Corona-Krise

Stimmen zum (Abbruch-)Szenario: Von „geiler Bonus“ bis hin zu „das Plakat mit der Aufschrift ‚Fair geht vor‘ verbrennen“

19. Mai 2020, 16:00 Uhr

Abwarten und Tee trinken: Elvis Nikolic, Trainer von Hansa-Primus VfL Lohbrügge. Foto: Bode

Zumindest die Absicht steht schon einmal fest: 84 Prozent der Vereine des Hamburger Fußball-Verbands (HFV) wollen, dass die Saison 2019/2020 abgebrochen wird. Genau dies wird das Präsidium des HFV den Vereinen dann am 22. Juni auf einem außerordentlichen Verbandstag auch vorschlagen. Ebenfalls als Vorschlag wird dann unterbreitet, dass es in dieser Saison keine Absteiger gibt und die Aufstiegsfrage über die Quotienten-Regelung entschieden wird. Hier haben erst einmal die Meister laut der Regularien ein Aufstiegsrecht. Wir haben uns bei Vertretern der Vereine umgehört, wie sie die zu erwartenden Entscheidungen einschätzen. 

Alexander Knull, Manager von Oberliga-Spitzenreiter TuS Dassendorf. Foto: Bode

Alexander Knull (Manager TuS Dassendorf, 1. Platz Oberliga): „Mit dem Ergebnis war zu rechnen, ich hätte es sogar noch deutlicher erwartet. Schade, dass der Verbandstag erst Ende Juni stattfindet und viele Vereine weiterhin im Ungewissen über ihre zukünftige Spielklasse bleiben. Diesbezüglich hätte ich mir eine frühere Entscheidung gewünscht. Mich persönlich interessiert natürlich, wie der angedachte Starttermin zur neuen Saison aussieht. Aber da müssen wir wohl erstmal auf die Politik warten.“

Elvis Nikolic (VfL Lohbrügge, 1.Platz Landesliga Hansa): „Wir freuen uns natürlich sehr, hätten  aber auch gerne die Saison zu Ende gespielt, um auf dem Platz Meister zu werden. Der Abbruch der Saison ist die einzig vernünftige Entscheidung – auch hinsichtlich der Jugend und Statuten, weil man nicht weiß, wann man die Spielzeit hätte zu Ende spielen können. Von daher ist es gut, wenn man jetzt eine klaren Cut macht. Wir begrüßen die Entscheidung sehr. Wenn dann am 22. Juni endlich absolut feststeht, dass wir in der Oberliga sind – im Moment kann man ja nur sagen, dass es danach aussieht –, dann sind wir sehr, sehr glücklich, weil wir eineinhalb Jahre dafür hart gearbeitet haben. Dann freuen wir uns, mit dem VfL Lohbrügge in die Oberliga zu gehen und uns dort mit den besten Teams in Hamburg zu messen.“ 

Philipp Penkwitt (Liga-Obmann TuRa Harksheide, 2. Platz Landesliga Hammonia): „Wir sind froh, dass etwas gesagt und nach außen kommuniziert wurde, hätten uns insgesamt aber etwas mehr Transparenz gewünscht. Wir fühlen uns ein Stück weit im Ungewissen gelassen. Es betrifft uns als Tabellenzweiter ja schon ein wenig. Ich vergleiche uns so ein wenig mit einem ‚Gallischen Dorf‘, wir müssen uns aber auch nicht zu klein machen, weil wir einen wirklich guten Ball spielen. Immerhin herrscht jetzt eine gewisse Pari-Situation mit der Entscheidung aus Schleswig-Holstein, was für uns natürlich auch eine gewisse Tragweite hat. Man sollte gucken, mit welchem Bundesland man als HFV am meisten Berührungspunkte hat, in einen gemeinsamen Austausch gehen und bestenfalls auch eine gemeinsame Lösung anstreben. Wir wissen, dass es eine schwierige Situation ist. Aber auch für uns ist es nicht leicht, zu planen, wenn man nicht weiß, in welcher Liga man spielt. Aber: Wir werden gut gerüstet sein.“

