kann sonnig sein, aber auch bewölkt oder regnerisch – ich weiß nur eins: Es wird am Donnerstag kein Schnee fallen.“

Wenn du sagst, dass der Vorstand die Entscheidung trifft, heißt das ja auch im Umkehrschluss: Ihr beschäftigt euch nicht mit dem Gedanken, vorzeitig aufzuhören?

Fischer: „Wenn das so wäre, dann wären wir nicht am Dienstagabend hierhergefahren. Uns passen Dinge nicht. Ganz klar. Das weiß der Vorstand auch und wir haben darüber gesprochen. Fakt ist auch, dass wir sagen: Es muss etwas passieren. Wir sind bereit, gewisse Dinge zu akzeptieren. Denn es geht um das Miteinander. Es muss eine klare Ansage von Seiten des Vorstandes in Bezug auf bestimmte Bereiche kommen. Und wenn man sich dann zusammenrauft, dann ist das okay. Dann muss jeder in so einer Sitzung auch einbringen, worum es geht, welche Dinge zu verbessern sind – und dann geht es volle Attacke nach vorne. Wenn das nicht funktioniert, dann verliert man natürlich auch irgendwann den Spaß. Das sage ich auch ganz offen. Aber wenn wir den jetzt schon verloren hätten, wären wir an einem Dienstagabend nicht hier gewesen.“

Nach dem Spiel beim HSV III (0:3) kamen ja schon erste Gerüchte auf. Das war am dritten Spieltag. Inwieweit hättet ihr euch denn – vielleicht auch und gerade nach außen – mehr Rückendeckung von Vorstandsseite erhofft und gewünscht?

Da geht's lang aus der Krise! Heiko Klemme macht keinen Hehl daraus, dass man nur gemeinsam den Weg aus der Krise findet. Foto: KBS-Picture.de

Heiko Klemme: „Die gab es! Nach außen hat Rugenbergen ja noch nie irgendwas großartig präsentiert – außer ein leckeres Stück Kuchen. Ansonsten gibt es da keine Leute, die den Mund aufmachen und den Plauderer geben. Diese Bühne geben sie anderen Personen. Uns haben die handelnden Personen ganz klar gesagt, dass da nichts dran ist und wir uns gar keine Sorgen machen brauchen. Und dann war das Thema gegessen. Wir haben uns alle in diese prekäre Lage gebracht. Und da geht es jetzt einfach darum, gemeinsam hart zu arbeiten, an einem Strang zu ziehen – und damit meine ich uns alle! Und da ist es dann auch egal, ob Fischer/Klemme noch am Start sind oder nicht. Wir sind bereit dafür und wollen diesen Weg unbedingt mit- und weitergehen. Aber es müssen sich Dinge ändern.“

Autor: Dennis Kormanjos