„Es ging nur darum, zu kämpfen und Eier in der Hose zu haben“

ASV siegt - Handelfmeter entscheidet "krampfenden" Kampf

30. Oktober 2017, 10:42 Uhr

Bergedorf-Spielmacher Norman Leßmann (links) gegen Atlantik-Defensivallrounder Maxim Zakharov. Foto: Mathias Merk

Ob der Spielverlauf ein anderer gewesen wäre, wenn der Schiedsrichter-Assistent pünktlich hätte erscheinen können, bleibt mal dahingestellt. Doch faktisch war die Partie zwischen dem BFSV Atlantik 97 und dem ASV Bergedorf 85 zwar auf eine gewisse Art und Weise spannend, zog sich aber auch über weite Strecken wie ein Kaugummi hin. Am Ende siegten die favorisierten Gäste knapp und zauberten dadurch ein Lächeln in das Gesicht ihres Trainers Jörg Franke: „Ich war selten so erleichtert wie heute. Wir sind hier nicht ausgerutscht und das macht mich happy.“ Aber auch BFSV-Coach Gianfranco Ganguzza erfreute sich über die Leistung seiner Mannen, die in einem kampfbetonten Spiel „ „sehr gut waren, was mich stolz macht“.

Als das Schiedsrichtergespann um Referee Flynn Philipp Zuck (Mitte) vollständig war, konnte das Spiel beginnen. Foto: Mathias Merk

Alles war am Samstagmittag für die Kreisliga 3-Partie zwischen Atlantik 97 und dem derzeitigen Klassen-Primus ASV Bergedorf 85 - die "Elstern" kassierten in ihren bisherigen 13 Spielen erst eine Niederlage und diese gegen den ärgsten Widersacher aus Oststeinbek - angerichtet. Demnach reisten die Gäste mit gestählter Brust nach Allermöhe, was nicht nur durch ein mit Co-Trainer Patrick Paap vorab geführtes Interview bei Elbkick.tv zu erkennen war, der nämlich einen klaren 3:0-Auswärtssieg seiner Farben tippte, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits ein schweres Spiel erwartete.

Zudem brutzelte die Wurst auf dem Grill und einen Getränke-/Muffinverkauf gab es auch. Die Heimfans nahmen auf ihrer eigens gebauten „VIP-Tribüne“ Platz und die Anhänger aus Bergedorf fabrizierten ihr Feuerwerk zu Beginn des Spiels. Sogar die Einlaufkinder waren fertig umgezogen und warteten voller Spannung auf ihren Einsatz. Allerdings wurde das Duell zunächst nicht angepfiffen, da ein Schiedsrichter-Assistent fehlte. Nach unseren Informationen soll es wohl Schwierigkeiten bei der Ansetzung der Unparteiischen gegeben haben, da diese erst Stunden zuvor für jene Begegnung eingeteilt wurden. So musste der noch fehlende Linienrichter nach einem B-Jugend-Spiel, welches er an einem anderen Ort leitete, mit dem Taxi vom einen zum anderen Stadtteil fahren und seine gerade verdienten Euros dafür opfern, die Teams, alle Angehörigen und die 76 anwesenden Zuschauer nicht noch länger warten zu lassen. So war es in der Vorbereitung offensichtlich keine Glanzleistung vom Verband, aber eine starke Aktion des jungen, engagierten und kurzfristig eingesprungenen Assistenten, der seine Taxi-Quittung bei entsprechender Stelle einreichen sollen dürfte. Der Mann mit der Pfeife, Flynn Philipp Zuck (FC St. Pauli) pfiff die Partie schließlich mit einer Verspätung von 19 Minuten an.