Matthias Nagel, Chefcoach von Ost-Leader Ahrensburger TSV. Foto: Bode

Hasan Yaylaoglu (Trainer SV Eidelstedt, 16. Platz Bezirksliga West): „Ich rede hier nicht davon, die Klasse zu halten. Das haben wir definitiv nicht getan. Wir haben sportlich überhaupt nicht überzeugt. Deswegen kann ich mich über den  ‚angeblichen Klassenerhalt' jetzt persönlich auch nicht richtig freuen. Davon abgesehen werde ich den SV Eidelstedt bekanntlich nach der Saison sowieso verlassen. So eine Krise wie jetzt mit dem Corona-Virus hatten wir noch nie, von daher: Dass es so lange gedauert hat, bis man zu dem Punkt gekommen ist, an dem man jetzt ist, ist einfach so. Hätte man die Saison gänzlich nicht gewertet, wäre das sehr schade gewesen für Teams, die wirklich viel investiert haben. Deswegen finde ich den Vorschlag mit den Aufsteigern über die Quotienten-Regelung gut. Die ‚Absteiger' werden in dem Sinne jetzt natürlich belohnt – so will man vermutlich eine Klagewelle von sich fern halten. Das ist auch völlig legitim. Eigentlich gibt es nur den Weg, dass man die Ligen eben aufstockt.“  


Jan Arp (Ligamanager SV Nettelnburg-Allermöhe, 15. Platz Landesliga Hansa): „Erstmal bin ich natürlich froh, dass wir so die Liga halten. Ich glaube, dass es in dieser Situation keine völlig gerechte Entscheidung gibt. Die Saison abzubrechen ist die einzig richtige – auch im Hinblick auf die neue Saison. Dass die Aufsteiger so ermittelt werden – da bin ich auch ganz klar dafür. Es gibt natürlich auch da immer Härtefälle. Es werden nie alle glücklich sein. Keine Absteiger zu haben, ist richtig. Ganz unabhängig davon, dass wir auf einem Abstiegsplatz stehen. Meiner Meinung nach sollte man in dieser Situation einfach die negativen Faktoren so gering wie möglich halten. Hundertoprozentige Gerechtigkeit gibt es nicht. In der Situation, wie sie jetzt ist, ist die Entscheidung so wie sie sein wird, die beste.“

Cemil Yavas, Manager des Oberligisten TuS Osdorf. Foto: Bode

Bilal Akdag (Trainer FC Bingöl 12, 1. Platz Bezirksliga Süd): „Wir haben heute früh, nachdem der HFV das Scheiben veröffentlicht hat, schon sehr viel telefoniert. Wir hatten uns ursprünglich für die Unterbrechung der Saison ausgesprochen, da wir sichergehen wollten, dass das, was wir bisher geleistet haben, nicht verschwindet. Es bestand ja die Gefahr, dass die Saison bei einem Abbruch annulliert wird. Das wollten wir nicht eingehen, deswegen hatten wir in der letzten Woche auch schon wieder angefangen, zu trainieren. Wir haben jetzt eine Perspektive, dass der Aufstieg möglich ist. Momentan ist es ganz schwierig für alle, eine Entscheidung zu treffen. Jetzt haben wir zumindest etwas mehr Planungssicherheit. Wir können dementsprechend Spielergespräche führen und andere Planungen durchziehen. Für uns ist das eine sehr glückliche Nachricht – auch, wenn wir die Saison mit nur 21 von 30 Spielen als Tabellenerster beenden. Da in andeen Bundesländern schon ähnlich entschieden wurde, haben wir auf eine ähnliche Tendenz gehofft. Insgesamt sind wir jetzt happy, dass es so und nicht anders aussieht. Wir werden die Vorbereitungen – sehr wahrscheinlich für die Landesliga – angehen. Den Vorschlag, wie er jetzt gemacht wird, finde ich fair. Auch, dass keiner abstiegt – nur, wenn der Wunsch besteht. Dass man aktuell nicht spielen kann, ist jedem klar. So wie es jetzt kommen soll, ist es besser. Jetzt kann jeder Verein planen und rechnen. Wir können davon ausgehen, dass irgendwann eine neue Saison beginnt. Der HFV hat letztlich lange gewartet, aber mit dem jetzigen Modell können alle zufrieden sein. Auch, wenn es für die Vereine, die vielleicht noch um den Aufstieg gespielt hätten, ärgerlich ist.“

Dennis Tornieporth, Trainer des im Tabellenkeller befindlichen Hansa-Landesligisten Düneberger SV. Foto: Bode

Daniel Schmitt (Manager FC Voran Ohe, 7. Platz Landesliga Hansa): „Es ist die richtige Entscheidung, weil es für die Vereine in Bezug auf außerordentliche Regularien den geringsten Aufwand bedeutet – vor allem in Sachen Spielerverpflichtungen. Meine große Hoffnung ist, dass nach den Sommerferien ein normaler und regulärer Trainingsbetrieb möglich ist und wir ab September wieder richtig loslegen können. Das ist meine Wunsch- und Traumvorstellung.“

