Landesliga Hansa

„Man muss sich die Frage stellen, ob es Sinn macht, öffentlich so einen Druck auszuüben“

Lohbrügges Coach Elvis Nikolic im Interview

02. August 2019, 15:05 Uhr

Für Elvis Nikolic, Trainerkollege Sven Schneppel und den VfL Lohbrügge begann die Saison alles andere als glücklich. Foto: Bode

Sie sind der große, auch selbsternannte Kandidat auf den Aufstieg aus der Landes- in die Oberliga. Die Rede ist vom VfL Lohbrügge. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Am ersten Spieltag verlor die Equipe vom Binnenfeldredder gegen den ASV Hamburg, unter der Woche schied das Team von Elvis Nikolic und Sven Schneppel gegen Kreisligist SV Hamwarde aus dem LOTTO-Pokal aus. Wir haben mit Nikolic im Interview über das sportliche Geschehen, den plötzlichen Abgang von Javad Gurbanian sowie dessen Vorwürfe an die beiden Coaches und die deutliche Vorgabe von Manager Mato Mitrovic an Schneppel und Nikolic gesprochen. 

Elvis, 2:3 am ersten Spieltag gegen Aufsteiger ASV, dann 0:1 in Pokal gegen Hamwarde. Wie viel Spaß macht es eigentlich derzeit, Trainer des VfL Lohbrügge zu sein?

Elvis Nikolic: (lacht) Ich habe weiterhin viel Spaß, weil das eine richtig gute Truppe ist. Wir Trainer sind natürlich alles andere als glücklich über den Start. Allerdings wissen Sven Schneppel und ich auch, dass es im Fußball immer wieder solche Phasen gibt, wo es nicht läuft. Mal kommt so eine Phase am Anfang einer Saison, mal in der Mitte, mal am Ende. Ich denke aber, dass wir über 30 Spieltage gesehen schon in der Lage sind, genügend Punkte einzufahren, um da zu landen, wo wir hin wollen.

Punkte einfahren ist ein gutes Stichwort. Euer Manager Mato Mitrovic hat in einer Bergedorfer Lokalzeitung gefordert, ihr müsstet jetzt mit der Mannschaft aus den ersten zehn Spielen 25 Punkte holen. Wie geht man mit so einer Vorgabe um?

Nikolic: Ich denke, wenn man das als Außenstehender liest, dann macht das schon einen komischen Eindruck, so etwas nach dem ersten Spieltag öffentlich zu fordern. Ich weiß allerdings, wie Mato als Typ ist und spricht – er ist ja, genau wie ich, Kroate. Die Vorgabe ist nicht so hart, wie es da geschrieben steht. Trotzdem: Man muss sich die Frage stellen, ob es Sinn macht, öffentlich so einen Druck auszuüben. Nicht, was uns Trainer betrifft. Ich will nicht sagen, dass wir entspannt sind, aber wir sind da sehr sachlich und machen weiter unseren Job. Ich denke da eher an die Spieler und ob es gut ist, so einen Druck auszuüben. Aber ich kann mir Mato eben auch vorstellen, wie er in seiner Art ist und wie er das in seinem Deutsch-Kroatisch rausgehauen hat.

Wenn's nicht läuft, sucht man nach Gründen, warum's nicht läuft. Welche habt ihr gefunden?

25 Punkte aus den ersten zehn Spielen – so lautet die Vorgabe von Manager Mato Mitrovic an das Trainerduo und die Mannschaft. Foto: Bode

Nikolic: Niederlagen zum Auftakt haben in Lohbrügge fast schon Tradition (lacht). In den letzten zehn Jahren gab es im ersten Spiel der Saison nur ein Mal einen Sieg. Ich finde, man muss nicht nur über unsere Niederlagen reden, sondern auch Respekt vor den Gegnern haben. Der ASV Hamburg ist ein Aufsteiger, der nach dem Aufstieg viel Euphorie hat und auch eine hohe Qualität im Kader besitzt. Wir müssen solch eine Aufgabe annehmen, aber bei der Niederlage eben auch die gute Leistung des ASV würdigen. Wir beginnen in der zweiten Minute mit einem Tor und danach habe ich schon erkannt: Bei uns haben einige runter geschaltet und sich wohl gedacht, dass es wie in der Vorbereitung weitergeht. Der ASV hat das gemerkt und leidenschaftlich und mit hoher Qualität darauf reagiert. Das führte dann am Ende zum Ergebnis (2:3 aus VfL-Sicht, Anm. d. Red.). Auf das Pokalspiel bezogen, muss ich sagen, dass es bitter ist, gegen einen Kreisligisten auszuscheiden. Allerdings darf man auch da nicht vergessen: Hamwarde hatte vorher schon V/W Billstedt rausgeworfen und wir haben in dem Spiel mehrfach die Latte oder den Pfosten getroffen. Geht einer dieser Bälle rein, macht man eigentlich obligatorisch auch noch einen zweiten oder dritten Treffer. Dass es diesmal anders war, passt zu unserer derzeitigen Phase. 