Frühe Bergedorf-Führung nach Einwurf-Flanke

Maxim Zakharov (Nr. 2) kam zu spät. ASV-Stürmer Florian Heinze (verdeckt) war nicht mehr aufzuhalten. Der Treffer zur 1:0-Führung für die Gäste. Foto: Mathias Merk

Und es ging sofort schnell zu Sache. Die Begegnung war noch keine 120 Sekunden alt, da enteilte Vitali Dmitrenko nach einem Zuspiel von Max Teschko auf der linken Seite seinen Gegenspielern, tankte sich in den Strafraum und kam aus sechs Metern zum Schuss, den Marc Stückler mit einer riesen Reaktion ins Toraus lenkte. Nach der darauffolgenden Ecke war es wieder Dmitrenko, der zuerst an den Ball kam, jedoch rechts am Kasten vorbei köpfte. Eine Doppelchance direkt zu Beginn für die Hausherren. Allerdings sollte es das erst mal für lange Zeit gewesen sein, was gefährliche Strafraumszenen für den BFSV anging. Stattdessen kam Bergedorf etwas besser zum Zuge, was in der elften Minute im frühen Führungstreffer mündete, als Gregor Krahn von rechts über 20 Meter einen Einwurf wie eine geschossene Flanke an den Sechzehner warf, wo Stürmer Florian Heinze von der gegnerischen Abwehr um Maxim Zakharov zunächst sträflich alleine gelassen wurde, die Pille annahm, in die Gefahrenzone eindrang und sich nicht von den annähernden Defensivleuten beirren ließ, sondern von rechts mit seinem neunten Saisontreffer in den linken Winkel das 1:0 für Bergedorf markierte. Die Führung ging in Ordnung, da die Gäste bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ein wenig präsenter auf dem Platz waren. Kurz darauf hätte es sogar beinahe noch einmal im Kasten von Atlantik geklingelt, wenn Timo Schwenke seinen direkten Freistoß nicht genau auf die Latte, sondern ein Stückchen darunter gesetzt hätte (13.). 

Ganguzza: „Nach unsere Umstellung lief es besser für uns“

Für den zwischenzeitlichen Ausgleich sorgte Vitali Rommel (blaues Trikot). Foto: Mathias Merk

Nach dieser Aktion wurde das Spiel allerdings sehr zäh. Lediglich Norman Leßmann kam noch zweimal zu nennenswerten Chancen: Erst probierte es der Bergedorfer aus der Distanz (35., knapp am Winkel vorbei), dann scheiterte der Kapitän an einem sehr starken Reflex von Atlantik-Fänger Rodion Eirich (38.), der im gesamten Spiel eine sehr gute Leistung zeigte und deshalb von der Auswechselbank seines Teams - Mitte der Zweiten Halbzeit - nicht zu unrecht als bester Mann auf dem Platz betitelt wurde.

In jenen zweiten Durchlauf startete Atlantik 97 mit einigen Veränderungen. Personell war es zwar nur ein Wechsel, der junge Kirill Beigel kam für den erfahrenen Eugen Del (poitionsgetreue Auswechslung im Angriff), doch im System tat sich einiges. Der bisher über links agierende Dmitrenko wurde in die Sturmspitze gezogen und Zakharov tauschte den Platz in der Innenverteidigung mit Alexander Schreiber (DM), der später allerdings noch zur tragischen Figur werden sollte. Doch zunächst schien die Rechnung von Trainer Gianfranco Ganguzza aufzugehen. „Nach der Umstellung hat es viel besser funktioniert und es lief dann auch besser für uns.“ Eine richtige Einschätzung des Übungsleiters, denn seine Truppe zog nach dem Wiederanpfiff an und zeigte sich zumindest in der Anfangsphase ein paar mal im gegnerischen Strafraum, wobei in der 52. Minute durch Alexander Butherus bereits der Ausgleich hätte fallen können, als er Marc Stückler verlud, aber Malte Adden final das Leder kurz vor der Linie ins Toraus klärte. Doch das, was Butherus nicht gelang, machte sein Teamkamerad Vitali Rommel wenige Augenblicke später besser, als er einen hohen Ball wuchtig aus fünf Metern auf Fänger Stückler köpfte, sodass dieser die Pille nur abprallen lassen konnte und Rommel dadurch eine zweite Chance ermöglichte, die dieser nutzte, indem er den Nachschuss zum 1:1 ins Netz beförderte (56.). 

