Waldschmidt: „Es ist schwer zu begreifen, dass es vorerst nicht mehr geht"

AFC-Verteidiger spricht über Verletzung und Vertragsauflösung

23. Juni 2017, 08:00 Uhr

Für Sven Waldschmidt ist das Fußballspielen erstmal für eine unsbestimmte Zeit auf Eis gelegt, weshalb er um eine Vertragsauflösung bat. Foto: KBS-Picture.de

Am Dienstag vermeldete der Altonaer Fussball-Club, dass Sven Waldschmidt - Cousin von HSV-Profi Luca Waldschmidt - aufgrund eines anhaltenden Bandscheibenvorfalls seinen Vertrag an der AJK auflösen müsse. Seit der Winterpause fiel der 26-jährige Defensivspezialist aus. Da derzeit keine Besserung in Sicht ist, traf er nun die folgenschwere Entscheidung, vorerst mit dem Kicken aufzuhören. Für die FussiFreunde-Redaktion war Waldschmidt auf Kreta erreichbar, von wo aus er bereitwillig Auskunft über seine aktuelle Leidenszeit, die Unterstützung des AFC und Trainer Berkan Algan, sowie seine Hoffnungen auf Heilung gab.

FussiFreunde: Hallo Sven. Dass Du um Auflösung Deines Vertrages bei Altona 93 gebeten hast, ist zurzeit in aller Munde. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Waldschmidt: „Ich musste wegen meines Bandscheibenvorfalls schon die ganze Rückrunde pausieren. Ich war zwar zwischenzeitlich mal wieder im Mannschaftstraining, aber es hatte nicht 100-prozentig funktioniert, weil ich mich nicht schmerzfrei fühlte. Gegen Ende der Saison war ich dann beim Mannschaftsarzt des HSV in Behandlung und danach machte es eigentlich den Anschein, als wäre es soweit überwunden. Doch vor zwei Wochen, als ich mit den Läufen für die Saisonvorbereitung anfing, verspürte ich direkt wieder so starke Schmerzen, wie ich sie seit drei Monaten nicht mehr hatte - was bei weiterem, leichten Training eher schlechter als besser wurde. Deshalb bin ich in mich gegangen und habe entschieden, dass es für mich besser ist, den Vertrag mit Altona aufzulösen, um mich darauf zu konzentrieren, wieder absolut schmerzfrei zu werden.“

FussiFreunde: War denn dieser Schritt zur Auflösung für Dich unumgänglich?

Waldschmidt: „Wenn ich weiterhin den Vertrag hätte laufen lassen, dann hätte ich mich stärker unter Druck gesetzt und wahrscheinlich wieder viel zu früh angefangen und überstürzt gehandelt. So habe ich jetzt erstmal gesagt, dass wir den Vertrag auflösen, so dass ich mir nicht selbst den Druck mache, unbedingt in den nächsten Wochen wieder im Training zu sein, sondern die Verletzung jetzt wirklich ordentlich auskuriere.“

FussiFreunde: Hast Du dennoch - trotz allem - Vorstellungen, wo Du bei einem positiven Heilungsverlauf sportlich landen möchtest?

Nicht nur sportlich ist Sven Waldschmidt (Mitte), wie hier gegen Dassendorfs Marcel von Walsleben-Schied, momentan auf dem Boden. Foto: KBS-Picture.de

Waldschmidt: „Diesbezüglich habe ich noch nichts in Planung. Denn ich muss wirklich erstmal komplett schmerzfrei werden. Bevor das nicht der Fall ist, werde ich auch nicht handeln. Ich muss mir erst wieder sicher sein, dass ich zu 100 Prozent auskuriert bin. Vorher werde ich nichts unterschreiben oder zu einem Verein wechseln.“

FussiFreunde: Konnten medizinische Prognosen abgegeben werden, was Deinen Heilungsverlauf betrifft?

Waldschmidt: „Die letzte Prognose vom HSV-Mannschaftsarzt schien ganz gut, nur besteht dabei das Problem, dass man bei einem Bandscheibenvorfall nie so wirklich richtige Prognosen abgeben kann. Eigentlich muss man auf jeden Fall dafür ein halbes Jahr einrechnen, was bei mir jedoch schon vorbei ist. Und in meinem Fall war es sowieso ein Wunder, dass ich nach zwei Monaten schon wieder im Mannschaftstraining stand, auch wenn es noch nicht gänzlich funktionierte. Je nachdem wie mein Körper das jetzt verkraftet, kann es sein, dass es schlagartig wieder besser wird. Aber es kann auch sein, dass es sich noch hinzieht. Und das ist das Problem. Ich war im letzten halben Jahr bei so vielen Spezialisten und keiner konnte eine Prognose abgeben, weil so eine Verletzung bei jedem Menschen unterschiedlich ausfällt. Ich kann nur hoffen, weil ich noch relativ jung bin und meine Muskulatur ausgeprägter ist, als zum Beispiel bei einem 60-Jährigen, dass es bei mir einen Tick schneller heilt.“

FussiFreunde: Inwieweit konnte Dir der AFC bisher den Rücken stärken?

Waldschmidt: „Von Altona 93 wurde ich wirklich sehr gut unterstützt und werde es sogar noch weiterhin. Denn trotz meiner Auflösung sagte Berki (Trainer Berkan Algan, Anm. d. Red.) direkt, dass er sich für mich Zeit nehmen und mit mir nochmal alles durchgehen wird, wenn ich wieder in Hamburg bin. Er würde dann mit mir zu einem ihm bekannten Arzt gehen, um eine weitere Chance wahrzunehmen. Vielleicht hat der Arzt nochmal einen anderen Blickwinkel auf die Sache. Also trotz dessen, dass mein Vertrag nun aufgelöst ist, wird er sich weiterhin um mich kümmern, um mit mir gemeinsam zu schauen, dass meine Heilung voran geht – unabhängig davon, ob ich nochmal für den Verein spiele oder nicht.“

FussiFreunde: Also wäre bei einem positiven Heilungsverlauf eine Rückkehr nicht ausgeschlossen?

