Landesliga Hammonia

„Zu 99 Prozent!“ – Schenefeld nimmt „Abstiegs-Angebot“ wohl an

21. Mai 2020, 10:00 Uhr

Andreas Wilken, Fußball-Abteilungsleiter von BW 96 Schenefeld, bestätigt uns im Gespräch, dass der Hammonia-Letzte das "Abstiegs-Angebot" des HFV "zu 99 Prozent" annehmen wird. Foto: KBS-Picture.de

„Wir sind Tabellenletzter, haben elf Punkte Rückstand – und es bringt nichts, mit Nachwuchsspielern aus Schenefeld als Fallobst durch die Landesliga zu reisen", sagte Andreas Wilken, Fußball-Abteilungsleiter von Blau-Weiß 96 Schenefeld, gegenüber „NDR 90,3“ – und hoffte zu Beginn der Woche, dass der Hamburger Fußball-Verband eine Ausnahmeregelung findet, die in dieser so außergewöhnlichen Situation den freiwilligen Abstieg ermöglicht. Gesagt, getan. Denn am Tag darauf veröffentlichte der HFV das Meinungsbild der Vereine, die mit eindeutiger Mehrheit (84 %) für einen Abbruch der laufenden Saison gestimmt haben, und den Vorschlag, den man am 22.6. auf einem außerordentlichen Verbandstag präsentieren wird, „dass es eine Wertung nach Quotienten-Regelung zum jetzigen Stand mit Aufsteigern (laut Durchführungsbestimmungen), ohne Absteiger, allerdings mit Abstieg ‚nach Wunsch‘ (Vereine/Mannschaften, die zum Stand des Saisonabbruchs auf einem Abstiegsplatz stehen, können sich auf eigenen Wunsch in die nächstniedrigere Spielklasse melden) geben soll“.

Auf Spielmacher Roman Doempke musste BW die ganze Saison aufgrund eines Kreuzbandrisses verzichten. Nun steht er vor einem Wechsel nach Kummerfeld. Foto: KBS-Picture.de

„Ich freue mich darüber, dass der Verband die Tür in diese Richtung geöffnet hat“, lässt uns Andreas Wilken auf Nachfrage wissen – und bestätigt uns gegenüber den bereits geäußerten Plan seiner Schenefelder: „Wir haben gesagt, dass das der Weg ist, den wir gehen wollen. Letztendlich wird das aber die Mannschaft entscheiden.“ Diese wurde bereits am Dienstagabend instruiert und befragt. „Der Tenor war relativ klar“, verrät Wilken. „Die Jungs sehen sich auch eher in der Bezirksliga. Aber wir haben der Mannschaft noch eine Bedenkzeit übers Wochenende gegeben.“ Dennoch: „Ich bin mir sehr sicher, dass wir den Weg gehen werden!“, betont der Abteilungsleiter der Blau-Weißen – und führt aus: „Zu 99 Prozent!“ Dass man auf eigenen Wunsch in eine niedrigere Spielklasse geht, habe „nichts mit fehlendem Ehrgeiz, sondern mit unserer Ausrichtung zu tun“, erklärt Wilken. Denn: „Blau-Weiß 96 Schenefeld ist ein Ausbildungsverein.“

"In Schenefeld sollen auch Schenefelder spielen

Ein Verein, in dem in der vergangenen Aufstiegssaison „ausschließlich Schenefelder Jungs, die unsere Jugend durchlaufen haben, gespielt haben“. Diesen Weg will man am Achter de Weiden weitergehen. „Wir setzen auf Spieler aus der eigenen Jugend und Ex-Schenefelder, die Bock auf den Verein haben. Bei uns gibt es nichts zu holen.“ Und weiter: „In Schenefeld sollen auch Schenefelder spielen. Wir wollen gar nicht, dass uns irgendwas zuläuft.“ Den Grund für den vermeintlich drastischen Schritt erklärt Wilken derweil überaus plausibel: „Fünf Spieler, die in der Aufstiegssaison zu unseren absoluten Leistungsträgern gehört haben, werden uns verlassen. Mit diesen fünf Spielern stehen wir mit zehn Punkten abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Da muss man sich doch ganz neutral und nüchtern fragen: Wo soll die Reise in der nächsten Saison hingehen?!“

Fünf Akteure verlassen Blau-Weiß

Schenefelds Aufstiegs-Bomber und auch in dieser Saison beste Torschütze, Jannik Asmußen, wird den Club in Richtung Halstenbek-Rellingen verlassen. Foto: KBS-Picture.de

