Oberliga Hamburg
14. Spieltag


TSV Sasel

3

:

4


Concordia Hamburg

Anpfiff

So - 22.10. 15:00 Uhr

Spielstätte

Alfred-Mager-Stadion

Zuschauer

160

Schiedsrichter

Sandro Birkenhof (SC Eilbek)

Oberliga

Wenn die schönste Nebensache der Welt zur hässlichsten wird…

er Gesichtsausdruck von Arbes Tahirsylaj (li.), der ein überragendes Spiel machte und an allen vier Cordi-Toren beteiligt war, spricht Bände. Foto: Nina Ruck

In eigener Sache: Lange haben wir uns mit dem Gedanken beschäftigt, ob wir den Vollidioten, die den (Amateur-)Fußball kaputt machen, die vor den Augen unschuldiger Familien und Kinder nichts Besseres im Sinn haben, als pure Dummheit walten zu lassen und in Zeiten, wo weltweit genügend große Probleme und Trauer herrschen, und ihren Zorn derart auszulassen, eine Plattform bieten wollen. Aber: Totschweigen ist auch keine Lösung! Und genau deshalb hoffen wir im Sinne des gemeinsamen Miteinanders, der Völkerverständigung, der Menschlichkeit und Gerechtigkeit sowie mit dem Glauben an das Gute, dass die entsprechenden Idioten zur Rechenschaft gezogen werden und ihre gerechte Strafe verbüßen werden. Denn Fakt ist: Solche Leute haben weder auf dem Fußballplatz noch sonst irgendwo in der Gesellschaft etwas zu suchen! Und: Handgreiflichkeiten sind keine Erklärung oder gar Entschuldigung für irgendetwas!

Schiedsrichter Sandro Birkenhof zeigt es an und gibt Arbes Tahirsylaj nach dessen Foul an Andranik Ghubasaryan in der Nachspielzeit die Ampelkarte. Danach ging's rund. Foto: Nina Ruck

95 Minuten lang haben wir uns gefreut, über ein atemberaubendes Fußballspiel zu berichten. Ein Spiel, das alles hatte, was das Fußballer-Herz begehrt (alle Highlights im LIVE-Ticker). Und vor allem: Ganz starke Concorden! „Wir wussten vorher, dass das schwer wird. Aber wir haben das richtig gut gemacht“, befand Cordi-Coach Thomas Runge, dessen Schützlinge famose erste 45 Minuten aufs Parkett legten. „Ich will nicht überheblich sein – aber: Wenn wir in der ersten Halbzeit zwei, drei Buden mehr machen – und die Chancen dazu waren da –, dann schießen wir die hier ab und die gehen heulend nach Hause. Aber mir ist es viel lieber, so ein Spiel zu haben, um die Jungs nochmal zu greifen und ihnen einige Situationen, die man besser lösen kann, aufzuzeigen“, erklärte Runge.

"Mich überrascht das nicht, dass wir solche Schritte machen"

Auf der Tribüne ging es auf einmal hoch her - zwischen dem Tahirsylaj-Lager und dem Bruder von Andranik Ghubasaryan kam es zu Provokationen und mehr. Foto: Nina Ruck

Der Meister aus Sasel war völlig von der Rolle, fand überhaupt nicht statt, leistete sich etliche unglaubliche und unerklärliche Ballverluste und Unzulänglichkeiten. Und Cordi? Die Gäste waren stets hellwach, hatten den notwendigen Zugriff und unglaublich viele Balleroberungen zu verzeichnen. Aber nicht nur das. Die Runge-Rackerer erzielten drei blitzsaubere Tore. An sämtlichen Treffern beteiligt: Arbes Tahirsylaj. Früh im Spiel köpfte Zisimos Dimakis dessen Ecke zur Führung ein (5.), ehe der Torjäger zweimal selbst zuschlug. Erst nach einem Fehler von Fatih Umurhan mit einem trockenen 18-Meter-Schuss (34.), dann nach einem Ballverlust von Arnold Hoeling gegen den pressenden Nikola Prom und einem Steckpass von Muhamed Ajruli (45.)!

