Oberliga

Totgesagte leben länger: „Ey, ihr seht doch, dass hier was drin ist!“

25. März 2023, 03:01 Uhr

Als Team dem Favoriten nach 0:2- und 1:3-Rückstand ein Remis abgetrotzt: Der TuS Osdorf zeigte gegen den ETV große Moral. Foto: Kormanjos

Eine halbe Stunde lang spielte sich das Geschehen nur und ausschließlich in einer Spielhälfte ab. Der Eimsbütteler TV schnürte den Tabellenvorletzten am eigenen Sechzehner ein (alle Highlights im LIVE-Ticker). Und nicht erst nach dem zweiten Torerfolg in Folge einer Standardsituation platzte Bennet Krause endgültig der Kragen. An der Seitenlinie baute sich der Trainer des TuS Osdorf auf und faltete seine Mannen zusammen: „Wach werden jetzt! Das ist gar nichts!“, um nur kleine Auszüge zu betiteln.

In der ersten halben Stunde hatten ausschließlich die Gäste aus Eimsbüttel Grund zur Freude - nach einer 2:0-Führung. Foto: Kormanjos

Später erwiderte er auf Nachfrage: „Das war einfach komplett zu wenig! Und was mich wirklich maßlos geärgert hat: Dass wir zwei solche Standardgegentore kriegen. Wenn du von so einer spielstarken Mannschaft an die Wand gespielt wirst, dann ziehe ich meinen Hut davor. Aber bei Standards, worauf wir immer wieder hingewiesen haben, kann man zumindest immer dagegenhalten – ganz egal, wie stark der Gegner ist. Aber da waren wir einfach überhaupt nicht da und haben uns die Dinger auch selbst ein Stück weit reingelegt.“

Die beiden Innenverteidiger Malik Yago (21.) und Samuel Olayisoye (27.) – jeweils unbedrängt nach einer über Umwege von Blerim Qestai nochmal scharf gemachten Ecke – brachten den Erfolg des Regionalliga-Anwärters auf den Weg. Doch ein Pfiff lief die ganze Partie kippen. „Wenn wir es gut gemacht hätten, dann hätte es da schon 3:0 gestanden. Aber wir haben den Gegner am Leben gehalten und ins Spiel zurückgeholt“, brachte es ETV-Coach Khalid Atamimi auf den Punkt.

"Haben zwei, drei Sätze gesagt - dann hat Georg übernommen"

Georg Demircan drang auf links in den Sechzehner ein, ging nach einem leichten Kontakt von Olayisoye zu Boden – und bekam von Referee Marco Kulawiak (SC Teutonia 10) einen Elfmeter zugesprochen, den er selbst trocken in den Giebel verwandelte (41.)! Apropos Georg Demircan: „Wir haben einfach gemerkt, dass man auch gegen so eine Mannschaft ein Tor machen kann. Und in der Halbzeit haben wir Trainer zwei, drei Sätze gesagt. Dann hat Georg übernommen und gute Worte gefunden“, verriet Krause. Ein Auszug: „Ey, ihr seht doch, dass hier was drin ist, dass wir, wenn wir vorne auch mal mutig Anlaufen und mit unseren Phasen wechseln, auch gegen so eine Mannschaft etwas reißen können!“

Doch kurz nach der Pause stellte Dominik Akyol den alten Abstand aber wieder her, als er einen von Gedion Wedemeyer an Michael Igwe verursachten Strafstoß im Eckigen unterbrachte (51.)! Eine abermalige Zwei-Tore-Führung für den Tabellenzweiten beim Tabellenvorletzten – eine scheinbar beruhigende Führung. Doch der Schein war trügerisch.

Spranger-Standards treffen den ETV ins Mark

Felix Spranger (Mi.) leitete die Wende mit zwei Standards zum 3:3-Ausgleich ein. Foto: Kormanjos

„Ihre Standards sind nun mal sehr gefährlich. Wenn man da nicht bereit ist, kriegt man solche Tore“, haderte Atamimi – und konstatierte: „Das ist wieder eine Lektion für die Jungs gewesen.“ Eine Lektion, die durchaus schmerzhaft war. Denn: Zwei eben solche ruhenden Bälle brachten Osdorf zurück. Beide Male war es Felix Spranger, der erst per Freistoß, dann per Ecke für zählbaren Erfolg sorgte. Erst wurde ein Kopfball von Tim Jobmann noch entscheidend von Bamo Mohamed per Bogenlampe in die eigenen Maschen abgefälscht (66.), ehe der völlig alleingelassene Ali Can Sommer am zweiten Pfosten gänzlich ohne Gegenwehr einnicken durfte (68.) – 3:3! Ein kaum bis gar nicht mehr für möglich gehaltenes Comeback der „Blomkampler“!

„Wir haben es gut gemacht und sind wieder zurückgekommen. Ich muss sagen, die Mannschaft ist nach wie vor absolut intakt. Vom Kampfgeist kann man der Truppe absolut nichts vorwerfen“, lobte Krause seine Kicker – und erklärte in Bezug auf die Tabelle: „Natürlich hat man in den letzten Wochen und Monaten viel gerechnet. Heute war es aber tatsächlich so, dass wir uns gesagt haben, dass wir ab jetzt jedes Spiel isoliert anschauen und als Pokalspiel ansehen. Einfach, um sich ein bisschen von diesem Druck zu lösen. Wir können den Punkt schon ganz gut einordnen. Aber er ist wichtig für das ganze letzte Drittel der Saison und die Moral, dass du gegen so eine Mannschaft einfach mal was mitnimmst.“

"Es bringt nichts, wenn du gegen Altona vor 2000 Zuschauern gewinnst"

Das sportlich-faire "Shakehands": Khalid Atamimi (Mi.) beglückwünscht Torben Krause, der mit seinem Cousin Bennet die Geschicke beim TuS leitet, zum Punktgewinn. Foto: Kormanjos

Ein Zähler, den nicht viele Beobachter dem TuS gegen den Rang-Zweiten zugetraut hätten. „Das ist der Prozess, den wir gehen müssen. Letzte Woche spielst du gegen Altona fast ohne jeden Fehler. Und heute machst du sehr viele Fehler. Aber das ist das, was ich den Jungs immer wieder sage: Es bringt halt nichts, wenn du gegen Altona vor 2000 Zuschauern mit 2:0 gewinnst. Ja, das ist ein schönes Erlebnis. Aber um in einer Saison konstant zu bestehen, musst du gegen jeden Gegner abliefern. Ganz egal, ob das der Tabellenführer, der Tabellenletzte oder der Vorletzte ist. Das spielt dabei keine Rolle“, bilanzierte Atamimi, hielt aber gleichzeitig fest: „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir immer noch ein Aufsteiger sind und eine geile Saison spielen.“ Eine Saison, die mit dem Aufstieg in die Regionalliga gekrönt werden soll.

Trotz der sportlichen Enttäuschung am Freitagabend. „Was heißt Enttäuschung? Wir haben gegen eine ziemlich heimstarke und vor allem hier am Blomkamp – auf einem sehr engen Platz – schwer zu bespielende Mannschaft gespielt. Die haben das mit ihren Mitteln super gemacht und auch Spieler, die jederzeit ins Eins gegen Eins gehen können“, fand der ETV-Übungsleiter abschließend lobende Worte für den Oberliga-Vorletzten.

Autor: Dennis Kormanjos