Kolumne

Siegen oder Fliegen – und (k)ein Kraut, das gegen Titelfavoriten gewachsen ist

Abpfiff – Die FussiFreunde-Kolumne

07. Oktober 2019, 15:53 Uhr

Foto: KBS-Picture.de

In unserer Kolumne „Abpfiff“ greifen wir die wichtigsten Themen der vergangenen Woche und des Wochenendes im Hamburger Amateur-Fußball auf und kommentieren diese. Dieses Mal geht es um die Abstiegssorgen beim SV Curslack-Neuengamme und dem TSV Buchholz sowie den Aufstiegskampf in den beiden Landesligen, bei dem in der Hansa-Staffel der VfL Lohbrügge einsam seine Kreise zieht, während es in der Hammonia-Staffel immerhin noch einen Zweikampf zwischen dem HEBC und TuRa Harksheide gibt. 

Nein, irgendwie mag man es so recht nicht glauben. Egal, wen man in der Landesliga Hansa auch fragt, die Meinung ist einhellig: Dem VfL Lohbrügge wird in dieser Saison keiner die Butter vom Brot nehmen, wenn es um den Aufstieg in die Oberliga geht. Zu stark ist das Teeam vom Binnenfeldredder besetzt, zu sehr greifen die Rädchen dort ineinander, zu groß sind die finanziellen Möglichkeiten, als dass auch nur ein Kontrahent annährend mit den Mannen des Trainer-Duos Sven Schneppel und Elvis Nikolic Schritt halten könnte. So oder ähnlich konnte man das schon vor der Saison hören. Und auch auf dem Rasen sieht die Realität exakt so aus: Gegen den SC Condor behielt Lohbrügge zum Beispiel mit 7:0 die Oberhand, gegen Altengamme geriet man jüngst zwischenzeitlich zwar ins Straucheln, schlug aber vorher eben doch ausreichend zu. Einzig und allein der ASV Hamburg konnte den „Wild Boys“ bislang ein Bein stellen – und das auch bereits zu Saisonbeginn. Also vor zehn Spieltagen. Inzwischen ist das Ensemble vom „Binner“ so gut eingegroovt, dass irgendwie kein Kraut gegen den VfL gewachsen ist.

Spitzenreiter HEBC: Motzender Kocadal als „Motor“ gegen zu viel Zufriedenheit

Der Taktgeber am Reinmüller: HEBC-Coach Özden Kocadal. Foto: Both

Das ist eineseits gut, lässt die exquisite Zusammenstellung des VfL-Kaders doch hoffen, dass Lohbrügge im Falle eines Sprunges in die Oberliga noch einmal ähnlich gut nachrüsten wird und nicht zum Kanonenfutter verkommt. Andererseits aber ist es auch schlecht, ist in der Staffel nach elf Spieltagen die Spannung doch quasi schon raus. Klar, hier und da wird das Schneppel-Nikolic-Team in der Saison sicher nochmal stolpern und nicht 19 weitere Siege erreichen, wie es Altengammes Trainer Jan Krey am vergangenen Samstag schon ehrfürchtig vermutete. Am Ende aber wird sich die Klasse, die der VfL dank finanzieller Masse nun mal hat, durchsetzen. Der einzige Faktor, auf den man in Lohbrügge dabei achten muss: Man darf nicht locker lassen, keinen Gegner unterschätzen und muss in Sachen Selbstmotivation immer noch die paar Kleinigkeiten mehr als die üblichen 100 Prozent abliefern. Kurzum: Sich von der eigenen Überlegenheit einlullen zu lassen, ist strengstens verboten. Und in der Landesliga Hammonia? Nun, da gibt’s immerhin noch einen vertiablen Zweikampf zwischen dem HEBC und TuRa Harksheide, die beide bislang kein einziges Saisonspiel verloren haben.

