5:4 n. V. – Derby-Wahnsinn vor 500 begeisterten Zuschauern!

Das Märchen des TSC Wellingsbüttel II geht weiter

06. Februar 2016, 22:48 Uhr

Der Jubel mit den Fans war nach Spielschluss riesengroß: Kreisklassist Welle II steht nach atemberaubenden 120 Minuten im Derby gegen Sasel II im Halbfinale des Holsten-Pokals!

500 Zuschauer, Derby-Atmosphäre pur und zwei Mannschaften, die über 120 Minuten ein atemberaubendes Fußball-Feuerwerk abbrannten: Das Holsten-Pokal-Viertelfinale zwischen dem TSC Wellingsbüttel II (Kreisklasse) und dem TSV Sasel II (Kreisliga) hatte wahrlich keinen Verlierer verdient – stattdessen alles, was ein Amateurspiel bieten kann. Neun Tore, zwei Platzverweise, eine steige Berg- und Talfahrt sowie Emotionen am Anschlag. Wenn selbst der unterlegene Coach am Ende folgendes Fazit fällt: „Das war von beiden Mannschaften Werbung für den Amateurfußball! Ich scheide lieber so aus, als in der dritten Runde vor drei Zuschauern am Arsch der Welt!“

Von der allerersten Minute an sorgten nicht nur die über 500 Besucher des Pokal-Derbys für eine explosive Atmosphäre, auch die Protagonisten des Tages drückten sofort auf die Tube. Sasels Vinzenz Gelübcke verpasste nach Mewes-Zuspiel die Blitzführung, da „Welle“-Keeper Niklas Geyer hellwach war (3.). Nachdem die einzige Liga-Leihgabe Tobias Steddin im Anschluss an einen Cardoso-Freistoß haarscharf am linken Toreck vorbei spitzelte (5.), muckte plötzlich der Kreisklassist auf – und wie! Gerade rechtzeitig meldete sich Wellingsbüttels „Wunderwaffe“ Adrian Kortmann, der in der Liga in 14 Einsätzen sagenhafte 33 Buden erzielte, nach einem Außenbandanriss wieder fit. Wer bis dato noch nichts von den Fähigkeiten des 19-jährigen Shootingstars wusste, bekam dessen Künste in der zehnten Spielminute vollauf offenbart: Nach einem langen Diagonalball von rechts pflückte sich Kortmann die Kugel aus der Luft und beförderte sie aus 17 Metern halblinker Position volley per Seitfallzieher über den etwas zu weit vor seinem Tor postierten Florian Bramsiepe hinweg in die Maschen! Ein unfassbares Tor – mit einem ganz großen Schuss an Genialität versehen und dazu noch mit seinem schwächeren rechten Fuß! „Ich habe gesehen, dass der Torwart etwas zu weit vor seinem Tor steht. Der Ball kam perfekt, dann habe ich es einfach mal probiert und es hat geklappt“, gab sich der Kunstschütze hinterher ganz bescheiden.

Kortmanns irre Show: Erst per Seitfallzieher, dann per Solo

Die Stimmung am Pfeilshof kochte bereits vor Anpfiff.

Die Hinz-Schützlinge führten und machten munter weiter: Haertels Kopfballaufsetzer senkte sich knapp über den Querbalken (15.), ehe Kian Khani nach Herrlich-Zuspiel freistehend an Bramsiepe scheiterte (22.). Kurz darauf war es erneut Kortmann, der nach Flanke von rechts gegen die Laufrichtung des Saseler Schlussmannes aufs lange Eck köpfte. Doch ein TSV-Akteur war zur Stelle und nickte die Kugel von der Linie (25.). Vor der Pause überschlugen sich dann die Ereignisse: Einen Cardoso-Eckball von rechts schädelte Steddin aus neun Metern schulbuchmäßig ins rechte untere Eck – 1:1 (37.)! In der Schlussminute des ersten Durchgangs fand Christopher Doß nach Cardosos Sololauf seinen Meister in Geyer (45.), ehe im direkten Gegenzug Bjarne Zielke unglücklich vor die Füße von Stefan Kühl klärte. Dessen Direktabnahme mit links aus gut und gerne 20 Metern überraschte Bramsiepe, der am Pfosten klebte und mit ansehen musste, wie das Leder relativ zentral und flach in seinem Tor einschlug. Der Hechtsprung kam jedenfalls zu spät – Welle II lag wieder in Front (45. +1)!

Wer nun glaubte, dass beide Teams in den ersten 45 Minuten ihr Pulver verschossen hätten, wurde umgehend eines Besseren belehrt. Natürlich war es wieder Adrian Kortmann, der diesem Spiel seinen dicken Stempel aufdrückte und auf Höhe der Mittellinie zu seinem Alleingang der Extraklasse ansetzte. Die Saseler schauten zu, wurden wie Slalomstangen umkurvt und schließlich besaß der Youngster auch noch das Auge, um das Spielgerät aus 15 Metern halblinker Position staubtrocken ins lange Eck zu platzieren 3:1 (48.)! Dieser Adrian Kortmann bereitete nicht nur den neutralen Zuschauern große Freude! Der „Underdog“ baute den Vorsprung aus und schien mit einem Bein im Halbfinale zu sein – doch plötzlich schlug der Gast zurück: Doß wurde rechts m Strafraum auf die Bretter geschickt – Elfmeter! Kapitän Fabian Becker verkürzte souverän vom Punkt (52.), aber die Aktion war noch nicht vorbei. Sasels Pascal Plambeck wollte sich den Ball schnell schnappen und zum Anstoßkreis tragen, riss dabei jedoch TSC-Fänger Geyer, der den Ball in den Armen begrub, am Hals zu Boden. Rot! In Unterzahl musste der klassenhöhere TSV Sasel II die folgenden 40 Minuten bestreiten und mindestens einen weiteren Treffer zu einer Verlängerung erzielen.