Franke: „Die Jungs haben eine super Moral gezeigt und den Kampf angenommen“

Bergedorf-Trainer Jörg Franke war nach dem Spiel „selten so erleichtert wie heute". Foto: Mathias Merk

In der Folge verlor das Spiel zwar nicht an Spannung, da immer irgendetwas hätte passieren können, aber die Attraktivität ging im weiteren Verlauf verloren. Der Spitzenreiter tat sich enorm schwer und beide Teams neutralisierten sich im Mittelfeld. ASV-Coach Jörg Franke: „Ich wusste bereits im Vorfeld, dass das ein ganz schweres Spiel werden wird, denn auf so einem Platz kann man kein Fußball spielen. Wir sind eine spielstarke Mannschaft, die einen guten Ball spielt, was auf dem Geläuf aber nicht geht. Es ging nur darum, zu kämpfen, fighten und einfach mal Eier in der Hose zu haben.“ Und genau jene Attribute zeigte dann Schwenke, als er nach einem innerhalb des Sechzehners begangenen Handspiel die Gelegenheit dazu bekam. Im Strafraumgewühl fuhr der zur Pause in die Innenverteidigung gezogene Schreiber ein wenig den Arm aus und Referee Zuck blieb keine andere Wahl, als auf den Punkt zu zeigen. Schwenke visierte das rechte Toreck an, schoss und traf halbhoch. Keeper Eirich flog zwar in die richtige Ecke und war noch mit fast der kompletten Hand am Ball dran, aber der Schuss war zu hart, so dass die Pille nicht mehr aufzuhalten war. Der Tabellen-Erste aus Bergedorf führte also wieder, dieses Mal mit 2:1 (68.), zitterte sich dann aber über die Zeit. Denn sowohl die Hausherren als auch die Gäste brachten in der Offensive nicht mehr viel zustande.

Doch in der heißen Endphase, in der die Bergedorfer Bank von außen immer wieder versuchte, Schiedsrichter Zuck bei jedem Tackling oder in Sachen verbleibende Spielzeit mit lautstarken Zurufen zu beeinflussen, der Unparteiische dies aber sehr souverän ignorierte und seine eigene Linie bis zum Schluss durchzog, kamen dann doch noch mal die „Atlantiker“. Und fast wäre in der Nachspielzeit sogar noch der erneute Ausgleich gefallen, als sich Daniel Wysokinski bei einer hohen Hereingabe sehenswert quer in die Luft legte und zu einem Seitfallzieher ansetzte, der auf Grand seinesgleichen sucht. Der Ball flog allerdings etwa einen Meter über die Querlatte und somit blieb es beim Triumph für die 85er. Dem Trainer fielen anschließend mehrere Steine vom Herzen: „Die Jungs haben eine super Moral gezeigt und sie haben den Kampf und den Platz super angenommen. Ich war selten so erleichtert wie heute. Alle haben logischerweise gehofft, dass wir hier ausrutschen. Das sind wir aber nicht und darüber bin ich sehr happy. Am Ende haben wir hochverdient gewonnen.“ Aufgrund des Spielverlaufs hätten sich die Gäste aber auch nicht über einen Punktverlust beklagen dürfen. Atlantik-Trainer Ganguzza bilanzierte: „Auch wenn wir verloren haben, bin ich super stolz auf die Mannschaft. Denn ich sage immer, dass man verlieren kann. Es kommt aber darauf an, wie man verliert. Die Jungs haben heute eine sehr gute Leistung gezeigt und am Ende wäre bei diesem zähen, kampfbetonten Spiel ein Unentschieden sicherlich gerecht gewesen.“

Dem ASV konnte dies im Endeffekt egal sein. Denn durch den Ausrutscher von Kontrahent Oststeinbek (2:4 beim MSV Hamburg) haben die Elstern ihren Vorsprung im Klassement ausgebaut.

Alle Höhepunkte in der Übersicht hier im LIVE-Ticker!

Autor: Mathias Merk