Oberliga

Eine erfolgreiche „Motivationshilfe“, ein „Doppelpacker“ und eine Klatsche, die „unfassbar gut getan hat“...

22. Januar 2023, 16:50 Uhr

HEBC-Keeper Nils Ahmann (2. v. re.) schreit seine Freude nach dem gehaltenen Elfmeter lautstark heraus. Foto: Olaf Both

Es waren keine 20 Minuten mehr zu spielen, als Stefan Knauß, Torwart-Trainer des HEBC, die Seitenlinie hinunter marschierte und seinen Keeper dazu aufforderte, auch „mal rauszukommen“. Die Antwort von Nils Ahmann ließ nicht lange auf sich warten: „Danke, ‚Knausi‘ - genau die Worte, die ich jetzt brauche“, entgegnete der Fänger der Eimsbütteler - und drohte nur wenige Augenblicke später endgültig zur tragischen Figur zu avancieren (alle Highlights im LIVE-Ticker). Nach einem tiefen Ball der Gäste kam Ahmann aus seinem Gehäuse geeilt und forderte Mitspieler Jorma Eggers dazu auf, wegzubleiben. Das Problem: Theodoros Ganitis spritzte durch und ging im Duell mit dem Schlussmann zu Boden. Nach kurzem Zögern zeigte Referee Martin Pfefferkorn (SC Urania) auf den Punkt (76.)!

Der technisch feine und wunderschön anzusehende Führungstreffer des HEBC durch einen Heber von Tjorven Köhler (li.) gegen Tobias Müller. Foto: Olaf Both

Elfmeter für die Rothosen - keine zehn Zeigerumdrehungen nach einem vermeintlich glasklaren Handspiel von Tjorven Köhler, dem der Ball nach einem Eckball unglücklich, aber deutlich erkennbar an den Arm sprang (65.), das jedoch ungeahndet blieb. Sehr zum Unmut der HSV-„Dritten“. Auch Trainer Torben Wacker befand im Anschluss: „Ich glaube, dass der erste Elfmeter eher einer war, als der zweite.“ Denn: Ganitis, der sich in jener zweiten Szene die Schulter auskugelte, raus musste und von allen Seiten - sowohl von HEBC-Coach Özden Kocadal als auch von Wacker - schnelle Genesungswünsche übermittelt bekam, traf eher Ahmann als andersherum.

Wie dem auch sei. Die Entscheidung stand - und Dominik Jordan hatte die große Chance, seinem Team zumindest noch einen Punkt zu retten. Aber: Der zuvor gescholtene Ahmann schwang sich zum Helden auf und kratzte das Leder aus dem linken Kreuzeck (81.)! „Den hat er stark gehalten“, musste auch Wacker anerkennen - fügte allerdings an: „Ich glaube, für seine Länge war der auch dankbar.“

Köhler "killt" Rothosen auf sportlichem Wege

Anschließend bejubelt Köhler (Mi.) seinen Treffer mit einem schelmischen Grinsen und seinen Teamkollegen. Foto: Olaf Both

Danken konnten die Hausherren am Ende aber nicht nur ihrem Torsteher, sondern auch ihrem Doppeltorschützen Tjorven Köhler. Äußerst sehenswert war sein früher Führungstreffer, als er einen herrlichen Chip von Malte Wilhelm über die Kette per Heber verwertete (14.)! Stark gemacht, aber auch schlecht verteidigt, haderte zumindest Wacker mit dem Gegentreffer: „Es nervt mich, da das vorher angesprochen war. Ich habe selbst noch ein, zwei Spiele gegen HEBC gemacht, weiß, was die Stürmer machen und was deren Idee ist. Wenn der eine Stürmer sich den Ball abholen will, geht der andere in den Laufweg rein. Das ist einfach bitter, wenn man sowas immer wieder anspricht und sich immer wieder selbst killt.“

Falsche Entscheidungen: "Das ist schon seit 22 Spielen ein Thema"

In der Folge fand sein Team aber besser ins Spiel und kam auch zum Ausgleich, als Yannis Büge nach Ablage von Sepehr Nikroo mit seinem 15-Meter-Schuss den in dieser Situation nicht ganz glücklich wirkenden Ahmann überwand (27.)! „Danach hatte ich das Gefühl, dass wir HEBC an einem Punkt haben, wo wir das 2:1 machen müssen“, konstatierte Wacker - und monierte: „Wir haben aber das eine oder andere Mal den letzten Pass nicht gespielt und falsche Entscheidungen getroffen. Das, was wir schon seit 22 Spielen als Thema haben“, sprach er unter anderem auf eine Szene nach etwas über einer halben Stunde an, als Büge halbrechts im Strafraum viel Platz und in der Mitte gleich drei (!) Anspielstationen hatte, der Pass aber zu ungenau kam und alle Spieler im Zentrum auf einer Linie standen. „Wenn sich einer in den Rückraum absetzt oder auf den zweiten Pfosten geht, steht es 2:1“, so Wacker.