AFC-Coach Berkan Algan hilft Sven Waldschmidt weiterhin, wo er nur kann. Auch nach der Vertragsauflösung. Foto: KBS-Picture.de

Waldschmidt: „So wie ich es verstanden habe, ist die Tür für mich nicht geschlossen. Sollte es sich bei mir in den nächsten Monaten doch schneller positiv entwickeln, als momentan gedacht, sagte Berki, dass wir dann bestimmt eine Lösung finden würden. Dann würde er alles tun, was in seiner Macht steht, dass ein Weg gefunden wird, wie ich wieder zur Mannschaft finden könnte. Die Möglichkeit hat er mir trotz allem weiterhin offen gehalten. Er ist da wirklich sehr zuvorkommend und positiv mit dem Umstand umgegangen. Dass er mir weiterhin seine Unterstützung anbietet, finde ich menschlich absolut korrekt und das schätze ich sehr. Aber so habe ich ihn im letzten Jahr auch kennengelernt. Er hilft einfach, wo er nur kann. Er ist immer für seine Jungs da und hilft auch außerhalb des Platzes. Das Gefühl habe ich jetzt auch bei mir und dadurch weiß ich, dass ich nicht alleine dastehe.“

FussiFreunnde: Dass Dir das jetzt im besten Fußballeralter passiert, ist sicherlich auch emotional schwer zu verkraften, oder?

Waldschmidt: „Im Prinzip bin ich schon ziemlich enttäuscht. Wenn man sein Leben lang immer dem Ball hinterhergelaufen ist und das auch vier bis sechs mal die Woche, dann ist das erstmal ein extremer Wandel im Alltag. Es ist teilweise schon ein komisches Gefühl, wenn man abends eigentlich Training hätte, sich dann aber mit anderen Dingen beschäftigen muss, anstatt auf dem Platz zu stehen und mit den Jungs zu kicken. Ich muss versuchen, mich dann ein bisschen im Fitnessstudio auszulassen. So wie es eben möglich ist. Aber es ist natürlich keine schöne Situation. Denn für jemanden, der sein Leben lang Fußball gespielt hat, ist das sehr schwer zu begreifen, dass es auf einmal vorerst nicht mehr funktioniert.“

FussiFreunde: Könntest Du, der in seiner Karriere meistens in der Ober- und auch Regionalliga aktiv war, Dir vorstellen, eventuell etwas kürzer zu treten, um doch nochmal spielen zu können?

Waldschmidt: „Wenn die Ärzte sagen, dass es besser für mich wäre, runterzufahren und nur noch auf zwei, drei Trainingseinheiten die Woche zu gehen, was auch immer das dann für eine Liga sein wird, werde ich das wohl so machen müssen. Aber im Moment steht erstmal für mich an erster Stelle, wieder vollständig gesund zu werden und das Gefühl für meinen Körper zurück zu bekommen, dass ich Sport machen oder auch wieder an meine Leistungsgrenze rangehen kann. Erst wenn dieser Punkt erreicht wird, mache ich mir Gedanken, in welcher Form es für mich möglich ist, weiterhin Fußball zu spielen.“

FussiFreunde: Und dabei wäre es für Dich auch in Ordnung, in unteren Ligen dem Ball nachzujagen?

Die Hoffnung gibt Sven Waldschmidt (Mitte) nicht auf, irgendwann wieder in einen Zweikampf gehen zu können, wie in dieser Situation gegen Janis Korczanowski. Foto: KBS-Picture.de

Waldschmidt: „Ehrlich gesagt will ich mir darüber keine Gedanken machen. Aber für mich steht ganz klar fest, dass ich lieber in der Kreis- oder Bezirksliga kicken würde, als gar nicht mehr zu spielen. Ich habe ja mal ein halbes Jahr zwischenzeitlich nochmal für meinen Heimatverein SSV Oranien Frohnhausen gespielt, was auch in der Bezirksliga war. Was komisch ist, wenn man sonst eigentlich immer Ober- oder auch Regionalliga gespielt hat. Da muss man sich dann schon dran gewöhnen. Aber im Endeffekt, wenn es mein Körper hergibt, würde ich natürlich auch die Liga spielen, anstatt, dass ich gar nicht mehr gegen den Ball treten würde. Das steht fest.“

FussiFreunde: Du scheinst nicht nur als Verteidiger auf dem Platz ein Kämpfer zu sein. Hilft Dir das, weitere Hoffnung zu schöpfen?

Waldschmidt: „Ich denke im Moment nicht darüber nach, dass ich für immer mit dem Fußball aufhören muss, denn wenn ich mir diese Gedanken mache, dann sieht es wirklich ganz böse in mir aus. Ich hoffe einfach, dass es irgendwo am Ende des Tunnels noch ein kleines Licht gibt, und, dass ich vielleicht irgendwann wieder auf dem Platz stehen und trainieren kann. Ich bin trotz allem im Moment eigentlich noch guter Dinge, dass es nochmal was wird, denn ich bin einfach zu jung, um damit abzuschließen. Und vom Gefühl her will ich auch nicht damit abschließen und deswegen ist die Hoffnung bei mir weiterhin vorhanden.“

FussiFreunde: Wir drücken Dir jedenfalls ganz fest die Daumen, dass Deine Heilung so verläuft, wie Du es Dir vorstellst, damit Du alsbald wieder auf dem Platz stehen kannst und danken Dir für dieses Interview!

Autor: Mathias Merk