Fischer: „Ich hätte mich liebend gerne anders verabschiedet“

Ex-Pinneberg-Coach nach seinem Abgang im großen Interview

05. Januar 2016, 11:43 Uhr

Für Michael Fischer kam das Ende in Pinneberg sehr abrupt. Foto: KBS-Picture.de

Nach zehneinhalb Jahren kam das abrupte Ende: Am Montagabend um 20:37 Uhr informierte der VfL Pinneberg darüber, dass man sich mit sofortiger Wirkung von seinem Cheftrainer Michael Fischer getrennt habe. Ein Entschluss, der vielerorts für heftige Diskussionen sorgte. Eigentlich wollte der Übungsleiter den VfL erst am Saisonende nach elfjähriger Tätigkeit von sich aus verlassen. Wir haben uns ausführlich mit dem 48-Jährigen unterhalten und auch aktuelle sowie ehemalige Weggefährten zu Wort kommen lassen…

Mitte November machte David Fock den Anfang in Pinneberg, als er sein Amt als Liga-Obmann für Außenstehende etwas überraschend zur Verfügung stellte. „Schlimm, wenn man mit ansehen muss, wie eine einzige Person im Fußballvorstand die Herren-Abteilung innerhalb eines Jahres an die Wand fährt, obwohl auch sein Abschied bereits beschlossene Sache ist!“, kommentiert der langjährige Fischer-Kumpane die Entlassung seines Freundes auf „facebook“. Ihm zur Seite springt Hossein Zolfaghari, der selbst beim SC Egenbüttel aktiv ist. „Nach Fock nun Fischer… Die Personen, die über Jahre den VfL geprägt und dorthin gebracht haben, wo er jetzt steht! Sehr schade! Wer Fischer irgendwas vorwirft, hat keine Ahnung von Loyalität im Amateurfussi. Er hätte einen würdigeren Abschied verdient gehabt... definitiv! Und abgestiegen wären sie niemals mit ihm!“ Auch die Spieler des VfL Pinneberg zeigen sich verwundert. Angreifer Artur Frost: „Das ist große Sch…, ich verstehe es nicht.“

FussiFreunde: Für viele Beobachter kommt nicht nur die Entscheidung an sich, sondern auch der Zeitpunkt der Trennung überraschend.

David Fock (l.) und Michael Fischer waren über Jahre hinweg ein erfolgreiches und vertrautes Team in Pinneberg. Foto: KBS-Picture.de

Fischer: „13 Punkte aus 17 Spielen sind natürlich nicht die Welt und ich bin lang genug im Geschäft, um zu wissen, dass man sich als Verein da auch Gedanken macht. Ich kann die sportliche Entscheidung des Vereins durchaus verstehen. Wenn man Gefahr läuft, die Ziele zu verfehlen, dann muss man irgendwelche Mechanismen in Gang setzen und darf keine Mitleidsentscheidungen treffen – das ist in dem Fall geschehen. Dass es nun so gekommen ist, ist gerade für mich nach zehneinhalb Jahren sehr unglücklich, bedauerlich und ärgerlich. Ich hätte mich gerne anders verabschiedet. Aber ich habe der Mannschaft schon vor Wochen gesagt, dass es nicht um mich oder irgendwelche Abschiede geht, sondern darum, dass der VfL Pinneberg in der Oberliga bleibt und Thorben Reibe neuer Cheftrainer wird. Das ist nun ein bisschen früher als erwartet eingetreten – und ich hoffe, dass diese Entscheidung dem Verein Recht geben wird. Wenn man der Meinung ist, in der neuen Konstellation das letzte Quäntchen rausdrücken zu können, dann muss man so handeln. Ich drücke der Mannschaft und Thorben Reibe natürlich alle Daumen!“

FussiFreunde: Hat sich die Entscheidung des Vereins bereits in den letzten Wochen angebahnt oder sind ganz aktuell Dinge vorgefallen, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben oder ist es tatsächlich ein rein sportlicher Entschluss gewesen?

Fischer: „Man hat sich zwischen den Feiertagen im Vorstand über die Situation unterhalten und dann diese Entscheidung so getroffen. Ich habe unzählige Nachrichten von Trainerkollegen, Spielern und anderen Leuten erhalten, die den Zeitpunkt ebenfalls für etwas kurios erachten und unglücklich finden, da der Trainer ja schon die Vorbereitung auf die Rückrunde geplant hat. Aber ich bin dafür der verkehrte Ansprechpartner, kann nichts dazu sagen, warum man nicht nach dem Meiendorf-Spiel diesen Entschluss gefasst hat. Das einzige, was ich weiß: Man hat sich im Vorstand beraten, das hat offensichtlich ein paar Tage gedauert und dann wurde ich über die Entscheidung informiert.“

FussiFreunde: Auch für Thorben Reibe ist es sicherlich keine einfache Aufgabe, nun ins kalte Wasser geschmissen zu werden…

Fischer: „Für ihn ist es sicherlich schwer, da nächsten Montag auch Trainingsauftakt ist. Ich werde mich heute nochmal in Ruhe mit ihm unterhalten und gehe auch davon aus, dass er die bereits durchgeplante Vorbereitung mit den abgemachten Testspielen und Trainingseinheiten im Torneum in Tornesch so beibehalten wird. Alles andere dürfte auch etwas schwierig sein, wenn er jetzt noch einen komplett neuen Vorbereitungsplan schmieden müsste.“

FussiFreunde: Nach zehneinhalb Jahren, zwei vierten Plätzen in Folge – wohlgemerkt mit bescheidenen Mitteln – und bei aktuell noch zwei Spielen mehr in der Hinterhand als die Konkurrenz: Hättest Du Dir in dieser Phase nicht etwas mehr Rückendeckung vom Verein gewünscht?