Nach Rückstand – Dießner verpasst neun Saselern den KO-Schlag

Der Jubel war auch einige Minuten nach dem furiosen Spiel noch groß.

Tatsächlich waren es die „Parkwegler“, die im heiß geführten Derby nun den Ton angaben. Gelübcke verzog knapp (54.), ehe Kortmann auf der Gegenseite aus der Drehung den nächsten Warnschuss abfeuerte – da fehlte wieder nicht viel (73.). 180 Sekunden später war für Kortmann Feierabend. Nach langer Verletzungspause verließ er in der 76. Spielminute müde den Platz und wurde mit Sprechchören vom eigenen Anhang gefeiert. Dem Woltemath-Team lief die Zeit davon. Vier Zeigerumdrehungen waren noch auf der Uhr, als Welle II den Ball nach einem lang gezogenen Freistoß nicht aus der Gefahrenzone bekam und Fabian Beckers verunglückter Schussversuch beim völlig blank stehenden Marcel Sommer landete. Dieser ließ sich die Chance nicht entgehen und schob zum umjubelten 3:3 ein (86.)! Es ging also in die Verlängerung und da setzte die Equipe von Bennet Hinz den ersten Akzent: Zunächst rutschte eine Hereingabe von Julian Mönk auf die Latte, als sich direkt darauf besagter Spieler nach einem Eckball Bramsiepe geschlagen geben musste (92.). Und dann: Der eingewechselte Saseler Patrick Winter trat einen ruhenden Ball auf den Kopf von „Sturmtank“ Tim Philipp Meyer, der alles aus dem Weg räumte und mit ein bisschen Hilfe von TSC-Torwart Geyer, der den Ball im linken unteren Eck nicht richtig zu fassen bekam, zum 4:3 für den Kreisligisten traf (102.)! Aus einem 1:3 mach 4:3! Es folgte jedoch der Knackpunkt, wie Woltemath hinterher befand: Denn keine 120 Sekunden darauf griff Bramsiepe nach einem Eckball daneben. Die ersten beiden Schussversuche der Wellingsbütteler wurden noch geblockt – doch Joker Marc-Oliver Fischer machte kurzen Prozess und nagelte die Pille ins Tornetz. 4:4 (104.)! Die Entscheidung eines denkwürdigen Derby vor grandioser Kulisse führte TSC-Joker Lars Dießner herbei, der nach einem langen Befreiungsschlag vom eigenen Sechzehner seinem Gegenspieler Bjarne Zielke entwischte und von diesem so lange am Trikot gezerrt wurde, bis er nicht anders konnte, als zu Boden zu gehen. Blöd nur, dass sich diese Aktion bereits im TSV-Strafraum abspielte, die Folge ein Strafstoß war und Zielke aufgrund dieser Notbremse mit Rot vorzeitig zum Duschen geschickt wurde (115.). Dießner schnappte sich selbst den Ball und verwandelte mit Nerven aus Drahtseilen ganz abgeklärt ins rechte untere Eck – 5:4 (117.)! Der Schlusspunkt eines leidenschaftlichen Gigantenduells auf Kreisliga- und Kreisklassen-Ebene, was man beiden Mannschaften zu keiner Sekunde anmerkte.

„Wollte das mit meinen Jungs wuppen“

„Wir haben eine unglaubliche Hinrunde gespielt und sind super gut drauf. Das Team ist einfach der Wahnsinn. Wir glauben immer an uns – auch wenn wir wussten, dass es ein unheimlicher Kampf werden würde gegen eine so starke Mannschaft, aber wir waren so dermaßen heiß und haben es tatsächlich geschafft“, sprühte es aus dem überragenden Adrian Kortmann heraus. „Für uns war es das Spiel des Jahres vor einer unfassbaren Zuschauerkulisse. Das dürfte für Wellingsbüttel ein neuer Rekord sein.“ Auf die Frage, ob er selbst eigentlich wisse, wie gut er sei, antwortete der 19-Jährige: „Nicht wirklich. Ich habe als Linksverteidiger angefangen und jetzt schieße ich auf einmal Tore. Ich weiß selber nicht, woher das kommt. In dieser Mannschaft bringt es einfach unglaublich viel Spaß, Fußball zu spielen und deshalb kommt das von ganz alleine.“ Sein Übungsleiter war noch völlig außer sich und auch die Stimme wollte nicht mehr so, wie sie eigentlich sollte. „Ich habe den Jungs vor dem Spiel gesagt: Solche Partien bekommt man vielleicht nur ein-, zweimal im Leben. Vor drei Jahren haben wir im Halbfinale bei Sasel II mit 1:3 verloren. Heute waren wir einfach dran! Es ist eigentlich nicht zu glauben, es war ein komplett verrückter Spielverlauf und so ein Ding gewinnst du wohl auch nur, wenn du einen Lauf hast.“ Wie Hinz außerdem zu Protokoll gab, verzichtete er bewusst auf Verstärkungen aus der Liga. „Es gab die Möglichkeit, einen Dennis Bohnhorst oder Jonas Gögge einzusetzen. Aber ich habe gesagt: Ich will keinen aus der Ersten, ich will das mit meinen Jungs wuppen. Jede Woche aufs Neue habe ich die Angst, dass wir einbrechen, aber die machen einfach weiter und spielen ihren Hurra-Fußball. Ich glaube, ich muss am Ende der Saison aufhören“, scherzte Hinz abschließend. Ein großses Chapeu an beide Mannschaften für diesen tollen Fußballabend!