Oberliga

Ohne „Troche“: Weil der HSV III „nicht gönnen kann“, feiert „Dasse“ seinen „Oldie“ und einen „Mentalitäts-Sieg“

22. Februar 2020, 00:38 Uhr

Manuel Brendel (2. v. li.) köpfte den „Underdog“ kurz vor der Pause in Führung. Am Ende gab‘s für den HSV III gegen Primus Dassendorf dennoch nichts zu holen. Foto: Küch

In der vergangenen Woche feierte Piotr Trochowski sein Debüt für den Hamburger SV III – und ein erfolgreiches obendrein. Beim 3:1-Sieg in Osdorf gelang dem ehemaligen Nationalspieler mit einem 20-Meter-Strahl der Schlussakkord in der Nachspielzeit. Eine Premiere, die Hoffnungen geweckt hat. Sollte „Troche“ etwa auch dem Tabellenführer aus Dassendorf wehtun? Die Antwort: Nein. Denn Trochowski zog sich bei seinem ersten Pflichtspiel-Einsatz nach seinem Karriereende im Jahr 2016 eine Zerrung zu. Hinzu kam, dass er mit den „DFB Allstars“ in Moskau weilt – und dem HSV III somit nicht zur Verfügung stand. Auch „Rothosen“-Präsident Marcell Jansen fand sich zunächst auf der Bank wieder. Und trotzdem bot der Oberliga-Aufsteiger vor 278 Zuschauern – einige verabschiedeten sich bereits vorzeitig, als bekannt wurde, dass Trochowski nicht dabei ist – dem Primus nicht nur Paroli, sondern verlangte diesem alles ab (alle Highlights im LIVE-Ticker)...

Maximilian Dittrich (Mi.) - hier gegen Artur Krüger - erzielte den zwischenzeitlichen Ausgleich. Foto: Küch

Schon vor dem Aufeinandertreffen gerieten TuS-Trainer Jean-Pierre Richter und HSV III-Coach Christian Rahn ein wenig aneinander. Letzterer monierte das zu späte Erscheinen der Dassendorfer, weshalb sich der Anpfiff um einige Minuten verzögerte. „Ich glaube, die haben den gleichen Architekten wie wir. Das ist ja eine Weltreise hierher“, war Richter anschließend zu Späßen aufgelegt, erklärte aber auch: „Wir sind mit dem Schiedsrichter zusammen losgegangen. Von daher ist das nicht unser Problem.“ Für ihn sei es „alles andere als würdige Begrüßung gewesen“. Auch „der eine oder andere Kommentar“ von der Bank gefiel „JPR“ nicht. Rahn entgegnete nach der Partie: „Es ist mir jetzt nicht das erste Mal auf den Sack gegangen. Wenn man erst elf Minuten vor Spielbeginn da hoch läuft, dann ist das viel zu spät. Die Jungs müssen warten und werden kalt. Das ist der Grund, warum ich mich aufrege. Das ist einfach respektlos unserer Mannschaft gegenüber.“

"Wir haben es verpasst, den Deckel drauf zu machen - oder das 2:0 nachzulegen"

Dassendorfs Sven Möller (li,) wird hier von Jeonghoon Ahn abgeräumt. Foto: Küch

Dem verbalen Scharmützel ließen beide Teams „ein überragendes Oberligaspiel“ folgen, wie selbst Rahn-Trainerkollege Marcus Rabenhorst konstatierte. Ein Spiel, indem der David den Goliath über weite Strecke mächtig ins Wanken gebracht hat. „Wir haben denen alles abverlangt. Ich glaube, es gibt nicht viele Mannschaften in dieser Liga, die Dassendorf so hoch anlaufen. Denen ist kaum etwas eingefallen im Spielaufbau. Sie haben sehr viel mit langen Bällen gearbeitet“, erkannte Rahn. Während Rabenhorst meinte: „Wir ärgern uns nicht über die Niederlage an sich, weil wir alles rausgehauen haben. Wir können erhobenen Hauptes vom Platz gehen und hatten Dassendorf ganz nah an einer Niederlage heute. Die Jungs haben es richtig gut gemacht“, sprach er seinen Mannen ein Lob aus – und stellte fest: „Wir haben es einfach verpasst, schon in der ersten Halbzeit früher in Führung zu gehen, und auch in der zweiten Halbzeit, den Deckel drauf zu machen – oder zumindest das 2:0 nachzulegen. Am Ende muss man dann sagen, dass die Qualität, die sie mit 'Schiedi' von der Bank bringen, den Unterschied gemacht hat. Er macht halt aus zwei Dingern, die durch den Strafraum fliegen, zwei Tore.“

Rabenhorst moniert Eigensinn: "Das geht vielleicht auf der Playstation"

Nach seinem Führungstreffer war die Freude bei Manuel Brendel (re.) noch groß. Foto: Küch

