„Vielleicht sollten wir da etwas anderes hinstellen – und kein Tor!“

HSV II erkämpft im Derby nach Rückstand und in Unterzahl ein Remis

01. Oktober 2016, 17:11 Uhr

Dren Feka (l.) nagelte den Ball aus 30 Metern in die Maschen - Sirlord Conteh traf mit einem herrlichen Flugkopfball zum Endstand. Foto: KBS-Picture.de

Er hätte mit seinen zahlreichen Großchancen zum Derbyhelden avancieren können, wenn nicht gar müssen. Stattdessen blieb Nico Empen im Endeffekt die Rolle des „Unglücksraben“ über. Gleich drei Möglichkeiten der Kategorie „Den muss er machen“ hatte der Angreifer des FC St. Pauli II an der Hagenbeckstraße gegen den Lokal-Nachbarn auf dem Fuß (29., 45., 73.) – doch der Ball wollte einfach nicht den Weg ins Tor der Rothosen finden. „Vielleicht sollten wir da etwas anderes hinstellen – und kein Tor“, lautete die mit einem Augenzwinkern gemeinte Aussage seines Trainers Joachim Philipkowski zu der Chancenflut des Stürmers. Dem fügte er an: „Ich würde ihm einen Torerfolg wirklich wünschen, da er viel für die Mannschaft arbeitet und sich diese Chancen ja auch herausarbeitet.“

Die Szene, die zum Elfmeter und zur Roten Karte gegen Kerim Carolus (r.) führte. Foto: KBS-Picture.de

Vor allem in der Schlussminute des ersten Abschnitts war es schön fast schwerer, das Spielgerät nicht im, sondern am von Tom Mickel gehüteten Gehäuse vorbei zu befördern. Nach einem Katastrophenfehler von Kerim Carolus kam der Ball über Jan-Marc Schneider und den früh eingewechselten Sirlord Conteh zu Empen, der links im Strafraum keinerlei Gegenwehr mehr spürte, es aber zu genau machen wollte – und schließlich am langen Eck vorbei schob. Es wäre die alles andere als unverdiente Pausenführung für die hinten kompakt stehenden und immer wies er gefährliche Nadelstiche setzenden Kiezkicker gewesen. Schon zuvor vergab er aus 13 Metern nach Conteh-Hereingabe von rechts (29.). Auch die U21 des HSV brachte es zu zwei nennenswerten Aktionen: zunächst wurde der meist unglücklich agierende Bakery Jatta im sankt paulianischen Sechzehner von Jacob Rasmussen sowohl oben als auch unten getroffen (16.). Der Elfmeterpfiff blieb zur großen Überraschung aus! HSV II-Coach Dirk Kunert echauffierte sich hinterher über einen kurzen Smalltalk mit dem Schiedsrichter auf den Weg in die Halbzeitpause: „Er sagte mir, dass ein Kontakt da war, aber es wäre ihm zu wenig gewesen.“ Die zweite Situation: Törless Knöll wurde 22 Meter vor dem Tor von Neuzugang Janjicic in Szene gesetzt. Sein abgefälschter Schuss senkte sich auf die Latte (34.).

Carolas fliegt - "Captain" Schneider trifft

Jan-Marc Schneider (r.) vom Punkt eiskalt. Foto: KBS-Picture.de

Deutlich unterhaltsamer wurde das Derby – vor lediglich 500 Zuschauern – in den zweiten 45 Minuten. Fünf Zeigerumdrehungen waren vorüber, als Keisefs Pass nach außen so unglücklich abgefälscht wurde, dass der Ball plötzlich beim freistehenden Richard Neudecker im Zentrum runter fiel. Der Youngster kam zwar zum Abschluss, wurde dabei jedoch von Carolus von hinten zu Boden gedrückt. Elfmeter und glatt Rot für den Hausherren-Verteidiger, der einen sehr unglücklichen Auftritt hatte! Kapitän Jan-Marc Schneider verwandelte aus elf Metern ganz souverän – 0:1 (51.)! In Rückstand und mit einem Mann weniger wurde es nun natürlich nicht einfacher für die U21 des Bundesligisten. Doch plötzlich wachten die Kunert-Schützlinge auf – und wie: der ehemalige Jugendspieler des FC St. Pauli, Gillian Jurcher, tankte sich auf halbrechts durch, marschierte einige Meter und zog nach innen. Aus 17 Metern schlenzte er den Ball mit links aufs lange Eck und hatte Glück, dass sich die Kugel vom Innenpfosten ins Tor senkte (55.). Eine starke Einzelaktion – 1:1!