Namentlich handelt es sich dabei um Torjäger Jannik Asmußen und Innenverteidiger Jannik Eggerstedt. Das Duo wechselt zu (Noch-)Hammonia-Konkurrent HR. Spielmacher Roman Doempke wird sich wohl dem Kummerfelder SV anschließend, während Lennart Klages bei Eintracht Lokstedt im Gespräch ist. Auch Mika Mettler (Ziel unbekannt) wird die 96er verlassen. „Wir sind nun mal ein Ausbildungsverein und es erfüllt uns mit Stolz, wenn wir unseren Spielern den Weg nach oben ebnen können“, vergießt Wilken keinerlei böses Blut. Ganz im Gegenteil. „Ich bin nicht enttäuscht. Das sind Spieler, denen ich den Schritt zutraue. Ich gönne es den Jungs, den nächsten Schritt zu gehen, um sich weiterzuentwickeln.“

"Irgendwann spielt auch die Psyche eine Rolle"

Auch Verteidiger Jannik Eggerstedt sucht sein Glück künftig am Lütten Hall. Foto: KBS-Picture.de

Womit wir auch schon bei dieser Spielzeit wären. „Wir sind sehr gut gestartet“, blickt Wilken zurück. Doch die Anfangseuphorie nach dem geglückten Aufstieg war sehr schnell verflogen. „Roman Doempke ist unser absoluter Spielmacher. Er hat sich blind mit Jannik Asmußen und Mika Mettler verstanden, da sie bereits in der Jugend ein eingespieltes Team waren.“ Das Problem: Leistungsträger Doempke zog sich zu Saisonbeginn einen Kreuzbandriss zu und konnte nur eine Partie für die Blau-Weißen bestreiten. Auch Eggerstedt stand dem Hammonia-Letzten aufgrund von Knöchelproblemen nur eingeschränkt zur Verfügung. „Und wenn du dann mit sieben, acht Spielern, die Landesliga-Format haben, aber größtenteils verletzt sind, während der Rest über Kampf und Wille kommt, in die Saison gehst, dann stehst du eben auf dem letzten Tabellenplatz“, stellt Wilken ernüchternd fest. Irgendwann spiele dann auch die Psyche eine Rolle. „Die Mannschaft ist nun mal sehr jung.“

Trainerteam bleibt: "Sehe keine Veranlassung, etwas zu ändern"

Und das soll auch so bleiben. „Wir haben uns nach der Zeit mit ‚Sella‘ (Selcuk Turan; Anm. d. Red.) gesagt, dass wir uns anders ausrichten und das alles nicht mehr mitmachen.“ Deshalb bleibe auch im Trainer- und Funktionsteam „alles beim alten“, verrät Wilken, dass es keiner Veränderungen in der kommenden Saison geben wird. Heißt: Matthias Timm bleibt Chefcoach. „Ich sehe überhaupt keine Veranlassung, irgendwas zu ändern“, so Wilken, der den Abstieg gerne in Kauf nehmen würde – denn: „Die Bezirksliga West ist für mich viel interessanter als irgendeine Landesliga-Staffel!“ Der Grund: „Die Derbys!“

"Sind in der komfortablen Lage, so entscheiden zu können"

Matthias Timm wird auch in der kommenden Spielzeit als Cheftrainer am Achter de Weiden fungieren. Foto: KBS-Picture.de

Doch nicht nur die Liga-Mannschaft ist von einem Entschluss mit großer Tragweite betroffen, auch bei der Zweitvertretung, die in der Kreisliga 7 an letzter Stelle steht, werde man „eine entsprechende Entscheidung treffen“, kündigt Wilken an. Ein Zusammenhang zwischen beiden Teams müsse dabei nicht bestehen. Es könnten auch zwei voneinander unabhängige Lösungen gewählt werden. „Ich kann mir schon vorstellen, dass es den einen oder anderen Verein gibt, der ähnlich handelt, bin aber selbst mal gespannt“, könnte BW 96 Schenefeld eine Art Vorreiter-Rolle einnehmen. „Wir sind gerne ein gutes Beispiel, aber es handelt sich dabei um eine rein sportliche Entscheidung. Es macht doch keinen Spaß, wenn man mehr Haue bekommt, als dass man mit einem Lächeln im Gesicht den Platz verlässt.“ Bei Blau-Weiß sei man „in der komfortablen Lage, so entscheiden zu können“, sagt Wilken abschließend.

Autor: Dennis Kormanjos