Aufsteiger schlägt Meister: „Mini-Ronaldo“ Krasniqi ganz groß

Dassendorf nach 1:2 bei Kosova „35.000 Kilometer von der Oberliga-Spitze entfernt“

18. September 2016, 18:05 Uhr

Komm her, lass' dich umarmen: Siegtorschütze Agonis Krasniqi (Zweiter v. li.) wird von seinen Teamkollegen Christopher Hoff (li.), Viktor Streib (Zweiter v. re.) und Vulnet SInani gefeiert. Foto: noveski.com

Der Jubel kannte in der 85. Minute auf dem Kunstrasen an der Dratelnstraße keine Grenzen mehr. Soeben hatte Agonis Krasniqi den Klub Kosova mit 2:1 in Führung gebracht. Doch noch musste Kosova fünf weitere Minuten regulärer Spielzeit sowie drei Minuten „Overtime“ überstehen. Als Schiedsrichter Markus von Glischinski das Match eben jene acht Zeigerumdrehungen später abpfiff, stand fest: Der Aufsteiger hatte den Meister geschlagen und eine, so Trainer Thorsten Beyer „beschissene Trainingswoche“ gekrönt, während TuS-Coach Thomas Hoffmann sein Team nach der ersten Saisonniederlage von der Oberliga-Spitze soweit entfernt sieht „wie Energie Cottbus von der Champions League“.

Arton Mazrekaj hatte schon so eine Vorahnung. „Warum sollen wir heute nicht gewinnen? Ich gehe in jedes Spiel mit dem Ziel, es gewinnen zu wollen. Namen allein machen keinen Erfolg...“, sagte der starke Mann des Klub Kosova vor dem Heimspiel gegen die TuS Dassendof. Und seine Intuition sollte den Manager des Klub nicht täuschen: Mehr als eineinhalb Stunden später schritt Mazrekaj auf dem Kunstrasen an der Dratelnstraße von Spieler zu Spieler, klatschte mit nahezu jedem Einzelnen ab.

Smerekas Kunstschuss aus 35 Metern zur 1:0-Führung

Fand mit seinem gleichberechtigten Kollegen Thomas Hoffmann nur wenig Spaß am Auftritt seines Teams: Dassendorfs Trainer Peter Martens. Foto: noveski.com

Auch Patrick Smereka gehörte nach den 90 regulären und den drei Minuten der Nachspielzeit zu denjenigen, denen Mazrekaj freudestrahlend zum Sieg gratulierte. Der 30-Jährige, bis dato nicht unbedingt als ein erstklassiger Chancenverwerter vor dem Herrn bekannt, hatte nach zwei vergebenen Chancen der Gäste für die Führung der Hausherren gesorgt: Fünf Minuten, nachdem Joe Warmbier für die TuS gleich zweifach vergeben hatte (10., 11.), unterlief Dassendorfs Amando Aust in der Vorwärtsbewegung ein folgenschwerer Abspielfehler. Rund 35 Meter vor dem Tor fackelte Smereka dann nicht lange und zog einfach mal ab – mit Erfolg. Der Ball sprang vor dem Dassendorfer Tor noch einmal auf und segelte dann an Christian Gruhne vorbei, der einen Tick zu weit vor dem Tor stand, weil er sich als Anspielstation für seine Mitspieler anbieten wollte, ins Netz. 

„Wir hauen uns mit solchen Fehlpässen immer wieder selbst die Beine weg“, ärgerte sich TuS-Trainer Thomas Hoffmann nach dem Spiel über die Entstehung des ersten Treffers. Doch es war nicht nur dieser Moment, der „Hoffi“ verzweifeln ließ. „Vorne“, konstatierte der Coach, „fehlt uns einfach der richtige Punch.“ Treffend analysiert! Denn: Die Liste der Chancen, die die TuS an der Dratelnstraße vergab, war lang. 

Schon im ersten Durchgang: Den Freistoß von Sven Möller klärte Kosova-Keeper Sebastian Menzel zur Ecke (25.). Bei genau diesem anschließenden Eckstoß gelangte dann Marcel Lenz per Kopf an den Ball, doch Vulnet Sinani stand kurz vor der Linie dem Torerfolg im Weg (26.). Sieben Minuten später übernahm Menzel wieder diese Rolle: Marcel von Walsleben-Schied tauchte frei vor dem Torwart auf, der fast schon in der anderen Ecke war, doch der Ex-Profi brachte das zweifelhafte Kunststück fertig, im Fallen nicht mehr genug Druck hinter den Ball zu bekommen und schoss Menzel an. 

Auf der gegenüberliegenden Seite zirkelte dann Mert Kepceoglu einen Freistoß gefühlvoll aufs Dassendorfer Tor, in letzter Konsequenz aber an selbigem vorbei (37.). Und dann hatte Patrick Smereka noch einmal einen starken Auftritt, als er aus vollem Lauf an Sascha Steinfeldt vorbei kam, den Ball volley aufs Tor knallte, aber im Abschluss kein Glück hatte.

