Eine traumhafte und eine verträumte Halbzeit – aber der „Traum lebt“

TuRa erst völlig konfus, dann mit Mut – „Interimscoach“ mit „unangenehmer Aufgabe“

04. Dezember 2017, 12:06 Uhr

TuRa-Interimstrainer Kolja Hack (re.) bei der Arbeit. Auf der PK nach dem Spiel wurde er mit Fragen zu seiner Zukunft gelöchert.

Dass die Fragen kommen würden, war zu erwarten – und vor allem mussten auch die Verantwortlichen von TuRa Harksheide damit rechnen. Und doch gaben sie – nach kurzer Beratung, während die USC-Fraktion und sämtliche „Schreiberlinge“ schon warteten – die Pressekonferenz nach der im Endeffekt knappen 2:3-Pleite beim USC Paloma dem alleinstehenden Kolja Hack, seines Zeichens Jugend-Koordinator bei TuRa und am Sonntagvormittag für den zurückgetretenen Sidnei Marschall interimsweise als Aushilfstrainer tätig, in die Hände. Dieser schien mit der Situation zunächst überfordert…

„Können wir Fragen zum Spiel stellen?!“, entgegnete er mit sehr energischer und beherrschender Stimme, ehe er auf Nachfrage patzig antwortete: „Fragen zum Spiel gerne, alles andere nicht!“ Daraufhin schaltete sich Paloma-Sportchef Frank Hüllmann ein: „Ich finde es natürlich schade, wenn wir so viele Presseleute hier haben, wir als Verein alles vorbereiten und die Fragen so abgebügelt werden – das tut uns natürlich leid.“ Man konnte Kolja Hack nicht einmal böse sein, schließlich erhielt er mehr oder minder den „Auftrag“, so zu handeln – und doch ruderte er umgehend zurück: „Ich gebe dir absolut recht“, reagierte er auf Hüllmanns verständnisvolles Plädoyer. „Aber versetze dich bitte nur mal in meine Lage, die alles andere als angenehm ist.“ Und weiter: „Ich bin der falsche Ansprechpartner und kann dazu keine Auskunft geben. Ich bin Jugend-Koordinator, das ist mein Aufgabenfeld“, glättete er die Wogen.

Hack: "Bedauerlich, dass wir die Halbzeit so hergeschenkt haben"

Kommen wir zum Sportlichen: denn das, was TuRa in der ersten halben Stunde an der Brucknerstraße ablieferte, war ebenso wenig „angenehm“, um es mit Hacks Worten zu sagen. Noch deutlicher ausgedrückt: jener Auftritt passte zum aktuellen Drumherum. Es waren nicht einmal 14 Sekunden (!) vorüber, als Dominic Ulaga nach einem kapitalen Lindenau-Rückpass schon fast die USC-Führung besorgt hätte. Doch dieses Mal war Abou Fofana noch zur Stelle. Es ging nur in eine Richtung – und nachdem Lion Mandelkau am Außenpfosten hängenblieb (7.), war es wenige Augenblicke später soweit: der starke Lennard Wallner schlug eine herrliche Flanke von der linken Seite auf den rechts im Strafraum postierten Mandelkau. Dieser fackelte nicht lange und vollendete aus relativ spitzem Winkel ins lange Toreck – 1:0 (16.)! Als es keine 180 Sekunden darauf ein zweites Mal im Kasten von Fofana, der beim ersten Gegentreffer nicht komplett machtlos aussah, einschlug, musste man Schlimmes um die Gäste befürchten. Einer von Ulagas unzähligen Diagonalbällen im ersten Abschnitt auf den linken Flügel wurde von Youcef Madadi punktgenau nach innen gebracht. Vom Kopf von Tom Bein landete das Spielgerät bei Mandelkau, der mit seinem „Header“ Fofana noch nicht bezwingen konnte. Aber Christian Merkle setzte beherzt nach und brachte das Runde im Eckigen unter (19.)!

