Hoch, höher, Nkengni: Georges (nicht) ganz glücklich

Bergedorf 85 trifft doppelt und punktet gegen Elazig Spor dreifach

24. September 2017, 19:44 Uhr

Der Torschütze führt die Jubel-Troika an: Georges Nkengni (vo.) feiert mit seinem Teamkollegen seinen Treffer zum 2:0. Foto: Mathias Merk

Hakan Karadiken apostrophierte das Match als „Sechs-Punkte-Spiel“. Weil sowohl „sein“ FC Bergedorf 85 als auch Gastgeber FC Elazig Spor in dieser Saison bis dato mit wenig Glück gesegnet waren, was das Sammeln von Punkten angeht und daher jeden Zähler schon jetzt dringend nötig haben, wenn man nicht weiterhin im Keller des Klassements der Landesliga Hansa verharren möchte. Am Ende durfte sich der Coach über einen 2:0-Erfolg seiner Mannschaft auf dem „roten Rasen“ am Wendelweg freuen. Und über einen Torschützen, der beim Verein von den Sander Tannen vor der Saison eigentlich gar nicht als Fußballer, sondern in einer anderen Rolle vorgesehen war... 

Nikolaus Zdasjuk kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Hast du gesehen, von wo er den geköpft hat? Das waren locker elf Meter“, sagte der Ersatztorwart des FC Bergedorf 85 nur wenige Augenblicke, nachdem die Gäste gerade mit 2:0 in Führung gegangen, zu Trainer Hakan Karadiken gewandt. Und auch nach dem Spiel war es mit der Begeisterung bei Zdasjuk noch nicht vorbei. „Hier war der Gegner und da warst du“, erklärte er seinem Teamkollegen Georges Nkengni und mühte sich dabei, mit den Händen jeweils die Höhe anzuzeigen, die der „B85“-Abwehrspieler und sein Widerpart in besagter Szene eigenommen hatten. „Du“, kam Zdasjuk schließlich zu seinem Urteil in Richtung Nkengni, „warst mindestens in der dritten Etage.“

Nkengni: „Wir haben drei Punkte geholt, aber wir müssen weitermachen und mehr zeigen“

Marco Bulgla (vo., hier gegen Elazig Spors Michael Boakye Schumann) erzielte das 1:0 für Bergedorf. Foto: Mathias Merk

Nun gut, die Darstellung Zdasjuks fiel – der Euphorie über den Bergedorer Sieg geschuldet – vielleicht eine Spur zu deutlich aus, den Kern traf sie aber trotzdem. In jener 60. Minute, in der Michael Nani-Fischer von der linken Seite einen Eckball in den Strafraum des Hausherren geschlagen hatte, war Nkengni tatsächlich der „König der Lüfte“. Der Abwehrspieler stieg höher als sein Gegenspieler, legte all die Kraft seines wuchtigen, trainierten Körpers in seinen Kopfball und schädelte das Spielgerät an Keeper Secgin Akbaba, der nicht mehr eingreifen, sondern nur noch staunen konnte, vorbei ins Netz. Nkengni drehte jubelnd ab, steuerte die „85“-Bank an und schlug sich auf dem Weg dorthin mit der Hand vehement mehrfach auf die Brust. Ganz nach dem Motto: Seht her, ich war das. Dann schließlich hatten ihn seine Mitspieler eingeholt und auch die aufgesprungene Besetzung der Bank herzte Nkengni. Gegen eine in der Offensive viel zur harmlose Elazig-Elf stand spätestens jetzt fest: Bergedorf steuerte in Richtung Sieg. Und so sollte es dann auch kommen. Ganz so glücklich wie bei seinem Treffer war Georges Nkengni nach dem Abpfiff im obligatorischen Teamkreis dann aber nicht mehr.