Obendrein gab es vorm Pokalspiel die Meldung, dass Javad Gurbanian nicht mehr für den VfL auflaufen will. Wieso hängt bei euch der Haussegen so schief?

Nikolic: Javad hat sich mit den Aussagen, die er getätigt hat, selbst keinen Gefallen getan, was seine Außendarstellung angeht. Er hat bei uns in der Vorbereitung eine Woche trainiert und vier Wochen verletzungsbedingt gefehlt. Dann ist es das Selbstverständlichste und Normalste der Welt, dass die Trainer andere Spieler, die durchgehend trainiert haben, vorziehen. Selbst unser Mannschaftsrat steht hinter der Entscheidung, dass wir Javad zunächst nicht für den Kader nominiert haben, weil wir 20 Spieler haben, die auf einem anderen Fitness-Level sind, als er. Das ist ganz normal. Dass er dann proaktiv an die Presse herantritt uns sagt, dass er geht, weil die Trainer ihn respektlos behandelt haben – damit hat er sich selbst am meisten geschadet. 

In wie weit war es absehbar, dass es zu Reibungen kommen könnte? Euer Kader ist exzellent besetzt. Bei denen, die draußen sitzen, kommt offenbar schnell Unmut auf…

Nikolic: Ich habe damit gerechnet. Ich habe schon in der Vorbereitung zu Mato Mitrovic gesagt: Du haust uns hier so einen Kader hin, da werden ganz sicher Spieler kommen, die unzufrieden sind! In der Vorbereitung lief alles super, aber so ab zwei Wochen vorm Start wollen alle eben unbedingt spielen. Insofern war es klar, dass es zu Reibungen kommt. Aber unser Kader wird sich dahingehend selbst bereinigen. Und das zeigt mir, dass wir dann gut aufgestellt sind. Die Hierachie hat sich bislang noch nicht so gebildet, das kommt jetzt langsam. Auch, weil mit Anto Zivkovic einer der Anführer noch in Bosnien ist.

Inwiefern selbst bereinigt? Kannst du da ins Detail gehen?

Zu Javad Gurbanian und dessen Abgang äußert Nikolic im Interview eine ganz klare Meinung. Foto: Bode

Nikolic: Nebojsa Brkic hat bei uns aufgehört und zählt nicht mehr zum Kader. Ahmed Abdul Hafiz hat uns ja auch schon Richtung Düneberger SV verlassen. Vielleicht tut sich noch mehr.

Wie wollt ihr es schaffen, jetzt wieder Ruhe ins Team zu bringen?

Nikolic: Wir haben in den Gesprächen in der Phase, wo es jetzt nicht gut lief, festgestellt, dass uns das vielleicht sogar gut getan hat. Mato als Manager, die Trainer und die Mannschaft liegen auf einer Linie. Der Mannschaftsrat hat klar gesagt: Wir stehen hinter den Trainern – sowohl was das Sportliche als auch das Menschliche angeht. Wir werden durch diese Situation alle noch enger zusammenrücken. Das gibt mir Hoffnung. Zudem ist die Mannschaft heiß darauf, endlich den Bock umzustoßen und das nächste Spiel zu gewinnen.

Am Samstag wartet mit dem TuS Berne ein Gegner, der gegen den Abstieg kämpfen wird. Wie groß ist trotz allem Siegeswillen das Risiko, dass die Mannschaft einen solchen Widersacher jetzt auch noch auf die leichte Schulter nimmt und der Fehlstart perfekt ist?

Nikolic: Ich glaube, es ist ausgeschlossen, dass die Mannschaft das Spiel und den Gegner auf die leichte Schulter nimmt. Es ist zwar gerade das Spannende, dass man im Fußball das Zustandekommen von Ergebnissen und Spielverläufen nicht vorhersagen kann. Da ist doch relativ viel Zufall dabei. Aber auf die leichte Schulter nehmen? Ausgeschlossen! Das passiert auf keinen Fall!


Interview: Jan Knötzsch