Oberliga

„Mega-Musti“ macht’s möglich: Meiendorf zeigt, „dass wir ein Team sind“

26. September 2020, 18:06 Uhr

Überschwänglicher Jubel bei Mustafa Ercetin (re.) nach seinem Siegtreffer kurz vor Schluss. Foto: noveski.com

Er strahlte übers ganze Gesicht und klatschte jeden einzelnen Mitspieler ab, ehe ihm Manager Mert Kepceoglu in die Arme fiel, ihn hochleben ließ – und auch Trainer Gökhan Acar seinem Matchwinner dankte: Doch Mustafa Ercetin selbst gab sich ganz bescheiden. „Wir sind als Team aufgetreten. Das ist nicht mein Verdienst“, hob er die Gesamt-Performance seines Meiendorfer SV hervor, machte aus seiner Gefühlswelt aber auch keinen Hehl: „Ich bin unglaublich glücklich!“ Kein Wunder, schließlich waren die letzten Tage und Wochen äußerst turbulent für den Edel-Techniker, der sich vor dieser Saison eigentlich Concordia Hamburg anschloss. Nach einigen Unstimmigkeiten verließ der vom SV Curslack-Neuengamme an den Bekkamp gewechselte Mittelfeldregisseur die Pieper-Elf jedoch schon wieder, um an der B75 anzuheuern – und im ersten Auftritt im neuen Dress gleich mal aufzutrumpfen (alle Highlights im LIVE-Ticker zum Nachlesen).

Atef Zakerwal (li.) verpasste in Hälfte eins die Führung, als er an Marco Rohde und dem Pfosten scheiterte. Foto: noveski.com

„So etwas sieht man in der Oberliga selten“, erwies Mustafa Ercetin seinem neuen/alten Teamkollegen Gökhan Iscan die Ehre. „Ich kenne ‚Gökhi‘ ja schon aus Curslack-Zeiten. Wir verstehen uns und er weiß zum Glück, wie ich den Ball haben möchte“, sprach Ercetin auf jene Szene an, die sich in der 84. Spielminute ereignete. Iscan chippte einen ruhenden Ball aus dem Halbfeld in den Sechzehner, wo Ercetin seine ganze Klasse ausspielte, die Kugel mit rechts aus der Luft pflückte und mit links im Osdorfer Gehäuse unterbrachte – das 2:1 für den MSV. Der Jubel des Blitz-Neuzugangs kannte keine Grenzen. Er riss sich das Trikot vom Leib und lief in Richtung der Anhänger. Während die Freude auf der einen Seite keine Grenzen kannte, herrschte auf der anderen Seite blankes Unverständnis: „Das ist ein Freistoß, der mich massiv ärgert, weil mir einfach nicht klar ist, warum man dem besten Mann auf dem Platz acht Meter in jede Richtung Luft geben kann. Das ist ja nicht mal ein scharf getretener Freistoß, sondern ein gechippter Ball“, echauffierte sich TuS-Trainer Philipp Obloch und war im wahrsten Sinne frustriert: „Das ist dann die gerechte Strafe.“

"Vorne hat uns ein bisschen die Durchschlagskraft gefehlt"

Doch dann kam Mustafa Ercetin (Mi.) und erzielte vom Punkt aus die Führung. Foto: noveski.com

Und so verließ der Gast die B75 mit leeren Händen. „Es war von vornherein klar, dass es für uns ein kompliziertes Spiel werden würde“, unkte Obloch nachdem Corona-bedingten Ausfall des Auftaktspiels gegen den Niendorfer TSV – und führte erklärend an: „Wir haben drei Wochen lang gar nicht gespielt. Jetzt das erste Pflichtspiel nach ewig langer Pause – und dann gleich auf Rasen.“ Ein Untergrund, der nicht unbedingt der des TuS Osdorf ist. Dennoch hatte man im ersten Abschnitt zwei dicke Chancen durch Toni Rohrbach, der beide Male jedoch kläglich vergab (21., 24.). Man merkte den Gästen das Fehlen von Torjäger Jeremy Wachter, der aber auf dem Weg der Besserung ist und schon bald wieder ins Training einsteigen soll, deutlich an. „Vorne hat uns schon ein bisschen Durchschlagskraft gefehlt“, musste auch Obloch, der eigentlich mit Mehmet Eren geplant hatte, der jedoch krankheitsbedingt nur Luft für eine gute halbe Stunde hatte, eingestehen.

