Oberliga

„Wenn einer wie Gattuso oder Effenberg ist, heißt’s direkt: Was ist das für ein Spinner?“

BU-Trainer Marco Stier im FussiFreunde-Interview

21. Juni 2019, 13:49 Uhr

Für die neue Saison hofft Marco Stier, dass sie aus BU-Sicht noch spektakulärer wird als die letzte – aber auch erfolgreicher. Foto: Bode

Er ist das, was man gemeinhin wohl als einen streitbaren Geist bezeichnet: Marco Stier. Manche mögen den Coach des HSV Barmbek-Uhlenhorst, manche nicht. Wir haben mit dem 35-Jährigen über sein erstes Trainerjahr im Hamburger Amateurfußball, seine polarisierende Persönlichkeit und das sportliche Abschneiden der Barmbeker gesprochen. Zudem blicken wir mit Stier auf die neue Spielzeit, seinen Plan mit den bislang sechs BU-Zugängen und das Ziel für die Saison 2019/2020 voraus. 

Marco, die alte Saison ist gerade einmal ein paar Wochen her, die neue steht vor der Tür. Hast du zwischendurch überhaupt mal vom Fußball abschalten können oder geht‘s gar nicht ohne?

Marco Stier: Ohne Fußball ist es in der Tat schwierig. Bei mir dreht sich eigentlich sieben Tage pro Woche 24 Stunden lang alles um Fußball. Das zieht sich bei mir durch die ganze Familie. Wenn man, so wie in der Pause, mal ein bisschen Zeit hat und sich sieht, spricht man natürlich auch über Fußball. Außerdem: Als Trainer ist man immer beschäftigt, muss hier und da was organisieren oder mit Neuzugängen sprechen. So richtig loslassen kann und konnte ich also nicht.

Drehen wir die Zeit mal ein Jahr zurück. Damals hast du im FussiFreunde-Sonderheft gesagt, dass ihr eine „geile und spektakuläre Saison“ spielen wollt. Wie geil war sie rückblickend denn aus deiner Sicht?

Im FussiFreunde-Interview spricht Stier (vo.) auch darüber, warum er als Coach und Person polarisiert. Foto: Bode

Stier: (lacht) Das ist eine gute Frage, Sie war auf jeden Fall spektakulär. Als ich hier angefangen habe, da stand BU für zuletzt zwei Jahre Rückschritt – sowohl was den Zuwachs an Fans angeht als auch das Fußballerische. Die Spielidee war defensiv. Mir war es wichtig, dass wir offensiver spielen und lieber mal mit einem 5:4 oder einem 4:3 gewinnen als mit einem langweiligen 1:0. Ich denke, das mit dem offensiveren Fußball haben wir hinbekommen. Ohne es durch die rosa-rote Brille zu sehen: Wir haben Woche für Woche diese offensive Spielweise gezeigt. Das sieht man an den vielen Chancen, die wir uns in den einzelnen Spielen erarbeitet haben. Klar, manchmal waren die Ergebnisse nicht so positiv. Weil wir die Chancen nicht genutzt haben. An und zu haben die Spieler diese Spielweise aber auch falsch verstanden. Wir hätten das eine oder andere Spiel sicher anders über die Zeit bringen können, als nur nach vorne zu spielen und hinten vielleicht die Defensive zu vernachlässigen.

Warum ist der sechste Platz für BU aus der vergangenen Saison ein Erfolg? Eigentlich bist du ja jemand, der immer nach dem Optimum strebt…

Stier: Ich muss mich da selbst ein bisschen von meinen eigenen Erwartungen runterholen. Eigentlich wäre ich mit so einem sechsten Platz nicht zufrieden gewesen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir um Platz drei oder vier spielen. Wenn man dann aber mal in die Analyse geht und es reflektiert betrachtet: Ich habe mir den Kader von Bayern aus zusammengestellt. Ich war 18 Jahre lang nicht in Hamburg, ich habe während der ersten Kaderzusammenstellung vor der Saison ja in Bayern noch eine andere Mannschaft trainiert. Die Neuen, die wir zu BU geholt haben, habe ich in ein paar Szenen auf Videos gesehen, habe meine Idee gehabt, wie sie passen könnten und dann haben wir die Gespräche geführt. Wenn man mit dieser Mannschaft dann 60 Punkte holt, mit denen ich bei meinen vorherigen Teams Meister geworden und aufgestiegen wäre, dann ist das in Ordnung – gerade, weil andere Mannschaften in der letzten Saison eben auch sehr gut drauf waren. In der neuen Serie wollen wir noch weiter hoch.

Was hat deiner Mannschaft denn in der vergangenen Spielzeit gefehlt, um am Ende noch weiter oben zu stehen?

Edison Sa Borges Dju ist aus Stiers Sicht der schnelle Stürmer, der den Barmbekern bislang gefehlt hat. Foto: KBS-Picture.de

Stier: Das lag definitiv an der Chancenauswertung. Und: Man muss auch mal hinterfragen, warum man 25 Punkte gegen Mannschaften liegenlässt, die um den zehnten bis 18. Platz spielen. Jeder weiß, dass wir im Vergleich dazu qualitativ besser besetzt sind. Vielleicht waren wir in diesen Spielen zu naiv, wenn wir sie nicht zu unseren Gunsten entscheiden konnten. Man muss so ein Spiel dann eben vielleicht doch mal mit 1:0 gewinnen, statt immer nach vorne zu spielen und noch mehr Tore zu schießen und dabei die Defensive zu vernachlässigen. So ein Spiel wie beim HEBC musst du einfach nach Hause bringen und nicht 8:2 gewinnen wollen. Das geht schief. Dahingehend war ich nicht zu 100 Prozent mit den Führungsspielern zufrieden. Ein, zwei von ihnen hätten das Heft mehr in die Hand nehmen können. Klar ist auf jeden Fall: Wir müssen in der Chancenverwertung effektiver werden, gerade gegen die vermeintlich kleinen Gegner.

Mit Johannes Höcker, Eric Owusu, Dominik Ulrich, Elias Saad, Arnold Hoeling und Edison Sa Borges Dju hat BU bislang sechs Neue geholt. Gerade die Zahl der Defensiven ist dabei hoch… Wie planst du mit ihnen?

Stier: Das mit den Defensiven stimmt. Wir haben uns punktuell verstärkt. Dass wir hinten das eine oder andere Mal zu anfällig waren, lag nicht nur an der Abwehr, sondern auch daran, dass sich die Spieler im Mittelfeld offenbar gedacht haben: Da passiert schon nichts. Was man klar sagen muss: Wir hatten ein Problem auf der Torwartposition. Oliver Gaedtke hat Qualität, aber er ist noch kein guter Oberliga-Torwart. Er hat seine Chance nicht genutzt, das habe ich ihm auch gesagt. Ich glaube, dass es ihm guttut, wenn er noch zwei Jahre einen Johannes Höcker vor der Nase hat. Höcker ist eine absolute Top-Verpflichtung. Beim ersten Training nach der Sommerpause haben wir im Trainerteam eine Gänsehaut bekommen, als wir mitbekommen haben, wie er mit seinen Vorderleuten kommuniziert, wie lautstark er ist. Die Torhüterposition war eine Schraube, an der wir drehen mussten.


Wie Stier mit den anderen fünf Zugängen plant, welches Ziel er anstrebt und was er zu seinem Image im Hamburger Amateurfußball sagt, lest ihr auf der zweiten Seite. 

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