„Wir haben es in der ersten Halbzeit sehr gut gemacht und das, was wir uns vorgenommen haben, sehr anständig umgesetzt. Wir haben die Ballgewinne genau so erzielt, wie wir es vorher besprochen haben, wir waren sehr zielstrebig nach vorne und haben die Räume gut besetzt. Wir führen zu Recht 2:0, hätten sogar höher führen können“, konstatierte USC-Coach Steffen Harms. „Bedauerlich, dass wir die erste Halbzeit so hergeschenkt haben“, befand Hack, dessen Elf jedoch nach knapp 35 Minuten etwas besser ins Spiel fand und mehr Zugriff bekam – auch, weil die „Tauben“, wie schon so oft in dieser Saison, im Gefühl der sicheren Führung plötzlich in den Verwaltungsmodus umsattelten und zwei Gänge zurückschalteten. In Minute 43 tauchten die Norderstedter das erste Mal gefährlich vor dem gegnerischen Gehäuse auf. „Geburtstagskind“ Lion Jodeit, der seinen 20. Ehrentag feierte, umkurvte zwar Paloma-Fänger Jonas Köhler, ließ sich aber zu weit abdrängen, so dass die Gefahr gebannt war.

"Eigentlich sollte das dritte Tor guttun, aber auf einmal war die Konzentration weg"

Der zweite Durchlauf war erst drei Minuten alt, als erneut Wallner von links quer passte. Im dichten Getümmel konnte Fofana das Leder nicht dingfest machen, Mandelkau blieb hartnäckig und vollstreckte zum 3:0 (48.)! Die Partie schien längst entschieden zu sein – zumal TuRa nicht unbedingt den Eindruck vermittelte, noch einmal zurückschlagen zu können. „Eine Stunde lang war das ein sehr anständiges Spiel von uns“, so Harms, dessen Vorgaben, „an die erste Halbzeit anzuknüpfen“, bis zu jenem Zeitpunkt auch in die Tat umgesetzt wurden. „Eigentlich sollte uns das dritte Tor guttun, um das Spiel kontrolliert nach Hause zu bringen. Aber wie man gesehen hat, ging dann auf einmal die Konzentration weg.“ Hinzu kam, dass der Anschlusstreffer „TuRa aufgeweckt hat“, wie Harms meinte. „Qualität ist da ohnehin vorhanden. Dann haben sie mit viel Leidenschaft gespielt und dann kippt so ein Spiel auch mal komplett und man kann es gar nicht wirklich erklären.“

Jodeit artistisch, Tramm bringt Spannung zurück

Jenes Anschlusstor besorgte ausgerechnet „Geburtstagler“ Jodeit, der nach einer kurz ausgeführten Ecke und anschließender Flanke von Nassim Saleh per Kopf – mit Hilfe des Innenpfostens – verkürzte (63.)! Zu der Zeit agierten die Gäste bereits mit einer Dreierkette und ließen auch in der Folge nichts unversucht. Plötzlich wehrte man sich und ergab sich nicht kampflos in sein eigenes Schicksal, wie es zumindest in Halbzeit eins den Anschein hatte. Lukas Raphael „küsste“ mit seinem Freistoß das Quergebälk, ehe der eingewechselte Daniel Meier aus halbrechter Position nur knapp am langen Eck vorbei zielte. Und als Meier eine lang gezogene Ecke per Kopf für Jodeit ablegte, dieser den Ball auf dem Fuß tanzen ließ und dann künstlerisch wertvoll per Fallrückzieher den Kopf von Daniel Tramm fand, wurde es auf einmal wieder spannend. Denn der langzeitverletzte Ex-Victorianer nickte zum 2:3-Anschluss ein (83.). In den Schlussminuten ließen die Hausherren etliche Konterchancen leichtfertig verstreichen. Bestes Beispiel war die Möglichkeit von Tom Bein, der von einem Saleh-Pass profitierte, mit einem jämmerlichen Abschluss aber nicht an Fofana vorbeikam. Es blieb beim knappen USC-Erfolg!

Harms: "Unser Traum lebt!"

„Das Spiel ist schnell zusammengefasst: zweite Halbzeit gewonnen, erste Halbzeit verloren“, brachte es Hack ganz nüchtern auf den Punkt, ehe er anfügte: „Es ist sehr schade, denn aus meiner Sicht war hier mehr drin. In der zweiten Halbzeit haben wir das wahre Gesicht von TuRa gesehen. Leider hat es nicht mehr zum dritten Tor gereicht – das Team hätte es verdient gehabt.“ Abschließend fasste Harms das erste Halbjahr der Uhlenhorster wie folgt zusammen: „Wir haben uns eine richtig gute Position in der Tabelle erarbeitet und können in der Rückrunde voll angreifen. Unser Traum lebt!“ Das tut er – doch wenn das auch weiter der Fall sein sollte, darf man sich künftig nicht mehr ganz so viele „verträumte“ Auftritte wie in den zweiten 45 Minuten erlauben…

Autor: Dennis Kormanjos