Gemeint war damit Marcel von Walsleben-Schied, der nach 53 Minuten für den verletzten Rinik Carolus in die Begegnung kam – und für die Wende sorgte. Doch zunächst einmal war es Manuel Brendel, der die Hausherren unmittelbar vor dem Pausentee alles andere als unverdient in Front brachte, als er einen Freistoß von Dominik Jordan per Kopf im linken Toreck unterbrachte (44.). In der Folge hätten Rabenhorst/Rahn-Schützlinge die Führung gar ausbauen können, gingen aber zu leichtfertig mit ihren Möglichkeiten um. Während Sepehr Nikroo ein ums andere Mal zu eigensinnig agierte (Rabenhorst: „Es war nicht das erste Mal. Man muss seine eigenen Interessen hinter das Team stellen. Einige Dinge gehen vielleicht auf der Playstation, aber hier ist es schwierig“), machte Jeonghoon Ahn oftmals das Gegenteil (Rahn: „Er war in einigen Situationen zu uneigennützig. Ein Mix aus beidem wäre gut. Der Leitspruch muss immer sein: Man muss auch gönnen können“). Der Koreaner wollte jedoch zu viel gönnen – und so fehlte häufig die Präzision.

"MVP" Schied: "Er hat das Spiel für uns mitentschieden"

Finn-Lasse Thomas (2. v. li.) im Duell mit Niklas Müller-Leitloff. Foto: Küch

Die kam auch dem Spitzenreiter lange Zeit abhanden. Bis zur 66. Spielminute, als der Ball über Mattia Maggio und Kristof Kurczynksi, der mit der Hacke ablegte, zu Maximilian Dittrich kam. Bei dessen Schlenzer ins lange Eck zog der im Abseits stehende Marcel von Walsleben-Schied gerade noch das Bäuchlein ein – 1:1. Apropos von Walsleben-Schied: Der Ex-Bundesliga-Profi mit Hansa Rostock hatte danach seinen großen Auftritt. Erst nagelte er eine Maggio-Hereingabe per Direktabnahme aus 13 Metern ins lange Eck (74.), ehe er keine 180 Sekunden darauf eine Flanke des genesenen Finn-Lasse Thomas – auch Joe Warmbier feierte nach ewig langer Verletzungspause eine gelungene Rückkehr auf den Fußballplatz – in Rückwärtslage traumhaft in den rechten Giebel nickte (77.)! „Es war ja schon im Laufe der Saison erkennbar, dass er diese Qualitäten hat – und er hat es auch schon oft genug gezeigt. Wir sind froh, dass wir diese für 37 Minuten nutzen konnten. Letzte Woche, als er reinkam, war er schon dran. Heute hat er das Spiel für uns mitentschieden. Deshalb ist er auch ganz klar der 'MVP'“, lobte Richter seinen „Doppelpacker“. Während Rabenhorst vor allem beim dritten Gegentreffer das Abwehrverhalten monierte: „Der fällt ihm auf den Kopf und überragend und unhaltbar ins Netz – aber es war auch kein Kontakt da.“ Auch die Hereinnahme von Marcell Jansen (84.) sollte letztlich keine Wende mehr herbeiführen

"Ob's ein verdienter Sieg war, das würde ich mal anzweifeln"

Bei seiner Auswechslung in der Nachspielzeit war Sven Möller (2. v. li.) - hier gegen Michele Morrone - trotz der Führung unzufrieden mit der Rückwärtsbewegung einiger Teamkollegen. Foto: Küch

„Ein intensives Spiel gegen einen guten Gegner“, sah Richter, der ebenso befand: „Wir haben uns in der ersten Halbzeit sehr schwer getan. Die Chancen zum 1:0 waren da. Aber auch die Anfälligkeit und Instabilität waren zu sehen. Der HSV hat uns da wirklich etwas abverlangt. Als wir nach der Pause so ein bisschen ins Rollen gekommen sind, hat man die Qualität gesehen.“ Trotz der Sperren von Kerim Carolus und Len Aike Strömer. „Unabhängig davon, ist bei den Jungs, die auf dem Platz stehen, so viel Wumms dahinter, dass sie nicht wie in der letzten Woche etwas liegen lassen wollten, sondern das Ding gedreht haben.“ Man habe seiner Mannschaft „über 90 Minuten angemerkt, dass wir aus der letzten Woche noch etwas gutmachen, aber auch für die nächsten Wochen eine Ansage machen wollten. Da ist es natürlich gut, wenn man am Freitagabend gegen einen so starken Gegner am Ende, glaube ich auch, verdient gewinnt.“ Dem entgegnete Rabenhorst jedoch: „Ob's ein verdienter Sieg war, das würde ich mal ein bisschen anzweifeln.“ Auch Rahn bezweifelte, „dass es verdient war“. Tatsächlich strauchelte der Primus gewaltig und hätte noch deutlicher ins Hintertreffen geraten können, bevor der Ausgleich gelang – und „Oldie“ von Walsleben-Schied dem Spiel seinen Stempel aufdrückte. Dennoch: „Es war von der ersten bis zur letzten Minute zu merken: Wir wollten. Wir haben uns in der ersten Halbzeit nur teilweise mit falschen Entscheidungen aufgehalten. Unterm Strich ist das ein Mentalitäts- und Qualitäts-Sieg.“

Autor: Dennis Kormanjos