"Das darf nicht passieren, ist einfach unnötig und war ein Nackenschlag"

Yannis Büge (Mi.) wird nach seinem trockenen Ausgleichstreffer von den Mannschaftskameraden geherzt. Foto: Olaf Both

2:1 stand es aber kurz nach der Pause für den HEBC, weil sich der Gast einen weiteren Aussetzer leistete, Raoul Bouveron für Köhler ablegte und dieser freistehend von halbrechts einschob (48.)! „Wir killen uns immer wieder selbst durch individuelle Fehler“, echauffierte sich der Übungsleiter des HSV III - und präzisierte: „Wir dürfen im eigenen Drittel nicht ins Dribbling gehen! Das geht nicht. Da schieße ich den Ball lieber in Richtung Schule oder wohin auch immer - aber ich muss den Ball weghauen! Das ist einfach unnötig und war ein echter Nackenschlag.“

Mit seinem Kopfball an die Unterkante der Latte verpasste Wilhelm die Vorentscheidung (62.). Und so kam es zu einer dramatischen Schlussphase, in der die Kocadal-Kicker die Oberhand behielten, weil Jordan vom Punkt an Ahmann scheiterte. „Das passt gerade in unsere Situation rein. Wir haben gesagt, dass wir jede Woche ein Endspiel haben und punkten müssen. Das Ziel war, heute über dem Strich zu landen. Das haben wir leider nicht gemeistert. Jetzt stehst du wieder da, die Stimmung ist scheiße und der Sonntag gelaufen“, ärgerte sich Wacker.

Taktische Umstellung als Erfolgsmittel

Ein ungewöhnlicher "Torjubel" nach seinem 2:1: Tjorven Köhler (Mi.) hüpfte über die Bande und richtete sich erst einmal das Schuhwerk. Foto: Olaf Both

Während Kocadal mit seinem HEBC „ganz wichtige drei Punkte“ einfahren konnte. „Das steht über allem“, zeigte er sich nach dem „Bigpoint-Spiel“ überaus erleichtert. „Wir gehen immer irgendwie als Außenseiter in ein Spiel. Wenn man sich die Namen beim HSV durchliest und weiß, was die können, dann musste man auch heute ein bisschen demütig sein. Aber ich glaube, wir waren sehr gut eingestellt, auch wenn wir relativ früh taktisch umstellen mussten“, sprach er darauf an, dass er zur zweiten Halbzeit mit Piet Oldag für Arisch Butt einen zusätzlichen und zweiten „Sechser“ brachte, der sich um Ganitis kümmern und dessen (Frei-)Raum eingrenzen sollte, was auch gelang.

„Ich finde, in der zweiten Halbzeit haben wir bis zum Elfmeter nicht so viel zugelassen, wie das noch in der ersten Halbzeit der Fall war. Da habe ich uns stärker gesehen. Wir hatten viele gute Umschaltmomente. Aber da fehlte immer so ein bisschen die Überzeugung, das Ganze auch zu Ende zu bringen.“ Trotz des großen Risikos, dass die Rothosen eingingen. Aber: „Ich finde, wir haben das Spiel heute sehr gut gelesen und auch die Maßnahme, auf zwei Sechser umzustellen, hat gefruchtet.“ Genauso wie das einstudierte Tor zum 2:1. „Das ist in der Tat eine Abschlussvariante, die wir haben. Sowas macht einen als Trainer immer glücklich, wenn einstudierte und besprochene Sachen funktionieren.“

"Das Bramfeld-Spiel hat uns so unfassbar gut getan!"

Der umstrittene Strafstoß: Theo Ganitis (Mi.) trifft eher Nils Ahmann als andersherum. Foto: Olaf Both

Ein Sieg zum Start ins neue Jahr und die richtige Reaktion auf das 2:6 am vergangenen Wochenende im Testspiel beim klassentieferen Bramfelder SV. „Das Bramfeld-Spiel hat uns so unfassbar gutgetan! Das war so toll, dass so viele ‚schöne‘ Fehler passiert sind, aus denen wir richtig viel rausziehen konnten. Unfassbar, wie die Jungs das sofort umgesetzt haben“, strahlte Kocadal, wollte aber mit Blick auf die Tabelle keine voreiligen Schlüsse ziehen. „Sind wir mal ganz ehrlich: Die Tabelle hat gar nichts zu sagen. Und es bringt auch überhaupt nichts, in die Glaskugel zu schauen, sondern wir denken von Spiel zu Spiel. Damit sind wir als HEBC immer gut gefahren.“

Eine "Motivationshilfe", die glückt

Aber HEBC-Fänger Ahmann (Mi.) machte seinen "Fauxpas" wieder gut und kratzte den "Elfer" aus dem Eck. Foto: Olaf Both

Und damit wären wir abschließend nochmal bei seinem Torwart Nils Ahmann. „Ich finde immer, es ist total wichtig, dass ein Torhüter Sicherheit ausstrahlt, dem Trainer und der Mannschaft das Gefühl gibt: Ich bin da“, erklärte der 38-Jährige hinterher, warum TW-Trainer Knauß seinem Schützling ein paar Worte mit auf den Weg gab. „Aber klar ist auch, er leitet das eine Tor ein und hält den Elfer.“ Nichtsdestotrotz: „Wenn man Torwart ruft und rauskommt, dann muss man den Ball auch vor dem Gegenspieler haben. Aber er hat seinen Fehler wieder gut gemacht. Insofern sind wir glücklich, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist“, bilanzierte Kocadal - und auch Knauß’ „Motivationshilfe“ erwies sich als erfolgreich.


Autor: Dennis Kormanjos