Feka-Hammer zur Führung, Conteh segelt zum Ausgleich

Der Ex-St. Paulianer Gillian Jurcher (r.) erzielte das 1:1. Foto: KBS-Picture.de

Doch dabei sollte es nicht bleiben. Finn Porath führte einen Eckball von rechts ein wenig unorthodox weit in den Rücken der Gäste-Defensive aus, wo Dren Feka rund 30 Meter vor dem Tor der Braun-Weißen lauerte und einfach mal Maß nahm. Sein Linksstrahl schlug punktgenau im linken Eck ein – ein absolutes Traumtor (64.)! Innerhalb von neun Minuten drehten die Hausherren das Derby – und das in Unterzahl. Die Philipkowski-Elf drängte auf eine Antwort. Neudecker verfehlte aus neun Metern das kurze Eck (66.), ehe Empen wieder alleinstehend aus 13 Metern abzog – und an Mickels Fußabwehr scheiterte (73.). Beide Male kam die Vorarbeit vom starken Marcell Sobotta, der über Links mächtig Betrieb machte. Wenig später war es dann aber soweit: Benjamin Nadjem flankte scharf aus dem Halbfeld, wo Feka seinen Hintermann Conteh laufen ließ. Dieser schloss aus halbrechter Position per herrlichem Flugkopfball ins lange Eck ein – 2:2 (76.)! St. Paulis „Zweite“ war nun auf den kompletten Turnaround aus, musste dabei allerdings aufpassen, nicht in Konter zu laufen. Ein missratener Querpass von Nadjem rechts am eigenen Strafraum ermöglichte dem kurz zuvor eingewechselten Enes Küc die dicke Gelegenheit zum Siegtreffer. Die „Kiezkickerchen“ bekamen aber noch ein Bein ganz leicht dazwischen, so dass der Schuss des Doppeltorschützen aus der Vorwoche hauchzart am linken Pfosten vorbei sauste (87.).

"Haben uns in den Schlafmodus begeben"

Jan-Marc Schneider (r.) vs. Kerim Carolus. Foto: KBS-Picture.de

„Wir haben unser Spiel heute etwas umgestellt, wollten ein wenig defensiver agieren. Das hat in der ersten Halbzeit auch ganz gut geklappt, wo wir aus dem Spiel heraus kaum etwas zugelassen haben und selbst zwei Hundertprozentige hatten. Den Elfmeter zum 1:0 haben wir uns erarbeitet. Aber danach haben wir uns in den Schlafmodus begeben, waren nicht mehr aggressiv, nicht griffig und haben den Gegner spielen lassen. Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden! Da haben wir einfach den Kopf ausgeschaltet. Zum Glück haben wir uns nach dem Rückstand wieder gefangen und letztlich auch hochverdient den Ausgleich gemacht“, bilanzierte Philipkowski. Das Fazit von Dirk Kunert fiel wie folgt aus: „Ich denke, wir haben das Spiel in der ersten Halbzeit kontrolliert, ohne dabei aber wirklich gefährlich zu werden. Wir haben einfach zu langsam gespielt und St. Pauli durch unsre Fehler zu zwei großen Chancen eingeladen. Der Elfmeter, den wir nicht bekommen, war in meinen Augen ein ganz klarer! Nach dem 0:1 und der Roten Karte mussten wir zwangsweise mehr machen, haben dann auf ein 4-1-4-1 umgestellt und konnten das Spiel drehen. Das haben wir in dieser Phase sehr gut gemacht. Leider stellen wir uns beim 2:2 ganz schlecht an. Das darf so niemals passieren! Dennoch bin ich damit sehr zufrieden, wie wir in Unterzahl geackert haben!“ Am Ende waren sich beide Trainer einig und gaben unisono zu Protokoll: „Wir können mit dem Ergebnis leben.“ Gleich zwei Wermutstropfen mussten die Gäste hingegen verarbeiten: in der ersten Halbzeit mussten sowohl Marian Kunze als auch Michael Ambrosius verletzungsbedingt weichen. Bei Kunze besteht der Verdacht auf einen Bänderriss, bei Ambrosius könnte es sich im schlimmsten Fall um einen Muskelfaserriss handeln. Beiden beste Genesungswünsche!

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