Ein Remis, das Lohbrügge mehr hilft als Hamm
Abstiegskandidaten trennen sich mit einem 2:2 voneinander
Alessando Schirosis Treffer zum 2:1 reichte dem HUFC nicht zum Sieg am Binnenfeldredder. Archivfoto: noveski.com
Die Uhr zeigte genau eine Stunde Spielzeit an, als Alessandro Schirosi gar nicht mehr einzufangen war. Soeben hatte Hamm Uniteds „Zehner“ davon profitiert, dass Lohbrügges Torhüter Björn Garvs einen Schuss von Danijel Suntic nach vorne abklatschen ließ, statt ihn festzuhalten. Schirosi schaltete am schnellsten, drückte den Ball über die Linie und startete dann zu einem Jubellauf über das halbe Feld. Erst sah es so aus, als eile er auf Vorbereiter Suntic zu, dann schlug „Schiro“ jedoch einen Haken und steuerte Richtung Seitenauslinie. Kurz bevor er selbige erreicht hatte, drehte er sich um, lief die letzten Schritte rückwärts und breitete die Arme aus. So, als wollte er sagen: „Seht her, ich war's. Wegen mir führen wir!“ Nahezu alle Teamkollegen stürmten auf Schirosi zu und fielen ihm nach und nach in die Arme.
Gurbanian gleicht nach Aydins Zuspiel zum 2:2 aus
Javad Gurbanian egalisierte nach 67 Minuten die 2:1-Führung von Hamm United. Archivfoto: noveski.com
Eine knappe halbe Stunde später sah das Stimmungsbild auf Seiten der Gäste ganz anders aus: Schiedsrichter Stephan Timm (SC Egenbüttel) hatte die Begegnung gerade abgepfiffen, da ging Christopher Mahrt in die Hocke und schaute bedröppelt zu Boden. Ein paar Meter weiter blühte der Flachs. „Mensch, du Pflaume, warum machst du den nicht?“, herrschte VfL-Schlussmann Garvs seinen Mitspieler David Özcerkes lautstark an, um ihn dann mit einem breiten Lächeln zu umarmen. „Komm', ist schon gut! Für uns ist das Unentschieden nicht so schlimm wie für die“, sagte Garvs schließlich in Richtung von Özcerkes. Richtig: Dieses 2:2, mit dem die Partie am Binnenfeldredder da gerade zuende gegangen war, bringt dem VfL im Abstiegskampf einen Tick mehr als United. „Wir haben unser Minimalziel erreicht. Nämlich das, das wir einen Konkurrenten auf Distanz gehalten haben“, beschied auch Lohbrügges Coach Sven Schneppel nach dem Schlusspfiff.
Der VfL-Übungsleiter hatte zuvor gesehen, wie in der ersten Halbzeit zunächst Hamm die Chancen hatte, aber seine Equipe das erste Tor erzielte. Nachdem Mahrt in der neunten Minute die Kugel schön auf rechts zu Ronn Asante gepasst hatte und dieser durchstartete, den Ball dann wieder in die Mitte auf Mahrt spielte, der aber mit seinem Schuss hängenblieb, und Suntic am langen Pfosten vorbei gezielt hatte (15.), sollte es auf der anderen Seite „klingeln“. Agit Aydin führte am rechten Strafraumeck den Ball am Fuß, schaute einmal kurz auf und passte die Kugel eine Station weiter nach links, wo Mirco Dell aus acht Metern dankend zum 1:0 für die Hausherren einschoss (22.). Die aber sollten sich über den Vorsprung nur bis zur 38. Minute freuen können. Dann tankte sich Artur Hoppe links energisch durch und spielte den Ball scharf flach auf Suntic, der den Angriff aus Nahdistanz mit dem 1:1 abschloss.