„Tanz-Theater“ à la Krasniqi

Er hat sie alle verladen: Agonis Krasniqi (Nummer zehn) dreht nach seinem Treffer zum 2:1 jubelnd ab. Foto: noveski.com

Nach Wiederbeginn dauerte es bis zur 57. Minute, ehe es die nächste nennenswerte Szene gab. Wieder war von Walsleben-Schied für die Gäste daran beteiligt, musste sich jedoch nach einem Pass von Kristof Kurczynski den Ball von Menzel vom Fuß klauen lassen .„Das war heute nicht mein Tag“, stellte von Walsleben-Schied später im zweiten Durchgang nach seiner Auswechselung fest.

Immerhin: Noch bevor der ehemalige Profi nach 68 Minuten runter musste, hatte er auf dem Feld den Ausgleich miterlebt. Es war fast genau eine Stunde gespielt, als Sven Möller im Sechzehner trocken abzog und der Ball im rechten oberen Winkel des Kosova-Kastens einschlug. Die in der Luft liegende Sensation, dass der Meister dem Aufsteiger unterliegen könnte, war dahin. Zumindest vorerst.

Denn Dassendorf hatte die Rechnung ohne Agonis Krasniqi gemacht. Nach 63 Minuten holte Kosovas Übungsleiter Thorsten Beyer Mirlind Shala, der mit 40 Jahren im Sturm sein Oberliga-Debüt feierte, vom Feld und Kosovas kleiner „Zauberfuß“ kam in die Begegnung. 17 Minuten lang gelang Krasniqi nicht unbedingt viel, dann jedoch stand der Youngster (Vorbild: Cristiano Ronaldo) auf einmal im Blickpunkt: Eine Kopfball-Rückgabe von Seyhmus Atug geriet so kurz, dass TuS-Schlussmann Gruhne nie und nimmer an den Ball gekommen wäre, doch Krasniqi war zu überrascht, um daraus Kapital zu schlagen. Kosovas „Zehner“ versprang der Ball.

Doch es war noch nicht Schluss – und Krasniqi sollte noch eine weitere Chance erhalten. Sehr zum Ärger von TuS-Trainer Hoffmann. Kosovas „Mini-Ronaldo“ kam links im Dassendorfer Strafraum an den Ball – und lud dann seine Gegenspieler zum Tänzchen ein. Erst einen, dann zwei – und schließlich schlug er, den Ball immer eng am Fuß, auch noch einen dritten Haken, mit dem er Torhüter Gruhne ins Leere schickte. Der Abschluss zum 2:1 ins verwaiste Dassendorfer Tor war die Krönung des „Tanz-Theaters“.

Hoffmann erzürnt über Dassendorfs desolates Defensivverhalten

Jubel nach dem Schlusspfiff: Kosova-Trainer Thorsten Beyer. Foto: noveski.com

„So wie wir uns in der Defensive verhalten, gewinnst du kein einziges Oberliga-Spiel“, echauffierte sich Thomas Hoffmann nach dem Schlusspfiff. Einmal in Fahrt, legte der Übungsleiter der „Wendelwegler“ nach: „Deswegen stehen wir da, wo wir stehen – und zwar vollkommen zu Recht. Wir haben mit der Oberliga-Spitze so viel zu tun, wie Energie Cottbus mit Champions-League. Wir sind 35.000 Kilometer von der Oberliga- Spitze entfernt.“

Das Abwehrverhalten seiner Mannschaft beim zweiten Tor, so Hoffmann weiter, „verschlägt mir die Sprache. So etwas sehe ich nicht mal bei unserer Zweiten, die in der Kreisklasse spielt.“ Nach der Niederlage heiße es nun „Willkommen im Mittelfeld. Wir können jetzt den Kampf um Platz sieben angehen. Aber wenn wir defensiv so weiterspielen, wird selbst das schwer“, wütete „Hoffi“.

Sein Wiederpart Thorsten Beyer erklärte derweil er sei „glücklich und begeistert. Wie wir nach dem 0:4 gegen Buchholz wiederkommen, imponiert mir. Wir hatten eine beschissene Trainingswoche. Deshalb hatte ich befürchtet, dass wir vielleicht einen Punkt abgeben“, lachte der Coach, der nicht nur „Oldie“ Shala debütieren ließ, sondern auf Amir Ukshini (Spielte in der „Zweiten“), Vasco Zawada (nach einem Disput im Training eine Woche suspendiert), Berat Ademi und Visar Galica verzichten musste und aufgrund des dritten Heimsieges forsch erklärte: „Am liebsten würde ich jetzt nur noch zuhause spielen wollen...“

Jan Knötzsch