Cemil Yavas (Manager TuS Osdorf, 8. Platz Oberliga): „Ich habe diese Konstellation bereits vor einem Monat für die sinnigste gehalten. Der Verein und auch ich können mit der Entscheidung, sollte sie denn so durchgezogen werden, gut leben – und ich denke, dass es der Großteil in Hamburg auch kann. Jeden wird man natürlich nicht glücklich machen können. Aber sollte es so kommen, freue ich mich für unsere Zweite Mannschaft, die dadurch in die Bezirksliga aufgestiegen wäre.“


Koray Gümüs (Manager Eimsbütteler TV, 4. Platz Landesliga Hammonia): „Wir sehen den Vorschlag mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen hätten wir die Saison gern sportlich zu einem Ende gebracht, da wir uns durchaus, auch mit dem Blick auf das Restprogramm, noch Chancen auf den zweiten Platz nach 30 Spieltagen ausrechnen. Auf der anderen Seite begrüßen wir es, wenn endlich Fakten geschaffen werden, um die Vorbereitungen auf die kommende Spielzeit abzuschließen. Dass es dabei zu Härtefällen kommt, liegt in der Natur solcher Entscheidungen. Letzten Endes rechtfertigt das Schützen der Gesundheit aller Bevölkerungsteile jedes Mittel.“

Auch bei TuRa Harksheide um Liga-Obmann Philipp Penkwitt (re.) herrscht Unklarheit darüber, in welcher Liga man künftig zugegen sein wird. Foto: Küch

Danny Zankl (Trainer TSV Sasel, 5. Platz Oberliga): „Wir sind grundsätzlich erstmal froh, dass wir jetzt ein bisschen mehr Planungssicherheit haben. Glücklicherweise sind wir ja noch im Pokal, der weitergespielt werden soll. Da erhoffen wir uns natürlich noch konkrete Termine, wie und wann es dort weitergehen könnte. Aber als Trainer guckt man natürlich auch darauf, wann die neue Saison beginnen könnte – und hofft auf eine Aussage, zu wann man ungefähr damit planen kann. Ob man weiter trainiert oder doch unterbricht? Ob man die Intensität im Training erhöht oder ab wann man das macht? Für die Entscheidung jetzt sind wir erstmal froh, dass etwas passiert ist. Jetzt wünschen wir uns noch, dass ein wenig Licht ins Dunkel gebracht wird, in Hinblick auf die Termine im LOTTO-Pokal – aber auch in Bezug auf den Saisonstart 2020/21.“

Koray Gümüs, Manager des Eimsbütteler TV. Archivfoto: noveski.com

Jan Haimerl (Trainer HSV Barmbek-Uhlenhorst II, 6. Platz Landesliga Hammonia – und künftiger Liga-Coach): „Ein Abbruch ist die sinnigste aller Lösungen für die Vereine, um Planungssicherheit zu haben. Natürlich lässt sich über eine Aufstiegs- und Abstiegsregelung streiten – und da hat jeder seine eigene Meinung. Der Punktekoeffizient ist ein Parameter, welcher die Leistung einer Mannschaft über einen gewissen Zeitraum wiedergibt und woran man die Leistungen auch messen kann. Ich finde es nicht verwerflich, wenn man sich trotz der für alle ungewohnten Situation, auch für Absteiger entscheidet. BU ist mit seinen drei Herrenteams aber vom Thema ‚Abstieg‘ nicht betroffen, daher ist es vielleicht auch leicht gesagt. Unsere Dritte Herren würde sehr wahrscheinlich in die Bezirksliga hochgehen, was für den Gesamtverein historisch ist.“