Schneppel: „Wir hatten die viel klareren Möglichkeiten“
Nach dem Seitenwechsel passierte dann lange Zeit nichts, ehe Suntic' Schuss aus der zweiten Reihe sicher in den Armen von Garvs landete (58.) und Schirosi schließlich nach einer Stunde zum 2:1-Führungstreffer der Gäste erfolgreich war. Die unbändige Freude des Torschützen und seiner Teamkollegen sollte jedoch nur sieben Minuten vorherrschen. Dann gewährte die HUFC-Defensive dem agilen Aydin im Strafraum nur Geleitschutz, statt ihn zu attackieren. Aydin machte also, was er wollte, zündete kurz den Turbo, legte die Kugel auf Javad Gurbanian ab und dessen Schuss landete links unten im Eck – 2:2 (67.). Und fast hätte der VfL noch vor Öczerkes' Chance aus der 90. Minute das 3:2 zu seinen Gunsten erzielt: Wieder war es Aydin, der über rechts einen Angriff initiierte, in der Mitte kam die Kugel diesmal irgendwie zu Agatino Indulto, der entschlossen abzog. Der Ball hätte ohne Zweifel genau gepasst, doch da war ja noch Uniteds Torhüter Samuel Graudenz. Der riss die Arme nach oben und machte die Chance mit einem Wahnsinns-Reflex zunichte (70.). Sechs Minuten später hatte Gurbanian Graudenz schon bezwungen, aber der Ball klatschte an den linken Pfosten.
„Am Ende bin ich mit dem einen Punkt doch etwas unzufrieden. Wir hatten die viel klareren Möglichkeiten“, bilanzierte Lohbrügge-Coach Sven Schneppel nach dem Match treffend. Doch ihm war auch nicht verborgen geblieben dass „wir über 90 Minuten vielleicht zehn oder 20 Minuten zu passiv waren. Das hat der Gegner zwei Mal nutzen können.“ Insgesamt, so Schneppel weiter „war das kein gutes Spiel. Aber das war ja auch nicht zu erwarten. Man hat beiden Mannschaften angemerkt, dass es um sehr viel ging. Wir haben das letztlich aber nicht so schlecht gemacht. Jetzt haben wir Dienstag das Nachholspiel gegen Schwarzenbek, das für uns zum Joker werden könnte, Gewinnen wir das, haben wir sechs Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz und das bessere Torverhältnis. Dann müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir uns nicht retten.“
Harrsen: „Wir sind wach und jeder ist sich der Situation bewusst“
Hamms Hauke Harrsen bleibt im Kampf um den Klassenerhalt trotz des Unentschiedens weiter optimistisch. Archivfoto: noveski.com
Für den HUFC hingegen sieht es nicht ganz so rosig aus. Zwar verließen die „Geächteten“ vorerst den ersten Abstiegsplatz und zogen, allerdings nur aufgrund des besseren Torverhältnisses, am FC Elazig Spor vorbei, doch „das Ergebnis ist für uns eine Enttäuschung“, sagte Kapitän Hauke Harrsen und lieferte gleich zwei Erklärungen für seine Einschätzung nach: „Wir brauchten drei Punkte. Und: Es wäre definitiv mehr möglich gewesen.“ Denn, so Harrsen weiter: „Man hat vom Spielerischen her gesehen, dass bei uns etwas in Bewegung ist. Das stimmt mich optimistisch. Wir haben jetzt vier Endspiele, in denen es gilt, den Kampf anzunehmen und da weiterzumachen, wo wir heute aufgehört haben.“
Dass nicht mehr als der eine Zähler heraussprang, machte Harrsen daran fest, dass „Lohbrügge in der Tabelle auch nicht so gut positioniert ist und sich ordentlich gewehrt hat. Wir hätten in den letzten 20 Minuten des Spiels mehr Dampf machen und zuschlagen müssen. Da waren sie anfällig und es kam nicht mehr viel.“ Vielleicht aber, so spekulierte der United-Innenverteidiger, „hat bei uns der Kopf eine Rolle gespielt: Eine Niederlage wäre schlimmer als ein Punkt, also nehmen wir den einen Punkt mit.“ Auf jeden Fall „haben wir uns gesteigert. Es ist eine Weiterentwicklung zu sehen. Wir sind wach und jeder ist sich der Situation bewusst“, verdeutlichte Harrsen abschließend.
Jan Knötzsch