Thorben Reibe soll die Kohlen nun aus dem Feuere holen. Foto: KBS-Picture.de

Fischer: „Ich bin vor ein paar Jahren ja leider als Trainer mit dem Verein in eine Spielklasse abgestiegen, in der man sich in den letzten 49 Jahren nicht wieder gefunden hat – nämlich in eine Liga, die eine unter Hamburgs höchster Spielklasse ist. Trotzdem hat man mir das Vertrauen ausgesprochen und mich weiter arbeiten lassen. Damals war ich mir auch bis zum letzten Spieltag sicher, dass wir den Klassenerhalt schaffen. Da hat mich meine Sicherheit im Stich gelassen. Zum Glück haben wir es innerhalb von drei Jahren geschafft, in die Oberliga zurückzukehren. Ich kann den Verein durchaus verstehen, denn 13 Punkte sind sicher nicht die Welt. Zwar haben wir zweimal gegen Dassendorf und zweimal gegen Condor gespielt, also letztendlich sind auch Jan Schönteich und Christian Woike dafür mitverantwortlich, dass ich gehen muss (lacht). Ich stand auch mit beiden in Kontakt und habe es ihnen so weitergegeben. Manchmal enden Freundschaften schneller, als sie angefangen haben (lacht). Aber zurück zum Sportlichen: Natürlich haben wir noch zweimal Lurup und zwei Spiele mehr in der Hinterhand. Aber der Verein ist in der Jetzt-Situation und die besagt, dass wir punktgleich mit dem ersten Abstiegsplatz sind. Hätten wir in unseren letzten drei Spielen innerhalb einer Woche gegen Türkiye, Condor und Meiendorf anstatt der zwei vielleicht sieben Punkte geholt, dann hätte man sich darüber wahrscheinlich gar nicht unterhalten müssen. Aber Fußball ist nun mal ein Tagesgeschäft und am heutigen Tag sieht es in der Tabelle nicht gerade rosig aus. Der Verein hatte die Befürchtungen, dass es unter meiner Regie knapp werden oder nicht langen könnte. Natürlich habe ich da eine andere Meinung, aber ich muss es respektieren. Ich habe den Verantwortlichen auch klar gesagt, dass ich kein Trainer auf Mitleidsbasis sein möchte nur wegen der zehneinhalb Jahre! Es ist einfach schade, dass es so endet.“

FussiFreunde: Aktuell überwiegt sicherlich noch die Enttäuschung, aber schwingt auch ein Stück weit Erleichterung bei Dir mit?

Fischer: „Komischerweise wurde mir diese Frage schon einmal gestellt. Ich kann sie mit einem klaren ‚Nein‘ beantworten. Ich hätte es liebend gerne mit meiner Mannschaft, für die ich verantwortlich bin, sportlich positiv beendet! Natürlich bin ich maßlos enttäuscht darüber, dass ich nun nicht mehr die Chance dazu habe. Deshalb überwiegt natürlich die Enttäuschung, aber ich muss es respektieren. Denn ich habe aber auch immer gesagt, dass es für diese 13 Punkte nur einen gibt, der dafür verantwortlich ist: Ich bin der Trainer, stelle die Mannschaft zusammen, trainiere sie, mache die Taktik, wechsle ein und aus.“

FussiFreunde: Nun ist die Entscheidung gerade erst bekannt geworden, aber gibt es schon Planungen, wie es für Dich weitergeht?

Fischer: „Nein, im Moment noch nicht. Ich bin ganz ehrlich: Nach der Tornesch-Geschichte, wo ich Ende des Jahres eigentlich dachte, dass es was werden könnte, gibt es aktuell noch nichts Konkretes. Ein Ex-Spieler von mir schrieb mir direkt nach Bekanntgabe der Entscheidung, dass ich meinen Freunden im Januar nicht zu viele Versprechen machen solle, da ich Mitte des Monats bestimmt wieder irgendwo auf dem Acker stehen werde. Am vergangenen Wochenende war ich mit meinen beiden Söhnen beim Eishockey, beim Auswärtsspiel der Freezers in Iserlohn. Wenn nichts kommen sollte, werde ich vielleicht auch ‚Auswärtssupportbeauftragter‘ bei den Freezers oder ich kümmere mich ein wenig um meinen Body-Mass-Index (lacht). Es gibt sicherlich die eine oder andere Option, ich will aber auch nicht ausschließen, dass ich innerhalb der nächsten Wochen oder Monate wieder irgendwo tätig sein werde. Meine Frau hat schon die Augen verdreht, da sie Angst davor hat, dass ich jeden Abend zu Hause bin (lacht). Aber ich bin ja normalerweise eh ein HB-Männchen, kann nicht sitzen, muss auch am Spielfeldrand immer stehen und brauche das Feuer und Adrenalin. Deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen, dass meine Trainerlaufbahn jetzt beendet ist. Dafür habe ich viel zu viel Spaß daran, und auch der Erfolg war in den letzten Jahren nicht so klein – all das ist Ansporn genug, um weiter zu machen. Ich lasse nun alles in Ruhe auf mich zukommen und warte ab, was da kommt. Ich habe immer gesagt, dass ich für alles offen bin. Trotzdem muss ich einfach sagen, dass das Ende des letzten Jahres und der Start in 2016 für mich sicherlich alles andere als rosig verlaufen sind.“