„Das ist nicht mein Job, ich bin nicht hier hergekommen, um Fußball zu spielen“, verdeutlichte der 30-Jährige, der eigentlich nur als Fitnesstrainer an den Sander Tannen angeheuert hatte, inzwischen aber als „Turm in der Abwehr“ (O-Ton Karadiken: „Wir haben viele junge Spieler. Die Jungs brauchen so einen wie Georges“) defensiv den Laden zusammenhalten soll. Das gelang ihm heute zwar, trotzdem ging Nkengni nicht gerade zimperlich mit seinen Mitspielern ins Gericht: „Am Ende hab ich immer gehört: 'Oh, meine Wade' oder 'Oh, meine Leiste' oder 'Oh nein, Grandplatz' – das geht nicht. Wir haben drei Punkte geholt heute, aber wir müssen weitermachen. Auch nächste Woche. Wir müssen mehr zeigen. Alle Leute, die heute reingekommen sind, müssen mehr machen“, kritisierte Nkengni und fand damit Zustimmung bei Hakan Karadiken. „Ich kann Georges verstehen“, gab der „85“-Übungsleiter zu Protokoll, „wir mussten auf einen starken Stürmer wie Samet Yazici verzichten. Dazu hat auch Sayed Munib Ali Saqub gefehlt, der gut in Form war. Da muss von denen, die dann reinrutschen, mehr kommen.“ 

Karadiken: „Jetzt sieht es so aus, dass wir langsam in Fahrt kommen“

Bergedorf-Coach Hakan Karadiken siehts eine Equipe auf dem richtigen Weg. Foto: Mathias Merk

Mehr kommen müssen hätte definitiv auch von den Hausherren, wenn sie in der Partie vor den 61 Zuschauern an der Wendenstraße etwas hätten reißen wollen. Nach vorne fehlte wieder und wieder die notwendige Durchschlagskraft oder der letzte Pass kam zu ungenau. Kein Wunder, dass Neu-Coach Bülent Solak irgendwann resignierend auf der Bank saß und nach dem Spiel den schnellsten Weg in die Kabine wählte. Der Ärger über die Niederlage saß tief. Abgezeichnet hatte sich dieses Szenario von Beginn an: Zwei Minuten waren gespielt, als Nkengni – ähnlich wie später nach einer Stunde Spielzeit – im Strafraum hochstieg und sich per Kopf versuchte. Torwart Akbaba konnte jedoch Schlimmeres vereiteln. Nicht so jedoch in der 20. Minute: Tarec Blohm flankte den Ball von der linken Außenbahn in den Elazig-Strafraum, in der Mitte wurde der Ball noch einmal abgelegt und dann knallte Marco Bugla schließlich das Leder ins Netz – 1:0 für Bergedorf. Zuvor hatte Tarik Sbou per Freistoß einen wenig zwingenden Versuch für Elazig abgegeben (6.) und Esmin Sejdi für „85“ weit drüber gezielt (18.).

Die zweite Halbzeit begann mit einer knappen Viertelstunde Leerlauf, was Torraumszenen anging. Dann legte Bugla per Hacke auf Baris Atlas ab, der Akbaba zu einer Glanzparade zwang. Nach Nkengnis 2:0 für die Gäste hätten diese durch Blohm (67.) und Nani-Fischer (68.) noch einen dritten Treffer nachlegen können. „Die vorherigen Spiele haben wir immer knapp verloren und viel Pech gehabt: Gegen Kosova verlieren wir 2:4. Machen wir da einen entscheidenden Fehler nicht, passiert das 1:2 nicht. Gegen Condor II spielen wir auf ein Tor, doch es geht 1:1 aus. Rahlstedt hat gegen uns bis zur 55. Minute nur eine Standardsituation, die sie nutzen. Dann gibt’s einen Elfmeter gegen uns. Mit einem Mann weniger haben wir trotzdem Chancen. Machen wir davon eine rein, verlieren wir nicht 0:5. Jetzt sieht es aber langsam so aus, dass wir in Fahrt kommen“, bilanzierte Trainer Hakan Karadiken nach Spielschluss, „ich bin stolz auf die junge Mannschaft. Es war ein hartes Programm gegen eine gute Elazig Spor-Mannschaft. Wir haben verdient gewonnen und wenig zugelassen. Nach 13 Gegentreffern aus Standards haben wir gerade das Verhalten in diesen Momenten zuletzt öfter trainiert. Es scheint zu fruchten.“

Jan Knötzsch