3:0 zur Pause für bockstarke Concorden gegen einen nicht anwesenden Meister. Ein überraschter Runge? Mitnichten! „Jetzt bin ich mal ein bisschen arrogant und sage: Wir arbeiten ja auch drei- bis viermal die Woche da dran. Mich überrascht das nicht, dass wir diese Schritte machen. Wir sind auf einem sehr guten Weg, haben aber noch ganz viel zu arbeiten.“ Bezeichnend für den Saseler Auftritt: Als die Eckfahne nach einem versehentlichen „Wirkungstreffer“ von Andy Appiah kaputt ging und ersetzt werden musste, dauerte das Jean-Lucas Gerken zu lange: „Kann die mal jemand bringen?“, schrie er aufgebracht in Richtung Bank. Der trockene Konter von Torwart-Trainer Holger Sander: „An uns liegt es nicht, dass es 0:2 steht“ Auch Marco Stier zeigte sich beim Gang aus der Kabine sichtlich geschockt: „So etwas habe ich noch nie erlebt!“ Schon beim Pausenpfiff tüftelte er auf dem Stuhl sitzend den Plan für die zweite Halbzeit aus – und reagierte mit einem Vierfach-Wechsel! Für Hoeling, Zabihi, Toksöz und Dreca war die Begegnung vorbei. Dafür kamen Mohr, Gomes dos Santos, Kourkis und Jeske rein – und sollten das schier Unmögliche möglich machen.

Sasel verkürzt auf 2:3 - aber Cordi schlägt eindrucksvoll zurück

Andranik Ghubasaryan nach den Vorfällen auf der Tribünenseite im Austausch mit dem Schiedsrichter-Gespann über die Ereignisse. Foto: Nina Ruck

Aber Cordi zeigte sich zunächst unbeeindruckt. Bis zur 55. Minute, als Maximilian Addai an der Strafraumgrenze völlig überflüssig den Fuß gegen Lukas-Gabriel Kourkis drüber hielt. Elfmeter! Diese Chance ließ sich Abdel Hathat nicht nehmen und läutete die Aufholjagd ein (56.)! Keine 240 Sekunden später fungierte Hathat als perfekter Vorlagengeber für Tim Jeske, der mit seiner flachen Hereingabe von der Grundlinie am zweiten Pfosten den ebenfalls eingewechselten Pedro Gomes dos Santos fand – nur noch 2:3 (60.)! Sollte der Hamburger Meister nun etwas das Herz eines Champions zeigen und ein sagenumwobenes Comeback feiern? „Männer, das packen wir zu 100 Prozent!“, glaubte Stier an das kleine Fußball-Wunder.

Umso beeindruckender: Die Reaktion der Gäste. Cordi machte einfach weiter, als wäre nichts gewesen, ließ unzählige Konterchancen ungenutzt, belohnte sich aber sieben Minuten vor Ultimo. Und wieder war es Tahirsylaj, der aus der Drehung perfekt für Muhamed Ajruli durchsteckte – die vermeintliche Vorentscheidung! Aber: Denkste! Sasel schlug erneut zurück. Diesmal nach einer Flanke von Sebastian Wien auf den zweiten Pfosten und einem vollendenden Kourkis im zweiten Anlauf – nur noch 3:4 (86.)!

