Der Amateur-Blog

Krauses Kapitel: Schiri, der hat schon Gelb!

29. Juni 2021, 12:14 Uhr

Mit seinem eigenen Blog "Krauses Kapitel: Schiri, der hat schon Gelb!" gibt Osdorf-Capitano Bennet Krause (re.) einen Einblick in das Leben eines Amateurfußballers. Foto: noveski.com

25 Jahre TuS Osdorf – Bennet Krause hat gerade erst ein ganz besonderes und in der heutigen Zeit fast schon einmaliges Jubiläum hinter sich. Der Kapitän der „Blomkampler“ hat in diesem Vierteljahrhundert alles rund um den Verein miterlebt – vom Aufstieg aus der Kreisklasse bis in die höchste Hamburger Amateurliga und zu einem der angesehensten Vereine in Hamburg. In all den Jahren hat sich „BK4“ den Ruf erarbeitet, alles für seinen TuS auf dem Platz zu geben und zu lassen – mit allen Mitteln, am Rande des Erlaubten und oft auch zum Leidwesen der gegnerischen Teams. Nun hat der 33-Jährige seine philosophische Ader entdeckt und wird uns künftig mit seinem eigenen Blog „Krauses Kapitel: Schiri, der hat schon Gelb!“ in das Leben eines Amateurfußballers einweihen…

Blog 06: Wade gut, alles gut

Foto: Bennet Krause

Den Ball ziehe ich mit der Sohle zurück. Ein kleiner Haken. Eine Körpertäuschung. Ich drehe mich um die eigene Achse, verliere im Getümmel des Zweikampfes kurz die Kontrolle und sinke zu Boden. Ruckartig trifft mich ein stechender Schmerz in der Wade. Die Schmerzen rauben mir für einen Moment den Atem. Eine fiese Prellung? Ein Pferdekuss? Ich richte mich wieder auf. Die ersten Schritte fühlen sich an, als hätte mir jemand einen Tennisball im Unterschenkel verpflanzt. Rauslaufen. Daumen hoch in Richtung Trainer ist für alle das Signal weiterzuspielen. 

Das Trainingsspiel wird fortgesetzt. Kleinere Pausen nutze ich zum Kühlen. Nachdem die Einheit beendet ist, das Adrenalin sich langsam abgebaut hat, realisiere ich die Schwellung in meiner Wade. Zuhause geht es direkt auf die Couch. Das Abendessen besteht aus Ibuprofen und Kytta Salbe. Der nächste Morgen ist nicht angenehm. Der Umfang meiner rechten Wade hat sich offensichtlich verdoppelt. Nachmittags siegt schließlich die Vernunft - Notaufnahme.

Die Klinik Dr. Guth in Flottbek ist mein Geheimtipp für Probleme am Wochenende. Die Ärzte glänzen hier zwar zunächst gerne mit Ignoranz gegenüber Fußballern, da die Konkurrenz aller anderen Patienten allerdings oft gegen null geht, kann ich mit diesem Verhalten gut leben. Das Ultraschall zeigt größere Hämatome im Wadenmuskel. Ein Muskelfaserriss lässt sich hier schon erahnen. Zudem besteht die Sorge, dass der erhöhte Gewebedruck zu neuromuskulären Störungen führen kann. Mit dem Verdacht Kompartmentsyndrom werde ich nach Altona überwiesen. 

Foto: Bennet Krause

Wir fahren im strömenden Regen ins AKA. Im Behandlungszimmer warte ich auf den Arzt. Der Raum besteht aus einem Schreibtisch, einem roboterähnlichem Gerät von Siemens und einem Holzstuhl. Mein Bein pocht. Es gibt keine Liege. Ich schnappe mir einen Mülleimer, um mein Bein zu entlasten. Rettungssanitärer laufen über den Flur. Einer davon ist mir vertraut. Ein Kumpel vom Fußball. Die Ablenkung tut mir gut. Wir trinken einen Kaffee zusammen und reden über den Altherren-Fußball in Eidelstedt. Stunden vergehen. Ich warte weiter auf ärztliche Betreuung. 

Foto: Bennet Krause

Gegen späten Abend erfolgt die Untersuchung. Der Verdacht des Kompartmentsyndroms bestätigt sich. Die Sorgen sind berechtigt. Es wird empfohlen, zur Kontrolle im Krankenhaus zu bleiben. Knapp ein Jahr Fußballpause und nun so etwas. Gratulation. Die Familie gibt einen Rucksack für mich ab. Ein Pfleger legt mir einen Zugang. Ein weiterer bringt ein Krankenbett. Ein Segen für mein Bein. Als der Akku des Handys leer ist, nicke ich für ein paar Minuten ein.

Gegen Mitternacht werde ich vom Patiententransport abgeholt. Schlaftrunken werde ich im vollsten Tempo durch das Krankenhaus gefahren. Das Zimmer hat einen Fernseher, dafür nur ein Gemeinschaftsbad auf dem Flur. Heute ist mein Glückstag. Mein Nachbar wird mir vorgestellt. Ein Fußballer. Ein Leidensgenosse aus der Bezirksliga, der sich auf einem Grandplatz eine unschöne Schürfwunde zugezogen hat. Wir sprechen kurz über die schönsten Schlachten auf Grand - eine Hommage für die rote Asche. 

Foto: Bennet Krause

Da am nächsten Morgen noch immer nicht klar ist, ob bei mir ein operativer Eingriff notwendig ist, fällt das Frühstück zunächst aus. Es gibt kostenfreies WLAN. Ein Corona-Bonus. Tagsüber lenke ich mich mit der Serie Chernobyl ab. Jede Folge ist absolut empfehlenswert, nur eben nicht, wenn man selbst gerade im Krankenhaus liegt. Die Schwestern und Pfleger sind super nett, die Ärzte auch, leider nicht so ganz entscheidungsfreudig. Ich bleibe eine weitere Nacht zur Kontrolle auf der Station. Am Abend kann eine Operation glücklicherweise erstmal ausgeschlossen werden. 

PECH - Pause, Eis, Compression, Hochlagern

Die Zeit will einfach nicht vergehen. Besuch gibt es nur von unterschiedlichen Ärzten. Alle müssen sich zunächst in meine Krankenakte einlesen. Die Kommunikation ist sehr zäh. Die Mahlzeiten bekanntermaßen sehr spärlich. Am Abend wird die deutsche U21 Europameister. Ein Highlight des Tages.

Foto: Bennet Krause

Am darauffolgenden Morgen wird mein Nebenmann entlassen. Ich warte leider weiter auf eine abschließende Bewertung. Jetzt soll ich nochmal umziehen. Das neue Zimmer soll eine eigene Toilette haben. Ein Upgrade. Mein neuer Bettnachbar, wie sollte es auch anders sein, ist wieder ein Fußballer und der Gründer von Bolzplatzkind. Obwohl er sich die Achillessehne gerissen hat, versprüht er viel mehr Mut und Zuversicht als ich. Der Fußball verbindet. Wir unterhalten uns stundenlang über die Amateurszene. Dann wird unser Gespräch vom Chefarzt unterbrochen. Ich darf das Krankenhaus verlassen. Der Arzt klopft mir auf die Schulter. Ich schaue ihm kurz in die Augen und frage: „Herr Doktor, wann kann ich denn wieder bolzen?“

Blog 01: Zusammenhalt in Zeiten einer Pandemie

Blog 02: Früher war (nicht) alles besser

Blog 03: Eine Hommage für die „rote Asche“

Blog 04: Bedrohung des Amateurfußballs