Matthias Nagel (Trainer Ahrensburger TSV, 1. Platz Bezirksliga Ost):
„Ich habe es leider so erwartet und es war klar, dass es so kommen wird, weil jeder Verein seine persönlichen Interessen in den Fokus rückt. Und da es zu diesem Zeitpunkt der Saison für viele Vereine eben um nichts mehr geht, war das so zu erwarten. Ich freue mich jetzt schon auf die Abstimmung im November oder Dezember, wenn uns eine zweite Welle erwischt hat und wir die zweite Saison nacheinander unterbrechen oder gar abbrechen müssen. Dann werden aber wahrscheinlich weniger Vereine so votieren, da die Saison dann noch jung ist und alle ihre Ziele noch vor Augen haben. Jeder, der so abgestimmt hat, müsste eigentlich das Plakat mit der Aufschrift ‚Fair geht vor‘ wieder abhängen. Ich bin jedenfalls sehr traurig darüber. Dem Verband mache ich da keinerlei Vorwürfe. Im Gegenteil. Ich finde es gut und richtig, dass man sich die Zeit genommen und den Spielraum genutzt hat, möglichst lange abzuwarten und zu gucken, wie sich das entwickelt und ob nicht doch gespielt werden kann. - und eben nicht vorschnell eine Entscheidung zu treffen. Jetzt ist der Druck aber einfach zu große geworden.“

Jan Haimerl, aktueller Trainer von BU II und künftiger Liga-Coach der Barmbeker. Foto: Bode

Dennis Tornieporth (Trainer Düneberger SV, 14. Platz): „In erster Linie ist es wichtig, dass es jetzt mal eine Entscheidung gibt, in welche Richtung es gehen soll. Noch muss sie ja erstmal final beschlossen weden. Ich fand dieses Rumgereiere in den letzten Wochen im Vergleich zu anderen Verbänden eigentlich furchtbar und unglücklich. Woanders wurden Entscheidungen getroffen, in Hamburg war das sehr grenzwertig. Von daher freue ich mich, dass es jetzt erstmal eine Entscheidung gibt. Die entspricht der Mehrheit. Ich selbst habe mich auch für einen Abbruch ausgesprochen – unabhängig davon, ob es am Ende mit oder ohne Absteiger gewertet würde. Ich glaube, man sollte einen Cut machen. Es ist normal, dass es immer negative Stimmen geben wird und jemand unglücklich ist. Es ist die einzig richtige Entscheidung, dass man Vereine, die gute Arbeit gemacht haben, mit dem Aufstieg belohnt, und dass man die nicht bestraft, die sich noch hätten retten können. Natürlich verstehe ich aber auch, dass Mannschaften, die auf Platz drei oder vier sind und nur wenige Punkte Abstand auf einen Aufstiegsplatz haben, unzufrieden sind, weil sie der Meinung sind, dass sie es noch geschafft hätten. In der jetzigen Phase ist es wichtig, nach vorne zu schauen. So könnte man jetzt im September in eine neue Saison starten und es wären keine zwei Jahre fußballerisch tot. Wenn man die jetzige Saison beispielsweise bis in den Winter fortgeführt hätte, dann wäre die neue komplette Spielzeit bis zum Sommer gar nicht mehr durchführbar gewesen. Dann wären zwei Jahre für den Arsch gewesen. So wird jetzt eine Saison, in der ein Großteil gespielt wurde, gerechnet.“

Meiendorfs Sportlicher Leiter Mert Kepceoglu. Foto: Heiden

Mert Kepceoglu (Sportlicher Leiter Meiendorfer SV, 17. Platz Oberliga): „Ich habe schon am Anfang der Krise gesagt: Egal, wie am Ende entschieden wird – es wird immer wen geben, der jammert. Du kannst nie alle gleichzeitig zufriedenstellen. Aus unerer Sicht kann ich sagen: Wir haben aufgrund unseres Tabellenstands bislang für die Landesliga geplant. Es ist schon eine Überraschung, dass es jetzt so aussieht, dass wir mit größter Wahrscheinlichkeit in der Oberliga bleiben werde. Wenn ich mich an den Dezember 2019 zurückerinnere, dann sehe ich uns noch mit den sechs Spielern, die im Winter bleiben wollten. Danach haben wir es geschafft, in drei Wochen 20 neue Spieler zu holen und auch ein neues Trainerteam zu installieren. Wir haben alle die widerlegt, die gesagt haben, dass Meiendorf überhaupt keine Mannschaft zusammenbekommen und nach der Winterpause nicht mehr antreten wird. Wir konnten antreten. Sogar mit einer nicht so schlechten Mannschaft – und das war wichtig für uns. Dass wir jetzt noch eine weitere Saison in der Oberliga spielen dürfen, ist der Lohn für die Mühen, die wir hatten und ein ganz geiler Bonus. Ob die Entscheidung so, wie sie nun vorgeschlagen wird, fair ist – da muss man ein Fragezeichen hinter stellen. Wir gucken jetzt nach vorne und planen weiter für die neue Saison.“