Hochachtung dafür an beide Teams. Am Reinmüller hat Trainer Özden Kocadal binnen kürzester Zeit seine Vorstellungen in die Truppe implementiert, mit der sein Vorgänger Jörn Großkopf aus der Oberliga abgestiegen war. Hier und da eine personelle Schraube gedreht, den Abgang routinierter Kräfte wie Tino Nennhaus, Jan Geist oder aber Kevin Höricke mit jungen, hungrigen Talenten aufgefangen – und schwupps: fertig ist der Tabellenführer! Der hat mit „Özi“ außen an der Linie einen weiteren Vorteil: Der Mann ist einfach nicht zufriedenzustellen, findet immer noch einen Kritikansatz und etwas, das verbessert werden mus. Ideal! Quasi ein „Motzer“ als der Motor gegen zu viel Zufriedenheit. Ein kluger Schachzug der Verantwortlichen um Manager „Speedy“ Vamvakidis, Kocadal zu holen. Auch vor TuRa kann man nur den Hut ziehen. Manager Philipp Penkwitt und Trainer Jörg Schwarzer haben – irgendwie ein bisschen im stillen Kämmerlein – schon in der vergangenen Serie ein starkes Projekt angestoßen, dessen Füchte sie jetzt ernten. Hier heißen die Zauberworte: Junge, hungrige Spieler, die mit viel Talent gesegnet sind. Und die sind dann auch noch, so wie am Freitag gegen den SC Nienstedten, effektiv, wenn es nicht gerade rund läuft – quasi schon wie im Stile einer Spitzenmannschaft. Blöd für beide Teams, dass sie – anders als der VfL – einen (ebenbürtigen) Konkurrenten haben...

Wenn der Erfolg ausbleibt, dürften auch in Buchholz und Curslack die üblichen Mechanismen greifen

Wie soll's weitergehen? Coach Matthias Wulff und der SVCN haben derzeit kein Glück. Foto: Bode

So richtig blöd läuft es eine Klasse höher auch für den SV Curslack-Neuengamme und den TSV Buchholz 08. Die Einen – gemeint ist Buchholz – wollten laut ihres Trainers unter die Top Sechs, bei den Anderen referierte Coach Matthias Wulff vor der Saison, dass man zu den ersten Sieben der Liga gehören könne – wenn denn alles gut läuft. Läuft's aber nicht. Weder abeits des Feldes, wo das Lazarett anwächst, noch auf dem Feld, wo sich die Mannschaft schwer tut, Ergebnisse über die Zeit zu retten und zu liefern. Verwunderlich, denn auch, wenn man die Probleme mit verletzten Spielern mal außen vor lässt, ist die Qualität des kickenden Personals zu gut für den Abstiegskampf – eigentlich! Aber: Seit Torsten Henke das Traineramt vor der vorherigen Saison an Wulff abgegeben hat, stagniert der SVCN in seiner Entwicklung. Viel schlimmer noch: Es geht nun augenscheinlich noch weiter nach unten. Wulff selbst schätzt die Situation so realistisch ein, dass sein Team „jetzt ganz tief im Abstiegskampf“ steckt. Ebenso realistisch muss man auch die „Ansage“ betrachten, die der Coach vom Verein bekommen hat: Neun Punkte im Oktober müssen es sein, nachdem es ein „ergebnisoffenes Gespräch“ mit dem „Präsi“ und dem Manager gab. Wenn man ein solches Gespräch öffentlich macht, ist das berühmte Kind quasi schon in den Brunnen gefallen. Ein Ultimatum dieser Art – und schon ist man als Coach eigentlich schon mehr oder minder geliefert...

Wann und ob es auch in Buchholz ein solches Gespräch gibt (oder vielleicht schon gegeben hat?), ist bislang nicht überliefert. Sicher aber ist: Die Situation in der Nordheide ist noch prekärer als die am Gramkoweg, die Kluft zwischen Anspruch und Realität noch größer. Die Kette der Argumente, dass der Trainer neu ist und sich die Mannschaft erst an das „System Marinus Bester“ gewöhnen muss, ist oft genug hervorgeholt worden, wenn es um den Fehlstart und die Misere der „08er“ ging und geht. Alles nicht ganz so schön und gut, wie es in den letzten Wochen nach außén kommuniziert wurde. Vor allem: Wenn man sich einmal den Kader anguckt, dann muss man klipp und klar konstatieren: Qualität für mehr als nur den vorletzten Platz ist vorhanden – und: Das Ensemble spielt, bis auf einige Neue, seit Jahren fast unverändert zusammen, muss sich also zumindest untereinander nicht mehr groß eingrooven. Umso verwunderlicher, dass es es bei den Nordheidern nicht läuft. Liegt es also ergo doch daran, dass Bester und Buchholz nicht zusammen passen? Dass die Truppe einfach nicht für das gemacht ist, was der Coach spielen lassen will? Der Gedankengang, der bei diesem Thema und weiter anhaltendem Nicht-Erfolg irgendwann kommen wird ist klar, weil das Geschäft nunmal so ist. Wie in Curslack für Wulff könnte es auch für Bester in Buchholz irgendwann heißen: Siegen oder fliegen...

Jan Knötzsch