"Wenn man drin ist, läuft man, bis man umfällt"

Robin Schmidt (2. v. re.) erzielte den zwischenzeitlichen Augleich und wird von Marco Rohde (re.) geherzt. Foto: noveski.com

Als Eren jedoch das Geläuf betrat, wurde es gleich etwas besser aus Osdorfer Sicht. Seine Ecke führte in der 70. Minute zum Ausgleich, als Robin Schmidt am zweiten Pfosten mit dem Kopf – oder mit dem Ohrläppchen – zur Stelle war. In der Folge hatte auch Obloch das Gefühl, dass sein Team konditionell obenauf sei und dem Gegner noch den Rang ablaufen würde. Aber: „Die haben sich da gut durchgebissen. Auch ‚Musti‘, der nicht kaputt zu kriegen war. Und die Konter waren auch jedes Mal gefährlich.“ Und so war es eben jener „Musti“ Ercetin, der die Partie zugunsten der Hausherren entschied. „Es war kurz mal etwas anstrengend, aber dann kam die zweite Luft. Und wenn man dann so drin ist, läuft man, bis man umfällt“, gab der 23-Jährige zu Protokoll.

Ercetin trotzt dem Plan - "Er hat den Unterschied ausgemacht"

Nach einem Freistoß durfte Ercetin (2. v. re.) den Ball ohne jegliche Bedrängnis annehmen und zum Sieg einschießen... Foto: noveski.com

Nach gerade mal anderthalb Wochen im Mannschaftstraining übernahm Ercetin schon in der Nachspielzeit des ersten Durchgangs Verantwortung, als Marco Rohde einen Iscan-Schuss mit dem Arm blockte und der ehemalige Altonaer den fälligen Strafstoß sicher verwandelte (45. +2). Sein Trainer verriet anschließend jedoch: „Normalerweise stand an der Tafel, dass Gökhan (Iscan, Anm. d. Red.) oder Georg (Demircan) die Elfmeter schießen. Aber vielleicht haben die Jungs das unter sich ausgemacht und er hatte die Eier. Hätte er den nicht reingemacht, dann hätte es Ärger gegeben. Aber er hat ihn reingemacht“, herrschte also Friede, Freude, Eierkuchen beim MSV. „Man sieht einfach, wie wichtig ‚Musti‘ für uns ist. Er hat den Unterschied ausgemacht. Gerade das zweite Tor macht er natürlich überragend“, lobhudelte Gökhan Acar seinen Doppeltorschützen, hob aber auch den einmal mehr starken Iscan, der bereits im ersten Durchgang einen Tritt auf den Fuß abbekam, hervor. „Sein letzter Pass ist immer überragend.“

"Da hat man gesehen, dass wir ein Team sind"

... der Rest war riesengroßer Jubel beim Meiendorfer SV. Foto: noveski.com

Am Ende habe er „einen hochverdienten Sieg“ gesehen, bilanzierte Acar, „auch wenn Osdorf vielleicht mehr Ballbesitz hatte. Aber das war unser Plan. Wenn wir unsere Chancen und Konter besser ausspielen, dann können wir ein drittes, viertes oder sogar fünftes Tor machen. Wir hatten sehr viele Situationen und Chancen – Osdorf in der zweiten Halbzeit eigentlich nur eine. Wir haben das gut gemacht, ich bin sehr zufrieden“, freute sich Acar über den ersten Saisonsieg – und verspürte keine Genugtuung. „Eigentlich ist mir das egal, was andere sabbeln. Man hat gesehen, dass wir die Qualität haben, in der Oberliga zu spielen. Aber das ist nur ein Spiel gewesen. Dennoch war das für die Moral sehr wichtig.“ Er habe seinen Jungs gesagt, dass man auf Sieg spielen wolle – und die hätten das „sehr gut gemacht. Auch gerade nach dem 1:1. Viele denken ja, dass es bei uns dann – aufgrund der Mentalität – auseinanderbricht. Aber da hat man gesehen, dass wir ein Team sind!“

Autor: Dennis Kormanjos

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