Zweimal Gelb-Rot: Cordi in doppelter Unterzahl

Die Saseler Spieler sind nicht einverstanden mit dem aus ihrer Sicht verfühten Abpfiff des Gespanns. Die Nachspielzeit fiel ihrer Meinung nach zu kurz aus. Foto: Nina Ruck

Doch dann wendete sich das Blatt und ein überragendes Fußballspiel geriet langsam zur absoluten Nebensache. Erst sah Dimakis die Ampelkarte und legte sich beim Verlassen des Platzes mit den verletzten Saseler Spielern an (88.). Dann gerieten Tahirsylaj und Andranik Ghubasaryan aneinander. Letzterer war kaum zu beruhigen, reagierte mit einem Griff ins Gesicht, wofür es „nur“ Gelb gab. Kurz darauf revanchierte sich der bereits gelb-verwarnte Tahirsylaj mit einem Foulspiel und bekam ebenfalls Gelb-Rot (90. +4)! Cordi nur noch zu neunt. „Aber wir haben sogar in doppelter Unterzahl noch die Chance auf das fünfte Tor“, sprach Runge auf den Hundertprozenter von Joel Osei Szillat, der freistehend an Johannes Höcker scheiterte, an (90. +5).

Spieler und Offizielle haben mit den Emotionen zu kämpfen

Sasel hingegen verpasste zweimal den Ausgleich. Erst zielte Gomes dos Santos nach Gerken-Assist über das verwaiste Gehäuse (90.), dann köpfte Deniz Yilmaz eine Wien-Hereingabe völlig freistehend am Kasten vorbei (90. +3). Und damit zurück zum Duo Tahirsylaj/Ghubasaryan. Abseits des Spielgeschehens soll es zu verbalen Beleidigungen gegenüber dem jüngeren Bruder von Sasels „Achter“ gekommen sein. Die verbalen Entgleisungen mündeten in einem Handgemenge mit Handgreiflichkeiten, was Ghubasaryan auf dem Platz mitbekam und seinem Bruder auf der Tribüne, wo es inzwischen zu allerhässlichsten Prügelszenen kam, zur Hilfe eilen wollte. Auch Kourkis gesellte sich dazu. Der Sport geriet komplett in den Hintergrund. Ein Fußballspiel wurde von Vollidioten – vor den Augen von Kindern (!) – kaputt gemacht!

Nachdem sich die Szenerie ein Stück weit beruhigt hatte und die Polizei eintraf, bat Referee Sandro Birkenhof beide Mannschaften noch einmal auf das Grün, zeigte Ghubasaryan und Kourkis, die den Platz verließen, den roten Karton und pfiff dann ab. Allen Beteiligten stand der Schock ins Gesicht geschrieben. Spieler und Verantwortliche erkundigten sich zunächst bei ihren anwesenden Familien, ob alles in Ordnung sei. Ein sichtlich aufgelöster Marco Stier hatte – wie viele andere auch – mit den Emotionen zu kämpfen, herzte seine Kinder und wollte sich angesichts der Situation nicht weiter zu den Vorfällen äußern. Manchmal ist weniger eben doch mehr!

"Ich weiß nicht, wer da was angezündet hat"

Der Fußball von seiner allerhässlichsten Seite. Wilde Prügelszenen und Gewaltausbrüche am Saseler Parkweg - und beinahe ein Spielabbruch. Foto: Kormanjos

Währenddessen erklärte Runge auf Nachfrage: „Ich weiß nicht, was da los war und wer was angezündet hat. Es ist ja immer so, wenn die eine Mannschaft glaubt, da kriegt einer Gelb, aber es wurde ins Gesicht geschlagen, dann kommt immer so ein bisschen Gift rein – ohne damit jetzt dem Schiri einen Vorwurf zu machen. Und wenn dann auch noch von außen angeheizt wird, dann ist es einfach nur schade, weil es aus meiner Sicht ein ganz tolles Oberliga-Spiel war. Es ging hin und her, beide Teams haben mit offenem Visier gespielt. Im Grunde genommen war es ja auch ein total faires Spiel. Und es freut mich für die Mannschaft, dass wir gezeigt haben, dass wir auch so ein Spiel gewinnen können. Ich glaube auch, dass das verdient war.“

Ein Sieg mit einem Geschmäckle, ganz sicher auch mit einem Nachspiel – und hoffentlich auch mit drastischen Strafen…